Mit 24 Orden und Medaillen ausgezeichnet
16.07.20
Erfolgreiche Karriere eines Kronstädter Sachsen in der rumänischen Armee: General Johann Karl Schmidt (I)/Von Wolfgang Wittstock
Als mit dem Ende des Ersten Weltkriegs die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie zusammenbrach und es zum Anschluss Siebenbürgens an Rumänien kam, wurden viele Siebenbürger Sachsen, die als Offiziere im Weltkrieg in der k. u. k. Armee gekämpft hatten, ins rumänische Militär übernommen. Manche unter ihnen setzten in der Zwischenkriegszeit ihre Karriere in der rumänischen Armee erfolgreich fort und wurden mit dem hohen Dienstgrad eines Generals ausgezeichnet. Der bekannteste unter ihnen dürfte General Artur Phleps (geb. 1881 in Birthälm – am 21. September 1944 in der Nähe von Arad von russischen Soldaten gefangengenommen und unerkannterweise erschossen) sein, der 1919 als Oberstleutnant in die rumänische Armee aufgenommen wurde, an deren Reorganisierung maßgeblich beteiligt war und bis zum kommandierenden General der rumänischen Gebirgstruppe aufstieg. 1940 ließ er sich in den Ruhestand versetzen und zog sich nach Kronstadt, in sein Haus auf dem Schlossberg (heute Maior-Cran?a-Straße), zurück, doch 1941 erfolgte sein Übertritt in die deutsche Wehrmacht, die ihn der Waffen-SS zuwies, in deren Auftrag er als Generalleutnant die 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“ aufstellte, die sich bei ihrem Einsatz auf dem Balkan zahlreicher Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung schuldig machen sollte.
General Zwiedinek, Privatsekretär von Königin Maria
Ein anderer ehemaliger k. u. k. Offizier, der in der rumänischen Armee zum General aufstieg, war Hugo Schwab, geboren 1887 in Sächsisch-Regen. Im Range eines Hauptmanns geriet er im November 1914 an der galizischen Front in russische Kriegsgefangenschaft. Nach dem Frieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) kehrte er nach Siebenbürgen zurück. 1919 erfolgte die Aufnahme in die rumänische Armee. 1923 avancierte er zum Oberstleutnant, 1929 zum Oberst, 1938 zum Brigadegeneral, 1942 zum Generalmajor und im Januar 1944 zum Generalleutnant. Am 15. August 1944 wurde er zum Kommandanten des 7. (Gebirgsjäger-) Armeekorps ernannt, dessen Hauptquartier sich damals in der Moldau, im Kloster V?ratec, befand. Am 24. August 1944 – Rumänien hatte am Vortag das Waffenbündnis mit Deutschland gekündigt und die Kriegshandlungen gegen die Alliierten eingestellt – wurde das Auto, in dem er sich zusammen mit anderen hochrangigen rumänischen Offizieren befand, in der Nähe von Humule?ti von russischen Soldaten beschossen und zum Anhalten gezwungen. In diesem Augenblick, um nicht in russische Kriegsgefangenschaft zu geraten, schoss sich General Hugo Schwab mit seinem Revolver eine Kugel durch den Kopf und war auf der Stelle tot. Er wurde im Kloster Agapia beerdigt. An seinem Grab finden auch heute noch gelegentlich ihm gewidmete Gedenkveranstaltungen statt.
Erwähnenswert ist in dieser Reihe auch Brigadegeneral Eugen Zwiedinek Edler von Südenhorst, geboren 1886 in Klausenburg als Sohn eines hohen Beamten der k. u. k. Staatsbahnen. Als junger Leutnant heiratete er 1915 die Kronstädterin Maria Herter. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Hauptmann Zwiedinek in die rumänische Armee übernommen und als Adjutant von König Ferdinand nach Bukarest beordert. Im „Neuen Kronstädter Adressbuch“ (1927) wird Oberst Eugen Zwiedinek, Personaladjutant Sr. Majestät des Königs von Rumänien, mit dem Wohnsitz in der Langgasse 44 angeführt (S. 325). Es gibt Hinweise, dass er später auf den Schlossberg (Maior-Cran?a-Straße) übersiedelte und dass er auch Eigentümer einer Villa auf der Postwiese (Sp?tarul-Milescu-Straße) gewesen ist. Nach dem Tod des Königs Ferdinand (1927) war er Adjutant und Privatsekretär von Königin Maria, bis zu deren Tod (1938). In der Regierung von Ion Antonescu war General Eugen Zwiedinek Unterstaatssekretär im Ministerium der nationalen Wirtschaft, für Kolonisierung und evakuierte Bevölkerung (27. Januar – 2. Mai 1941) und dann Unterstaatssekretär für Rumänisierung, Kolonisierung und Inventar (2. Mai – 4. Dezember 1941). Anschließend wurde ihm das Kommando einer Einheit der rumänischen Armee anvertraut. Nach dem Krieg folgten Jahre politischer Haft in kommunistischen Gefängnissen. Brigadegeneral Eugen Zwiedinek starb 1956 in Bukarest.
