Siebenbürgen hat viel anzubieten
19.11.15
Eindrücke am Rande einer zehntägigen Reise /von Michael Schuller
Erfreulicherweise liest man immer öfter von Touristenreisen durch Rumänien, besonders durch Siebenbürgen, wo sich viele junge Leute sozusagen auf die Spurensuche ihrer Vorfahren begeben, und dabei vor allem die berühmten Kirchenburgen Siebenbürgens kennenlernen. So hat der bekannte Reiseleiter Oswald Zerwes, dessen Wurzeln sich ebenfalls in Siebenbürgen befinden, auf seiner neunten Reise durch Rumänien im August eine Touristengruppe durchs traditionelle Siebenbürgen, durch die bewundernswerten Karpaten und durchs Banat geführt. Die zehntägige Reise führte von Oberbayern durch Österreich und Ungarn nach Rumänien zum Grenzübergang Großwardein/Oradea. Dann gings vorbei an Ciucea mit dem Gedenkhaus des großen rumänischen Dichters Octavian Goga über die Wasserscheide in den Westkarpaten nach Klausenburg/Cluj, sozusagen die Hauptstadt Transsilvaniens, im bekannten Roman von Bram Stoker der Ausgangspunkt seines Helden durch eine mystisch-beeindruckende Welt innerhalb der Karpaten. Klausenburg, früher Hauptsitz der ungarischen Adligen Siebenbürgens, hat unzählige Sehenswürdigkeiten, darunter die Uni mit dem symbolischen Doppelnamen „Babes-Bolyai“(ein rumänischer und ein ungarischer Wissenschaftler), der auf die Multikulturalität Siebenbürgens und die selbstlose Freundschaft unter Intelligenten hinweist. Nach der Übernachtung in der schönen Stadt Bistritz mit dem berühmten Kirchturm - der einzige Kirchturm mit Aufzug in Rumänien - fuhr die Reisegruppe nach Sächsisch Reen, mit der beeindruckenden evangelischen Kirche. Sogar eine Busstation heißt da „Biserica saseasca“ wohl in Anlehnung an den deutschen Namen der Stadt „Sächsisch Reen“, denn auch dort, in Nordsiebenbürgen, hat man die frühere Kultur der Siebenbürger Sachsen in guter Erinnerung. Im Miereschtal aufwärts und danach am Alt entlang über Topli]a, Miercurea Ciuc und Tusnad nach Kronstadt/Brasov konnten die Reisenden wunderschöne, oft fast unberührte Landschaften in den Ostkarpaten bewundern, aber auch besondere Sehenswürdigkeiten, wie das einstige Schloss des ungarischen Grafen Kemeny in Brâncovenesti, heute eine psychiatrische Anstalt, das neugegründete, beeindruckende orthodoxe Kloster „Izvorul Muresului“ oder das Grafenschloß in Lazarea. Im Burzenland konnte die Reisegruppe die ersten mächtigen evangelischen Kirchenburgen bestaunen. Tartlau/Prejmer, Honigberg/Harman und Zeiden/Codlea sind nur einige zum Besichtigen besonders empfehlenswerte. Und natürlich Kronstadt, die Hauptstadt des Burzenlandes, wo die Reisegruppe vier Tage verbrachte - eine mittelalterliche Schönheit mit bewundernswerten Naturlandschaften wie die Zinne und die Schulerau. Von Kronstadt machte die Reisegruppe einen Abstecher zum rumänischen Königsschloß Peles in der Nähe, ebenfalls ein unbedingter „Muss“ für Touristen in der Region, und natürlich nach Törzburg/Bran in den Karpaten, zum sogenannten „Draculaschloss“.
