Riviera Maya: Eine Winterreise in Corona-Zeiten (I)
28.01.21
Teil eins: Cancún, die junge Stadt
„Stell dir das größte Sommerurlaubs-Klischee vor“, sagte ein Freund, als ich ihn im Sommer 2020 fragte, wie es in Cancún an der mexikanischen Karibikküste sei. Ich stellte mir eine Landschaft wie in einem Microsoft-Bildschirmschoner vor, mit Palmen, goldenem Sand, türkisfarbenem Meer und blitzblauem Himmel. Ein paar Monate später schaue ich mir ein paar Urlaubsfotos aus Cancún an und es sieht manchmal so aus, als ob ich mich vor einer Tapete mit Palmen und Strand fotografiert habe. Es ist Ende Januar, in Kronstadt liegt eine dicke Schneeschicht, draußen sind minus acht Grad und im Fernseher laufen ununterbrochen Nachrichten über Covid19. „Traumstrände“ ist das Wort, das am besten zu der Riviera Maya passt. Wie ein Traum scheint auch der Mexiko-Urlaub.
Am 31. Dezember um 16 Uhr landet die Maschine der Air France, Flugnummer 650, 40 Minuten früher als geplant am Flughafen von Cancún. Eine Stunde davor, irgendwo über den Wolken, schenkten die Stewardessen noch Getränke aus- die meisten Fluggäste haben Champagner bestellt. „Bonne fin d'année”, hatte der Pilot durch den Lautsprecher verkündet. Tropische Luft umgibt uns, als wir aus dem Flughafengebäude treten. In Rumänien feiert man schon Silvester, es ist dort Mitternacht. Einen Urlaub in Mexiko zu buchen war fast risikofrei. Für die Einreise gelten seit Juni 2020 keine speziellen Vorschriften mehr und Touristen brauchen keinen PCR-Test. Ebenfalls befindet sich das Land in Zentralamerika nicht auf der gelben Liste Rumäniens, also muss man bei der Heimkehr nicht in Quarantäne. Ein Visum braucht man auch nicht, in Europa ist es kalt, es herrschen Ausgangssperren oder sogar Lockdown- kein Wunder, dass der Flieger voll war- seit Beginn der Covid-Pandemie kamen, laut dem Flugportal Flightpig, über 6 Millionen Touristen nach Cancún, um sich zu entspannen und den Alltagsstress in einem schwierigen Jahr zu vergessen.
Kann Massentourismus in Corona-Zeiten funktionieren? Anscheinend ja. Ein wenig Angst gibt es doch- vor Touristen mit Covid, die eingereist sind und jetzt andere anstecken. Davor, dass man viel weniger testet und die reale Zahl der Infektionen eigentlich viel höher ist. Doch es ist Sommer mitten im Winter, und man vergisst diese Sorgen leicht.
Ohne Kultur und Geschichte, und trotzdem ein Magnet
Vor dem Flughafen dauert es eine Weile, bis wir die Agentur ausfindig machen, bei der wir den Flughafentransfer zum Hotel gebucht haben. „20 more minutes, then driver comes“, meint ein Angestellter. Dann noch einmal: „15 minutes, please“. In einer Mail wurden wir von „falschen“ Vertretern von Reisebüros gewarnt, die schon in der Ankunftshalle warten, den Touristen sagen, dass ihr Fahrer leider nicht mehr kommen kann und sie dann für den dreifachen Preis bis zum Hotel fährt.
„80% der Leute, die in Cancún leben, stammen aus einem anderen Ort“, meint der Fahrer als wir endlich auf dem Weg sind. Er selbst hat in Mexico City gelebt und ist weggezogen, weil die Millionenmetropole ihm zu laut, stressig und überfüllt war. Cancún selbst wurde erst in den 70er Jahren gebaut, hat keine Kultur und Geschichte und entstand, weil Mexiko mit einem neuen Urlaubsresort einen neuen Wirtschaftszweig erschließen wollte. Die Stadt besteht aus zwei Teilen: dem Centro und der Zona Hotelera, der Hotelzone. Hier reiht sich eine Hotelkette an die nächste, in der zweiten Reihe liegen riesige Shoppingmalls und Restaurants. Im weniger spektakulären Zentrum liegen günstigere, aber trotzdem ganz nette Hotels, manche sehr gute Restaurants, der Parque de Palapas, das soziale Zentrum wo sich am Abend ganze Familien treffen um zu essen, zu spielen oder Musik zu hören und der kunterbunte Mercado 28, wo an riesigen Plastiktischen ganze Familien Karten spielen und Tacos essen und die Händler einem hinterherschreien: „Amiga, amiga! Good price, good price!“
Türkisfarbenes Meer und Weihnachtsmänner aus Plastik
Wer kein Vermögen ausgeben will und nicht traurig ist, wenn er aufwacht und nicht gleich danach das Meer sieht, sollte im Centro wohnen. Von hier fahren Busse mit nur 20 mexikanischen Pesos (umgerechnet genau 4 Lei) zur Zona Hotelera an den Strand. Ein Taxi, das man von der Straße anwinkt, sollte nicht mehr als 100 Pesos (20 Lei) kosten. Die Zona Hotelera ist ein dünner Landstrich, der die Stadt vom karibischen Meer trennt. Hier treffen wir ein Paradox an- am Strand sind viele Leute, und trotzdem hat man enorm viel Platz für sich. Auf den Fotos sieht es aus, als wäre man allein am Strand oder im Wasser. Keine aneinandergereihten Liegestühle, kein Gedränge, die soziale Distanz kann überall eingehalten werden.
Elise Wilk
Fortsetzung folgt
Möwen am Strand von Cancun am 1. Januar 2021. Foto: die Verfasserin.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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