Sicherungsarbeiten an dem Chor der Schwarzen Kirche in den Jahren 1924 – 1925 (II)
28.12.17
Sicherungsarbeiten an dem Chor der Schwarzen Kirche in den Jahren 1924 – 1925 (II)/von Erwin Hellmann
Wirft man die Frage auf, wann und wodurch diese Neigungen der Chormauern entstanden sind, so kann darauf geantwortet werden, dass schon vor dem Brand im ursprünglichen Bau der Dach- und Gewölbeschub die Mauern nach außen gedrückt hat. Beim großen Brand dürfte dann der einstürzende Dachstuhl und die die einstürzendenden Gewölbe die oberen Mauerteile noch weiter hinaus geschoben haben. Tatsache ist, dass die nach dem Brand neu aufgebauten Chorgewölbe auf bereits hinausgeschobenen Umfassungsmauern errichtet wurden, denn währen die Mauern nach nach dem Aufbau der Gewölbe um das heutige Maß aus dem Lot gewichen, so wären diese neuem Gewölbe sicher eingestürzt. Beweis für die schon frühzeitige Außenneigung der Chormauern ist auch der Umstand, dass die addierten Gewölberisse in der Richtung von Westen nach Osten eine Bewegung des Chores von 12 Zentimeter ergeben, während die durchschnittliche Neigung nach außen jetzt 35 Zentimeter beträgt, so dass eine Neigung von etwa 23 Zentimeter schon früher vorhanden gewesen sein muss.
Als nach dem großen Brande die neuen Mittelpfeiler und Gewölbe errichtet werden sollten, war den damaligen Fachleuten klar geworden, dass der schlanke Chorbau nur durch Einfügung eines Schließensystems gesichert werden könne. Sie bauten daher Schließen ein und zwar unmittelbar unter den Kapitellen der Mittelpfeiler. Leider konnten diese Schließen ihren Zweck nur zum geringen Teil erfüllen. Der Seitenschub der Gewölbe greift um ungefähr 3 Meter über den Schließen an, so dass die über den Schließen liegende Mauerteile der zerstörenden Schubwirkung zum größten Teil preisgegeben blieben. Trotzdem hatten diese Schließen wenigstens in Richtung Süd – Nord durch Verbindung der paarweise gegenüber stehenden Strebepfeiler noch einen gewissen Wert. Ganz unzulänglich war aber die Schließenverbindung in der ungleich wichtigern Richtung nach Ost – West. Hier griffen die Schließen durch die schlanken Chorpfeiler, die zur Verankerung größerer Gewölbeschübe wenig Eignung haben. Außerdem ist dort, wo die Schließen durch die Außenmauern gehen, die Verbindung mit dieser mangelhaft, denn es sind nicht die wichtigeren Strebepfeiler, sondern nur die Füllmauern verankert. Auch dies Schließen sind nach Ausführung des neuen Schließensystems entfernt worden. Ihre Beibehaltung hätte keinen nennenswerten praktischen Wert gehabt und im Zusammenwirken mit den neuen Schließen ein wirres Durcheinander von Linien ergeben, das unerträglich hässlich gewesen wäre.
Aus den vorausgeschickten Feststellungen ergaben sich für die Anlage des neuen Schließensystems folgende Bedingungen: Erstens mussten die neuen Schließen in diejenige Höhenlage gelegt werden, wo der Gewölbeschub tatsächlich auf die Umfassungsmauern wirkt. Die graphostatische Untersuchng der Gewölbe zeigte, dass dieser Punkt 3 Meter höher als die alten Schließen liegt. Zweitens mussten die radial auseinander laufenden Strebepfeiler auch in radialer Richtung festgehalten werden. Diese vereinigten Kräfte mussten an einen absolut festen und unverrückbaren Punkt angebunden werden. Sie können sich leicht vorstellen, dass eine Mauer durch quer zu ihrer Längsrichtung wirkende Kräfte verhältnismäßig leicht umgeworfen werden könnte, dass aber dagegen zum Umsturz derselben Mauer nach der Längsrichtung sehr große Kräfte nötig wären. Auf Grund dieser Überlegung wurden als solche feste Punkte die Mauerwinkel im Zusammenstoß von Chor und Schiff gewählt und hier das ganze Kraftsystem verankert und zwar durch 2,60 m lange Lochbohrungen hindurch. Diese Anordnung hat überdies den Vorzug, dass sie auch den großen Trennungsbogen von Chor und Schiff, den sogenannten Triumphbogen, gegen seitliche Ausweichen fest hält.