Die Meeburger Kirche war wieder voll
Von Kronstadt fuhr der Reisebus ins Repser Ländchen, genauer gesagt ins Homorodtal nach Meeburg/Beia am Rande des Haferlandes, das heute den Touristen durch die Haferland-Woche und die Michael-Schmidt-Stiftung bekannt geworden ist. Die Einweihung des Altarbilds in der Meeburger Kirchenburg war für viele der Höhepunkt dieser Reise durch Siebenbürgen. Der weithin sichtbare, hohe, weiße Glockenturm der Kirchenburg, der sogar in Westrumänien bekannt ist, weil er sich an einem symbolischen Ort am Rande des Szeklerlandes befindet - in der Nähe des Tunnels unter dem Berg, wo drei Landkreise mit den einstigen drei Hauptnationen Siebenbürgens (Rumänen, Ungarn und Deutsche) zusammentreffen (siehe Artikel „Meeburg – das Dorf mit dem spitzen, weißen Kirchturm“ in der KR vom 30.09.2010). Für die Vorbereitung des Festes waren manche Meeburger aus der Bundesrepublik Deutschland schon Tage vorher angereist. Von allen freute sich der langjährige Meeburger Kirchenvater Johann Wagner und seine Gattin sehr, dass nun, nach etwa einem Vierteljahrhundert, wieder ein ansehnlicher Gottesdienst in der Kirchenburg stattfinden konnte, ähnlich wie früher, vor der großen Auswanderungswelle. Dafür waren die Pfarrer Bruno Fröhlich, Dechant des Schäßburger Kirchenbezirks, und Dr. Rolf Binder, beide mit Meeburger „Wurzeln“ angereist. Erfreulich war auch, dass rumänische und ungarische Freunde aus Kronstadt und Bukarest zu der Veranstaltung nach Meeburg gekommen waren, und so ihre Solidarität mit den evangelischen Nachbarn zeigten. Als Vertreter der politischen Gemeinde war der Sekretär der Vorortgemeinde Katzendorf/Cata mit Gattin, früher Lehrerin in Meeburg, anwesend. Nach so vielen Jahren ertönten in Meeburg nun wieder alle drei Glocken vor dem Gottesdienst, dann erklang die Orgelmusik (elektronisch, weil die alte Orgel leider nicht mehr funktioniert, wie auch die Turmuhr). Am Eingang unter dem Turm betrachteten die Teilnehmer ehrfurchtsvoll Fotos die an die im Weltkrieg und der Rußlanddeportierten Verstorbenen erinnerten. Wilhelm Roth, der inzwischen das Amt von Kirchenvater Wagner übernommen hat, und sein Amtskollege aus der Nachbargemeinde Radeln/Roades, Gerhard Hietsch, hatten den guten Ablauf vor Ort organisiert.
Der Meeburger Altar von 1513 stammt aus der Werkstatt des Schäßburger Meisters Johann Stoß, Sohn des Nürnberger Bildhauers Veit Stoß. Wie vielen bekannt, zeigt die Festtagsseite vier Bilder aus dem Leben der heiligen Ursula, die sich um die Zentralgestalt Jesus reihen. Jesus ist hier, in der Meeburger Kirche, nicht in der allgemein bekannten Stellung als Gekreuzigter dargestellt, sondern in der sehr seltenen symbolischen Erscheinung als lebender Herrscher mit der Weltkugel in der Hand, also als Sinnbild des Lebens und der Nächstenliebe. Der Sage nach soll diese Jesus-Statue aus dem Nonnenkloster von dem Berg Koppe (ungarisch Léanyhalom) im Süden Meeburgs abstammen, und von da entstammt auch der deutsche Name Meeburg (Meet = mittelhochdeutsch Jungfrau) , sowie anscheinend auch der rumänische Ortsname Beia (nach dem Mädchennamen Bea). Heute sind noch die rumänischen Flurnamen Dealul Chiliei (Kapellenberg) und Pârâul Chiliei (Kapellengraben) in der Region bekannt. (Zu Details siehe „Karpatenrundschau“ vom 26.04.2015.) Nach der Wende wurde der Meeburger Flügelaltar vor Kunsträubern gesichert, und Ende der letzten 1990er Jahre konnte er in der Schäßburger Bergkirche aufgebaut werden. Heute wird er da erfreulicherweise von unzähligen Touristen jährlich bewundert.
Um vor allem die Solidarität der verstreuten Meeburger mit den heutigen wenigen Sachsen in Meeburg zu verdeutlichen, organisierte Oswald Zerwes die Anfertigung des originalgetreuen Altarbilds. Hergestellt wurde es durch den bewundernswerten Einsatz des Historikers und siebenbürgischen Kulturexperten Martin Rill. Ihm ist auch das Erscheinen des Bildbands „Das Repser und das Fogarascher Land“ mit beeindruckenden Aufnahmen von Meeburg zu verdanken, das Interessenten möglicherweise noch beim Buchversand Südost, Telefon: (07132) 951162, E-Mail: info@siebenbuergen-buch.de bestellen können.
Nach dem beeindruckenden Gottesdienst fand ein gemütliches Beisammensein bei Familie Zerwes in der Baiergasse in Meeburg statt, was die Brüder Gerhard und Reinhard Zerwes mit ihren Mithelfern hervorragend organisiert hatten. Am Abend ging es zurück nach Kronstadt, und von da weiter nach Plan. Leider konnte die Reisegruppe somit nicht an der Abschlussfeier der Haferland-Woche im nahen Deutschkreuz teilnehmen – den Veranstaltern nochmals ein herzliches Dankeschön für die Einladung.