Bei einer Baumanpflanzung gefunden
Während mehr oder weniger ausführliche Angaben zur Biographie der bisher genannten Generäle auch im Internet (Wikipedia) zu finden sind, wollen wir im Folgenden das Schicksal eines weiteren rumänischen Generals siebenbürgisch-sächsischer Herkunft beleuchten, der in Kronstadt geboren wurde und hier gestorben ist und dessen Biographie unseres Wissens bisher nirgendwo aufgezeichnet wurde. Vom Leben und Wirken dieser Persönlichkeit erfuhren wir auf folgende Weise: Anlässlich eines Klassentreffens, das im vorigen Jahr (2019) in Deutschland stattgefunden hat, berichtete ein ehemaliger Klassenkollege dem Verfasser dieser Zeilen, dass er sich im Besitz von 24 Medaillen und Orden befände, die einem General namens Schmidt gehört hatten. Diese Auszeichnungen waren viele Jahre im Garten des Generals auf dem Schlossberg in Kronstadt vergraben, wurden Anfang der 1960er Jahre – der ursprüngliche Eigentümer war bereits verstorben – bei einer Baumanpflanzung zufällig wiedergefunden und in der Folge nach Deutschland gebracht. Die Schwiegertochter des Generals übergab sie dem erwähnten Klassenfreund, dessen Familie mit jener der Generals-Schwiegertochter befreundet war.
Genaueres über den Träger der 24 Orden und Medaillen konnte mein Klassenfreund nicht mitteilen, nicht einmal dessen genauen Vornamen. Auf meine Bitte stellte er mir allerdings eine Liste der Auszeichnungen zur Verfügung. Ein Blick darauf überrascht mit der Feststellung, dass es sich um Orden und Ehrenzeichen mehrerer Länder (Österreich-Ungarn, Türkei, Serbien, Rumänien, Polen) handelt. Dabei ergibt sich logischerweise die Frage, ob einer einzigen Person so viele Auszeichnungen von so vielen Staaten verliehen werden konnten. Darauf wird es im weiteren Verlauf dieses Beitrags eine Antwort geben.
Zweimal General Schmidt
Auf der Suche nach Informationen über die Biographie des Generals Schmidt bemühten wir zunächst das Internet. Hier fanden wir einen keineswegs ausführlichen Wikipedia-Artikel über einen rumänischen General deutscher Herkunft namens Carol Schmidt, geboren 1886, gestorben 1962. Geburts- und Todesort sind nicht angegeben. Carol Schmidt war ab 1939 Brigadegeneral und ab 1942 Generalmajor, kämpfte im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront und wurde im September 1944 als Divisionsgeneral in die Reserve versetzt. Im weiteren Verlauf der Recherche musste der Verfasser zum Schluss kommen, dass der in der Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ behandelte General Carol Schmidt nicht der General Schmidt sein kann, in dessen Garten auf dem Schlossberg in Kronstadt die erwähnten 24 Orden und Medaillen ausgegraben worden waren. Dem Verfasser war es nämlich inzwischen gelungen, die in Deutschland lebende Enkeltochter des gesuchten Generals, Frau Gundi Schmidt, ausfindig zu machen. Frau Schmidt, 1938 in Bukarest geboren, absolvierte 1956 die deutsche Mittelschule in Kronstadt (das 1948 verstaatlichte Honterus-Gymnasium) und übersiedelte 1961 nach Deutschland, wo sie u.a. als Übersetzerin, Dolmetscherin, Auslandskorrespondentin und Lehrerin beruflich tätig war. Parallel dazu erfolgte eine Ausbildung als bildende Künstlerin. Eine Ausstellung mit Zeichnungen und Radierungen von Gundi Schmidt wurde im Jahr 2009 in Siebenbürgen (Hermannstadt, Kronstadt) und in Bukarest gezeigt.
Von Frau Gundi Schmidt erhielten wir eine ausführliche Lebensbeschreibung über ihren Großvater, General Johann Karl Schmidt, sowie Kopien von Dokumenten und Fotos, die dessen Leben und Wirken veranschaulichen. Darauf stützen sich nachfolgende Ausführungen.
(Fortsetzung in unserer nächsten Ausgabe)
KASTEN
Orden und Medaillen, mit denen Johann Karl Schmidt ausgezeichnet wurde
(in einer mutmaßlichen chronologischen Reihenfolge)
1. Regierungs-Jubiläumskreuz 1848-1908 ohne Band (Österreich-Ungarn)
2. Regierungs-Jubiläumskreuz 1848-1908 (Österreich-Ungarn)
3. Medjidie-Orden, Kreuz (Türkei)
4. Tapferkeitsmedaille (Serbien)
5. Balkankrieg-Kreuz, 1912 (Serbien)
6. Balkankrieg-Kreuz, 1913 (Serbien)
7. St.-Sava-Orden, Stern (Serbien)
8. St.-Sava-Orden mit Kreuz (Serbien)
9. Balkankrieg-Kreuz (Österreich-Ungarn)
10. Patriotisches Erinnerungsabzeichen (Österreich-Ungarn)
11. Verdienstmedaille „Signum Laudis“ (Österreich-Ungarn)
12. Orden der Eisernen Krone mit Schwertern (Österreich-Ungarn)
13. Leopold-Orden mit Kriegsdekoration, 1916 (Österreich-Ungarn)
14. Jubiläumsmedaille, 1918, ohne Band (Österreich-Ungarn)
15. Jubiläumsmedaille, rot, 1918 (Österreich-Ungarn)
16. Jubiläumsmedaille, weiß/rot, 1918 (Österreich-Ungarn)
17. Teilnehmerkreuz 1. Weltkrieg (Rumänien)
18. Verdienstorden 1. Weltkrieg (Rumänien)
19. Kronenorden, Kreuz (Rumänien)
20. Kreuzorden mit Schwertern (Rumänien)
21. Orden Polonia Restituta, Stern (Polen)
22. Orden Polonia Restituta, Kreuz (Polen)
23. Medaille „Sieg über Deutschland“ (Rumänien)
24. Medaille „Sieg über den Faschismus“ (Rumänien)
Ein Foto mit eigenhändiger Unterschrift: General Johann Karl Schmidt (Bildquelle: privat)
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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