Pfingstradlerei nach Kronstadt (IV)
22.01.09
Aus einer zeitgenössischen Reportage über das Radfahrerfest 1901 in Kronstadt/ Von Hansotto Drotloff, Alzenau
Die Kronstädter und der Rest der Siebenbürger Sachsen
Wir wollen diesen Bericht nicht schließen, ohne auf eine Einzelheit vom Radfahrerfest einzugehen. Beim Festessen am Pfingstsonntag berichtet Haltrich, dass er sich nach einem (vielleicht auch nur theatralisch angedeuteten) Zögern zu einem Trinkspruch hatte „hinreißen“ lassen. Diese Episode enthält einige Details aus der Frühgeschichte der Radfahrer-Clubs von Kronstadt und Mediasch und soll daher noch ausführlich zitiert werden: „Meine Herren“, begann er seinen Toast, „bei unserer Bannerweihe kamen einige Radfahrer bei uns in Mediasch an und sagten, sie kämen aus Kronstadt. Wir entschuldigten ihnen dieses natürlich (sic!), und doch ging einer her und sagte: ‚Wir sind so frei, euch Mediaschern, die ihr das erste Radbanner geschaffen habt, dasselbe gefälligst zu vernageln.’ Dabei schlug er einen gelben Nagel, worauf der Graveur wohl etwas hatte gravieren wollen, dabei aber mit dem Stecher immer etwas nach abwärts ausgerutscht zu sein schien, in unsere Bambusbannerstange hinein. Eine spätere Generalversammlung /des Mediascher Radfahrer-Clubs/ löste den Sinn dieser Hieroglyphen und es wurde beschlossen, die Kronstädter solle man ‚Wurzeln' nennen, wenn sie schon dieses Abzeichen am alten Rathaus haben.“ Haltrich hält es in einer Fußnote für notwendig, seinen Landsleuten das Kronstädter Stadtwappen kurz zu erklären, das offensichtlich den geschenkten Bannernagel zierte. Dann fährt er in seinem Toast fort: „Zum Beweis dessen, dass wir Mediascher bis auf den heutigen Tag noch ‚vernagelt’ geblieben sind, hefte ich euch, liebe Sportsbrüder, als Zeichen der Blutsverwandtschaft dieses rot-blaue Band mit der in Gold gestickten Traube an euer schmuckes Banner. Die Traube, unser Stadtwappen, haben wir in Gold gestickt, weil von unserer jetzigen Generation niemand mehr weiß, wie eine Traube in Wirklichkeit aussieht /weil die Weinberge in Siebenbürgen nach der Zerstörung durch die Reblaus noch nicht wieder hergestellt waren. Anm. d. Autors/; tragt sie in Ehren und gebt acht, dass es das ‚Gold’ nicht beregnet, sonst wird es schwarz.“ Dieser Toast vermittelt auch nach über hundert Jahren noch etwas von der augenzwinkernden Spannung zwischen den Kronstädtern und dem Rest der Siebenbürger Sachsen, zwischen den Bewohnern des Burzenlands und des übrigen Königsbodens, von der sich bis heute etwas erhalten hat und die sich nicht zuletzt in den gegenseitig freundlich verliehenen Spitznamen „Burdutzen“ und „Hosmoken“ widerspiegelt. - Am Ende seiner Ansprache ruft Haltrich noch aus: „Zu so einem schmucken Banner braucht man aber auch eine Bannerpatin“ und erhebt sein Glas (mit Bier – siehe seine Auslassungen zum Antialkoholismus!) auf diese neu zu wählende Bannerpatin. Ob dies als Hinweis darauf zu deuten ist, dass der Kronstädter Radfahrer-Verein im Jahre 1901 sein Banner erhalten hat?
Die Reportage von der „Pfingstradlerei“ vermag uns vielleicht zu vermitteln, wie groß die Begeisterung für den damals noch jungen Sport gewesen ist. Vermutlich fegte der erste Weltkrieg die Radfahrervereine weg, von denen nach Kriegsende nichts mehr zu lesen ist. Aber auch aus der Zeit vorher, aus der Frühgeschichte des Fahrradsports in Siebenbürgen, ist nicht viel überliefert worden. An die geneigten Leser ergeht daher auch an dieser Stelle die Bitte, dem Autor ihr Wissen, aber auch Bild- und Textbelege zum Thema zur Verfügung zu stellen, sofern diese existieren. Die Redaktion stellt gerne den Kontakt zum Autor her.
(Schluss)
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