Schäßburg - die „Perle“; Hermannstadt – die Sachsenhauptstadt
Von Kronstadt ging die Reise weiter durch Siebenbürgen durch einen einmaligen Landstrich: durch den Geisterwald, vorbei an der Repser Burg, an Deutsch-Weißkirch mit der bewundernswerten Kirchenburg auf der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste, und den anderen sehenswerten Kirchenburgen des Haferlandes, darunter jene im ungarischen Dersch/Dârjiu, eine Nachbargemeinde Meeburgs, ebenfalls mit einer UNESCO-Weltkulturerbe-Kirchenburg. Das nächste Ziel war das nahe Schäßburg/Sighisoara, die sogenannten „Perle Siebenbürgens“, wo sogar die ganze Altstadt auf die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste aufgenommen wurde, ein Stadtviertel auf einem Berg als „einzige bewohnte mittelalterliche Burg Europas“. Weiter über Birthälm/Biertan – jahrhundertelang Bischofssitz - mit der berühmten Kirchenburg, und Mediasch, mit dem einzigartigen Kirchenkastell ging es dann ins einmalige Hermannstadt/Sibiu, die sogenannte Hauptstadt der Siebenbürger Sachsen und Kulturhauptstadt Europas 2007. Hier erfolgte ebenfalls ein längerer Aufenthalt, da man an einem Tag das Harbachtal um Agnetheln/Agnita und Meschen/Mosna mit der schönen Kirchenburg - und mit dem Spatz und der Weintraube im Wappen unbedingt besichtigen musste (die Weintraube ist ein symbolischer Hinweis auf das Weinland um Mediasch, berühmt sind die großen Weinbaugebiete an der unteren Kleinen Kokel, Bogeschdorf – Seiden – Schönau bis Blasendorf/Blaj). Leider kann man an der Großen Kokel keine Weinberge mehr bestaunen wie früher, was manchen traurig stimmt. Dafür aber die schmucken, einst vorwiegend sächsischen Ortschaften im Kaltbachtal/Valea Visei. Von Agnetheln an den beeindruckenden Kirchenburgen von Seligstadt und Kleinschenk – früher auch bekannt für siebenbürgisch-sächsisches Brauchtum – sowie an vielen anderen vorbei, nach Fogarasch können die Touristen einen weiteren sehenswerten Landstrich Südsiebenbürgens bewundern. Von Hermannstadt machte die Reisegruppe auch einen Abstecher in die nahen Südkarpaten, durch die schmucken Hirtendörfer Rasinari, Jina u.a. bis auf den Kamm der Südkarpaten und weiter zum berühmten orthodoxen Kloster Cozia am Alt, das von Fürsten Mircea cel Batrân gestiftet wurde. Es ist eine ähnlich wunderschöne Landschaft wie in den West- und Ostkarpaten, aber beeindruckender, weil hier alles mächtiger und steiler ist. Vom Kloster Cozia ging es, am Alt aufwärts, vorbei an den Ruinen des Roten Turms, sozusagen eines der fünf Tore zu Siebenbürgen durch den Karpatenbogen, zurück nach Hermannstadt. Über Mühlbach/Sebes, der Hauptstadt des Unterwaldes mit seinem beeindruckenden Flügelaltar vom Nürnberger Bildhauer Veit Stoss, ein Mitarbeiter und Freund Dürers, sowie durch Eisenmarkt/Hunedoara mit dem berühmten Hunyadi-Schloss des früheren Fürsten Siebenbürgens Iancu de Hunedoara fuhr der Reisebus schließlich ins Banat nach Temeschburg/Timisoara.
Vorigen Monat organisierte Oswald Zerwes ein interessantes Meeburger Klassentreffen mehrerer Jahrgänge in Oberbayern (siehe Sb. Zeitung), wo er gemeinsam mit Reinhard Zerwes interessante Fotos und einen Videofilm zur Einweihung des Meeburger Altarbilds zeigte.
Es wäre sehr erfreulich wenn sich die evangelische Landeskirche A.B. in Rumänien, sozusagen als Träger, eventuell über eine Stiftung auch um die Renovierung des Meeburger bekannten hohen Glockenturms der Kirchenburg einsetzen würde, weil er eine bewundernswerte, „sehr sichtbare“ Sehenswürdigkeit in einer „UNESCO-Weltkulturerbe-Region“ Siebenbürgens am Rande des Haferlandes ist. Infos zu Spendemöglichkeiten unter www.meeburg.de > Nachbarzeichen.
Dechant Bruno Fröhlich (Mitte), Pfr. Dr. Rolf Binder und Oswald Zerwes vor dem Altarbild in der Kirchenburg Meeburg. Foto: Michael Schuller
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