Noch einmal: Die Marienstatue der Schwarzen Kirche
15.01.09
Ergänzungen zur Restaurierungsgeschichte der Statue
In der KR Nr. 51 vom 31. Dezember 2008 hat Joachim Wittstock als Weihnachtsgruß in schön gesetzten Worten die Marienstatue der Schwarzen Kirche gewürdigt und darauf hingewiesen, daß seine Großmutter Margarete Depner (1885 - 1970) die neue Marienstatue geschaffen hat, anstelle der alten aus dem 15. Jahrhundert
Eine glückliche Fügung brachte es mit sich, daß ich bei dieser Aktion auch mitwirken durfte und so einige Ergänzungen zur Geschichte der neuen Marienstatue beisteuern kann.
Seit dem 10. Oktober 1954 war ich als Schüler der neunten Klasse mit der Erforschung der Schwarzen Kirche beschäftigt, die meine erste große Liebe war. Meine Erkenntnisse legte ich damals in mehreren Heften „Beiträge zu einer Monographie der Schwarzen Kirche" nieder, aus denen ich folgendes mitteilen kann.
Die alte originale Marienstatue wurde um 1940 in den Hof des Hauses an der südwestlichen Ecke Hirschergasse - kleine Gabelgasse (heute Nr. 11) gebracht, das Dr. Wilhelm Depner und Margarete Depner gehörte. In diesem Hofe – wo damals fast eine Art Lapidarium oder Skulpturenaustellung war - habe ich die Statue oft gesehen, wenn ich zu den Violinstunden zu Prof. Kurt Philippi sen. - dem Schwiegersohn von Margarete Depner - ging.
Am 12. März 1955 wurde die Statue dann im Hinblick auf ihre Restaurierung in die Schwarze Kirche geschafft und im Erdgeschoß des Südturms aufgestellt. Im August 1955 arbeitete Frau Margarete Depner an der Statue und ergänzte am alten Original die fehlenden Teile mit einem grauen Ton. Ich durfte der damals 70 Jahre alten Bildhauerin dabei helfen und bekam als Aufgabe, den unteren Teil des Standbildes zu ergänzen, wo sich das Schild mit dem Kronstädter Wappen in seiner ursprünglichen Form - nur die Krone - befindet. Das Schild mit dem Wappen wird heraldisch links - vom Betrachter rechts - von einem Engel gehalten, auf der anderen Seite von einem Dämon. Die endgültige Form auch dieser Partie stammt natürlich von der Bildhauerin.
In den Herbstmonaten beendete Margarete Depner die Arbeit und vom 5. - 14. Dezember 1955 wurde unter der Leitung des Gipsgießers Bartel ein Gipsmodell erstellt. Bei der Abnahme der Matritzen dafür erlitt das Original leider einige Beschädigungen.
Auch das Gipsmodell wurde damals neben dem Original unter dem Südturm aufgestellt und sollte als Vorlage für eine künftige Steinkopie dienen, die auf den Platz der Maria am elften Chorstrebepfeiler gestellt werden sollte. Es fand sich aber lange Zeit niemand, der diese Arbeit ausgeführt hätte.
Über das Finale der Aktion schreibt Architekt Günther Schuller (1904 - 1995) - der sich um die Restaurierung der Schwarzen Kirche große Verdienste erworben hat - in seinem Buch „Kronstadt - Kaleidoskop einer Stadt im Südosten 1211 - 1988" (Hermannstadt 1998) nach dem von Joachim Wittstock gebrachten Zitat:
„Nun ( 24. 10. 1983) haben wir die vom Hermannstädter Bildhauer (Kurtfritz) Handel in Kalkstein gehauene Statue auf ihren Sockel gehoben, jetzt lächelt sie gütig, hoffentlich recht lange, auf den vorbeiziehenden Wanderer hinab.
Das liest sich so einfach, war es aber gar nicht. …Immerhin war ein Gewicht von 550 kg. hochzuhieven. Als wir dann dem Kranführer das Kommando zum Heben gaben und schon fast oben waren, stellte es sich plötzlich heraus, daß das Stahljoch über dem Kopf der Statue genau um - sage und schreibe - 2 cm zu kurz war…. Also herunter und die Kabel zum Joch entsprechend verlängern. Und dann klappte es! Auch hier dauerte es von 11,30 - 18 Uhr, und wiederum hatte eine dichtgedrängte Menge, hauptsächlich Schulkinder, ihr nicht alltägliches Schauspiel…"
Nun steht die neue Marienstatue seit über einem Vierteljahrhundert auf ihrem Platz, als ob sie immer dort gestanden wäre. Daß ihr Platz mehr als vierzig Jahre leer war und die Geschichte ihrer Neugestaltung wissen nur die wenigsten der heute Vorbeigehenden.
Vielleicht birgt das Archiv der Honterusgemeinde noch zusätzliche Informationen über diese jüngste der neuen Chorstrebepfeilerstatuen.
Heute haben wir die Marienstatue in dreifacher Ausfertigung in der Schwarzen Kirche:
1. das alte Original vom Anfang des 15. Jahrhunderts steht jetzt auf einer Konsole in der Westhalle links beim Westportal, sinnvoll beim Haupteingang in die ehemalige Marienkirche.
2. Die „Zwischenphase der Restaurierung" - wie es im Text zum Beitrag von Joachim Wittstock heißt - ist das 1955 angefertigte von Margarete Depner verwirklichte Gipsmodell und steht heute in der Südwestecke des Erdgeschosses des Nordturms auf dem Gesimse über den an der Westwand eingemauerten alten Grabsteinen, also in dem Raum, wo sich seit 1973 die Honterus-Ausstellung befindet.
3. Die neue Marienstatue - ausgehauen im Jahre 1983 nach dem Modell von Margarete Depner durch Kurtfritz Handel - steht auf dem elften Chorstrebepfeiler.
Wir sind Joachim Wittstock dankbar, daß er in seinem Weihnachtsgruß auf diese Plastik neu aufmerksam gemacht hat.
Gernot Nussbächer
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