Meinungen
24.01.19
Die Ambivalenz des neuen Schulerauweges
Der seit 1966 befahrbare neue Schulerauweg war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung der Schulerau. Sie ist heute eine der bekanntesten touristischen Sehenswürdigkeiten des Landes; ein Wintersportzentrum mit einer, für hiesige Verhältnisse, besonderer Ski-Infrastruktur. Der Schulerauweg selber ist eng mit Kronstadt verbunden.
Bei der Vorstellung des Bandes der dieser touristischen Straße gewidmet ist (siehe auch KR 51 vom 29. Dezember des Vorjahres) ging der Kronstädter Soziologe [tefan Ungurean auch auf jene Folgen ein die die neue Straße für Kronstadt und Schulerau mit sich brachte, und die aufweisen, dass Fortschritt und Erfolg oft auch eine nachdenklich stimmende Kehrseite aufweisen.
Die leichte Erreichbarkeit der Schulerau über den rund 12 km asphaltierten Weg brachte viel mehr Touristen in die Schulerau die sich aber stark von den vorigen Schulerau-Besuchern unterschieden. In den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts waren es vor allem die Kronstädter Wanderer und Bergfreunde die die Schulerau und ihre Umgebung als beliebtes Ziel von Familienausflügen schätzten oder im Winter da gern mit Schiern oder Rodeln kamen. Die Ruhe, der familiäre Charakter dieser Gegend ging allmählich verloren, weil die früher als Kurort betrachtete Schulerau sich zu einer Tourismus-Hochburg entwickelte die bald den Charakter eines Städtchens mit Hotels und Gaststätten erhalten sollte. Die Schulerau konnte so als Verlängerung Kronstadts gelten, wobei aber, paradoxerweise, sie für viele Kronstädter immer fremder oder unpersönlicher wurde. Dieses Modell eines Kurort-Städtchens sei bereits in den 1980-er Jahren von manchen Fachleuten als Auslaufmodell betrachtet worden, als eine Sackgasse in der Entwicklung der Schulerau. Sie hätte von ihrem ehemaligen Reiz vieles einbüßen müssen und sei heute, aus dieser Perspektive betrachtet, recht „banal“. Das hindert aber eine reich betuchte „Elite“ nicht, vor allem an Feiertagen in der Schulerau Präsenz zu zeigen. „Andere Gäste, andere Sitten“ könnte man meinen, wobei allerdings nicht vergessen werden soll, dass ohne Geld nichts läuft – erst recht in der Schulerauer Gästewirtschaft.
Der neue Schulerauweg brachte, vor allem nach der Wende, auch neue Wohnanlagen mit sich, z.B. oberhalb der Postwiese („Bellevue Residence“) oder in der Nachbarschaft der Oberen Vorstadt. Deshalb konnte Ungurean einem älteren Bewohner der Oberen Vorstadt nicht voll zustimmen, dass der neue Schulerauweg durch seine Trasse oberhalb von Schei dieses so prägnante Kronstädter Stadtviertel gerettet hätte. Der Druck von Immobilienentwicklern wächst; Anbindungen an den Schulerauweg werden in Erwägung gezogen der nun auch die Funktion eines erleichterten Zugangs zur Oberen Vorstadt erhalten könnte, was ursprünglich nicht so geplant war. Andrerseits könnte der Schulerauweg in Zukunft entlastet werden, wenn eine Schulerau-Verbindung von der geplanten Autobahnstrecke Predeal - Pârâul Rece – Rosenau ausgehend, entsteht. Diese Trasse wird dann als kürzere Variante, die Kronstadt umgeht, von aus Bukarest und dem Süden des Landes anreisenden Touristen vorgezogen werden.
Diese Ambivalenz die der neue Schulerauweg in seinen über 50 Jahren aufweist, war seinerzeit kaum vorstellbar und schmälert auch in keiner Weise die Verdienste jener die diesen Weg geplant und gebaut haben. Er bleibt eine Meisterleistung im Straßenbau auf die man stolz sein kann. Er stellt aber heute Stadtplaner und Tourismusexperten vor neue Herausforderungen und fordert auch ein Umdenken, eine neue Vision.
Ralf Sudrigian
Der Schulerauweg brachte entlang seiner Trasse auch Neubauten mit sich. Foto: Gruia Hilohi (2007), aus dem Band „Drumul Poienii Brasovului“
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