Ich möchte hier Ihre Aufmerksamkeit noch auf einen sehr wichtigen und besonders interessanten Punkt des ganzen Ankersystems hinlenken. Die radial zusammen laufenden Stäbe sind nicht in einem festen Punkt vereinigt, sondern werden hier durch ein gelenkiges Kettenpolygon zusammengefasst. Diese Kettenpolygon hat die ausgezeichnete Wirkung, dass wenn auch nur ein einziger Strebepfeiler in Bewegung kommen sollte, alle andern Strebepfeiler sofort gleichmäßig zur Gegenwirkung gelangen. Diese kameradschaftliche Hilfe aller Teile für einen Teil ist wichtig, denn wenn die radialen Stäbe in einem einzigen Punkt zusammen laufen würden, könnten nur einzelne Strebepfeiler zur Gegenwirkung gelangen und durch Überanstrengung an ihrem Gefüge Schaden nehmen, während die Kraft anderer Pfeiler zur Hilfeleistung ungenützt bliebe. Wichtig war auch noch, die Strebepfeiler möglichst voll zu packen. Es wurden deshalb links und rechts jedes Strebepfeilers die 1,2 m dicken Mauern durchbohrt und um die Pfeiler Eisenschlingen und an die äußeren Steinkanten aufrecht stehende starke Winkeleisen gelegt, wodurch ein möglichst großer Mauerkörper in den Bereich der unmittelbaren Verankerung einbezogen ist.
Bei der Untersuchung des Gewölbes konnte ich feststellen, dass die Hauptbogen aus Tuffstein, während die dazwischen liegenden Gewölbeteile, die sogenannten Kappen, aus Ziegeln vom Format 4,5 auf 15 auf 25 Zentimeter hergestellt wurden.
Die Arbeiten wurde am 24. November 1924 begonnen und am 16. Mai 1925 beendet. Die Gerüstung und die Maurerarbeiten sind von Baumeister Ludwig Schmidts sehr lobenswert geleistet worden. Das ganze Ankersystem hat die Firma Brüder Schiel A.G. in kurzer Zeit in erstklassiger Weise durchgeführt. Schlosserhilfsarbeiten wurden von den Schlossermeistern Friedrich Schwecht und Horwath und Conradi hergestellt. Die gesamten bisher entstandenen Kosten betragen 830.000 Lei, so dass von der bewilligten Million noch 170.000 Lei zur Verfügung stehen.
Mit der Durchführung dieser Arbeiten ist der für den Bestand des Chores in erster Linie entscheidende Teil der Sicherungsarbeiten beendet. Augenblicklich beschäftigt ich mich noch eine zweite, nicht unwichtige Frage, die aufsteigende Grundfeuchtigkeit, die wie ein unerbittlicher Wurm am Gebäudefuß frisst unschädlich zu machen. Ich hoffe aber, dass auch diese Frage eine befriedigende Lösung finden wird.
Als wundervolles Zeichen innerer und äußerer Kraft unserer Väter ragt dieses imposante Bauwerk in unsere Zeit. Dass wir auch dieses Erbe uns und den nachfolgenden Generationen zu erhalten, den willen und die Kraft immer wieder finden, mag uns alle mit frohem Zukunftsglauben erfüllen. Ich bitte meinen Bericht zu Kenntnis zu nehmen.“
Diesem Bericht ist eigentlich nichts zuzufügen. Es ist ein gutes Zeichen, dass der Wunsch den Arch. Albert Schuller am Ende seines Berichtes ausspricht, auch heute noch verwirklicht wird.
(Schluss)
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