„Pfingstradlerei nach Kronstadt“ (II)
08.01.09
Aus einer zeitgenössischen Reportage über das Radfahrerfest 1901 in Kronstadt/ von Hansotto Drotloff, Alzenau
Hier, beim Abendessen nach dem ereignisreichen Tag, beginnt eine etwas skurrile Episode. Haltrich, der sich als „gewissenhaften ‚Traineur’“ seiner Mannschaft bezeichnet, zeigt sich zunächst den Sportlern gegenüber fürsorglich, indem er sie „aus der Stickluft hinaus, heimwärts zu Bette [beförderte] um den nächsten Morgen beim Wettrennen ‚fitt’ (in bester Kondition [Einfügung von Haltrich]) zu sein.“ Die „Schiedsrichter und Verantwortlichen“ aber, zu denen er auch gehört, dachten nicht an ihre Federbetten sondern „waren so gewissenhaft, die Kunde von der aufgehenden Sonne, also schönes Wetter, im Kaffe ‚Transvaal’ zum Frührapport entgegen zu nehmen.“ Die Folgen der durchzechten Nacht zeigten sich denn auch umgehend, als die Starter und Schiedsrichter, allesamt im Besitz eines Riesenkaters mit einer Droschke zum Starten des Bergrennens in die Dârste eilen. Und auch „die frische Morgenbrise, die frisch verzollt aus der ‚Walachei’ blies“ ändert nichts an der nackten Tatsache, dass sie schlicht verschlafen hatten. Schon eine Stunde vor dem Start waren die Zielrichter, die Herren Schreiber und Kolbe mit einem Tandem auf den Predeal hinaufgeradelt und sollten „per Telephon“ vom Start der Konkurrenten informiert werden. Sechs Konkurrenten gingen im Mai 1901 in der Dârste an den Start, die nach ein paar guten Winken der Starter „in mörderischem Tempo dem sanft ansteigenden Unter-Tömösch“ zuradeln. Schon bald nach dem Start kehrt einer der Schutzbefohlenen Haltrichs, Friedrich Gull, einer der Favoriten für den Titel des Bergmeisters von Siebenbürgen „zu Fuß und mit einem Armesündergesicht und ‚Hutkrempe’ am hinteren Rad zurück. Eine unglückliche Carambolage mit Herrn Petrutz hatte ihn zu Fall gebracht und außer Konkurrenz gesetzt.“ Den weiteren Verlauf des Rennens verfolgen die Zielrichter von Predeal aus mit dem Fernrohr: „An der Spitze des zerrissenen Feldes [von 5 Konkurrenten, (sic!) Anm. d. Autors] kämpfte Herr Mihalyu die vorletzten Serpentinen Rad auf Rad ab mit wahrer Todesverachtung und war schon im Begriff, seinem verbissenen Gegner ‚durchzugehen’, gab aber wie gelähmt gleich nach, denn ein tückischer Hufnagel hat ihm den Reifen durchstochen, und so ging ein gewisser Herr Schenk aus Kezdi-Vásárhely mit einigen Längen Vorsprung als erster durch das Zielband.“ Im Promenaden-Restaurant feiert man später das Resultat – auch wenn Haltrich sich den Kommentar nicht verkneifen kann, dass die Zeit von 1 Stunde und 4 Minuten weit hinter seinem eigenen Rekord zurückblieb, da er 1898, beim Rennen anlässlich der Vereinstage, die Strecke nach eigener Aussage in 36 Minuten zurückgelegt haben will. Radfahrerlatein? Sein Bergmeisterdiplom für 1898/1899 ist im Kreismuseum Kronstadt zu besichtigen, die Rekordzeit wird an anderer Stelle allerdings mit 49 Minuten angegeben – sicherlich immer noch ein beachtliches Ergebnis, wenn man an den Zustand denkt, in dem sich die Straßen damals befanden.
(Fortsetzung folgt)
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