Leuchtende Kunst in den Katakomben
22.07.21
Zu Besuch bei BUM, dem jüngsten Museum Kronstadts
Wer an einem heißen Julinachmittag in Kronstadt nach Abkühlung sucht, kann entweder ins Schwimmbad oder ins jüngste Museum der Stadt gehen, das sich in den Katakomben beim Raupenberg an der Graft befindet. Bloß sollte man unbedingt eine warme Jacke mitnehmen- der Temperaturunterschied zwischen innen und außen ist sehr groß und falls man längere Zeit damit verbringt, die Exponate zu bewundern, kann man sich eine Erkältung holen. Zweitens sollte man es vermeiden, mit Stöckelschuhen oder in eleganter Kleidung ins mysteriöse Labyrinth unter der Stadt einzutreten. Am Boden befinden sich Wasserpfützen, es tropft dauernd von der Decke und am Boden ist Schlamm, auf dem man leicht ausrutschen kann. Drittens muss man dauernd aufpassen, um nicht mit dem Kopf gegen die Decke zu prallen. Persönlich habe ich keinen dieser Ratschläge beachtet- meine Schuhe sind kaputt und mein Kopf schmerzt noch von der in den Katakomben erlittenen Gehirnerschütterung. Trotzdem kann ich einen Besuch im BUM (Brasov Underground Museum) nur empfehlen.
Underground: die erste temporäre Ausstellung
Der Eingang ins Museum befindet sich wenige Schritte von der Treppe entfernt, die zum Weißen Turm führt. Davor hat sich eine Touristen-Schlange gebildet. Vor dem Eingang steht ein junger Mann und vergibt Eintrittskarten. Die 20 Lei kann man ihm auch per Revolut-App überweisen. Gleich danach tritt man ins Museum und freut sich, dass das riesige Potential der Katakomben endlich von den Kronstädter Behörden erkannt wurde. Das Museum für digitale Kunst BUM wurde vom Kulturverein Amural eingerichtet, indem die als Luftschutzbunker im Zweiten Weltkrieg verwendeten unterirdischen Galerien umgewandelt wurden. Bisher waren diese Galerien verwahrlost. Das Tunnel-Netzwerk wurde in mehreren Etappen gereinigt. Vorgeschlagen wurde in den vergangenen Jahren, diese Räumlichkeiten vielleicht auch als ein Museum des antikommunistischen Widerstands in Kronstadt und Umgebung einzurichten.
Im Frühjahr 2021 erfolgte eine historische Untersuchung dieser ehemaligen Bunker, paralell zu den Umgestaltungsarbeiten, die vom Bürgermeisteramt finanziert wurden. Ab Ende Mai steht eine erste Ausstellung in den Räumen, die den ganzen Sommer (unter Beachtung aller gesundheitlichen Vorgaben betreffend der Corona-Pandemie) geöffnet sein wird. Das neue Museum ist Teil eines größeren Projektes, das Amural in Zusammenarbeit mit dem Kronstädter Bürgermeisteramt in diesem Gebiet umsetzen will. Es heißt „Kulturpark an der Graft” und verfolgt, den Wald oberhalb der nördlichen Stadtmauer samt Schwarzen und Weißen Turm sowie Graftbastei als Natur- und Kulturpark touristisch besser zur Geltung zu bringen.
Interesse für New Media-Kunst soll erweckt werden
Im September wird dann entschieden, ob die Katakomben weiterhin als Kunstgalerie für New Media offen bleibt. New Media ist ein Genre, das alle Kunstwerke umfasst, die mit den Technologien der neuen Medien geschaffen wurden, einschließlich Computergrafik, digitale Kunst, virtuelle Kunst, Internetkunst, Computeranimation, Videospiele, 3D-Druck und Computerrobotik. Die meisten New-Media-Art Kampagnen haben nicht den Anspruch der Vollendung und befinden sich in einem dauerhaften Entwicklungsprozess. Die Betrachter sind daher aufgefordert aktiv an den Projekten teilzunehmen und über verschiedene Medien, wie Apps, Screens oder über das Internet, die Projekte mitzugestalten und zu erweitern.
In den Katakomben ist es stockdunkel. Man watet durch die Pfützen und folgt einem weißen Lichtstrahl und befindet sich plötzlich neben einer leuchtenden Sanduhr, die an der Steindecke hängt. Gleich daneben findet man eine Installation in Form eines Baums, an dessen vielen Ästen analoge TV-Geräte hängen. Ex Sonus von Andrei Bucovianu soll darauf hinweisen, dass die Menschen der Umwelt erst dann instinktiv Aufmerksamkeit schenken, wenn eine Katastrophe passiert.
Long Story Short von Zemba Akos spricht über das Rauchen. „Die Installation platziert den Menschen in die Mitte des anamorphen Bildes und wird somit eine Figur aus diesem Bild.Die verzerrte Skulptur um den Spiegel herum wird sehr klar. Es sit die Reflexion durch unsere Vergangenheit. Das Rauchen symbolisiert das Erwachsenenalter. Vom Standpunkt des Kindes aus gesehen, symbolisiert dieses wiederum die Macht”, kann man in der Beschreibung des Kunstwerks lesen. InDialog, ein rumänisch-französisches Künstlerkollektiv ist mit der Installation Crickets dabei- das sind viele 3D-gedruckte Grillen. Wenn man näher tritt, fangen sie an, zu zirpen. Das 3D Video-Werk SKINNED der in Berlin lebenden Künstlerin Aurora Mititelu zeigt tatöwierte Haut und ist aus der Tatoo-Kultur der osteuropäischen Häftlingen zu Beginn des XX Jahrhunderts inspiriert.
Etwas müde ist man, wenn man nach dem Besuch des Museums wieder ins Licht hinaustritt und man braucht etwas Zeit, um das Gesehene zu verarbeiten. Die Erfahrung sollte man sich jedoch unbedingt gönnen. BUM ist dienstags bis sonntags von 12 bis 20 Uhr offen. Der Eintritt kostet 20 Lei, ermäßigt 10 Lei. Die Einnahmen werden in die Ausstattung und Gestaltung des Museums investiert.
Elise Wilk
Das Werk Long Story Short von Zemba Akos. Foto: die Verfasserin
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
25.10.24
Abschluss der Restaurierungsaktion im Rahmen der Vortragsreihe „Kulturerbe hautnah“ öffentlich vorgestellt
[mehr...]
25.10.24
Zum Band von Alfred Schadt: Zwischen Heimat und Zuhause. Betrachtungen eines Ausgewanderten
[mehr...]
25.10.24
Marienburg im Burzenland hat seit Kurzem ein amtlich bestätigtes Ortswappen/Von Wolfgang Wittstock
[mehr...]