Stets durch einen ausgeprägten Gemeinsinn gekennzeichnet
23.09.21
Vor 90 Jahren war Heldsdorf Gastgeber des 11. Deutschen landwirtschaftlichen Hochschulkurses
Heldsdorf wurde 1377 erstmalig dokumentarisch als freie Gemeinde des Burzenlandes erwähnt. Im Laufe der Jahrhunderte wurde diese mehrmals von Türkeneinfällen verwüstet. Der erste 1421, wobei weitere Einfälle 1432 und 1438 verzeichnet wurden. Auch von Naturkatastrophen blieb die Ortschaft nicht verschont, wie man aus der aktualisierten Chronik deren Herausgeber Karl-Heinz Brenndörfer, Dr. Hanz Moser und Ernst Rothbächer zeichnen, und die wir ausführlich auch in unserer Wochenschrift – siehe KR Nr. 11, vom 18. März 2021 – vorstellten, entnehmen kann. Die Ortsbewohner haben aber durch ihren ausgeprägten Gemeinsinn es immer wieder verstanden alle Katastrophen und Hindernisse zu überwinden, ihre Wirtschaften wenn es erforderlich war neu aufzubauen, der Ortschaft neuen Aufschwung zu verleihen. Ganz besonderes hat sich da die Landwirtschaft durch den Zuckerrüben– und Kartoffelanbau gekennzeichnet. Dazu hat auch der Bau der Zuckerfabrik in Brenndorf 1889 beigetragen, wo die Erträge der Heldsdorfer Landwirte Abnahme fanden und verarbeitet wurden. Einen wesentlichen Einfluss hatte die Gründung des Siebenbürgischen Landwirtschaftsvereins 1845 durch Stephan Ludwig Roth, was einen Zusammenschluss der Landwirte bedeutete. 1869 wurde dann der Bezirksverein und 1887 der Ortsverein gegründet dem sich 87 Mitglieder anschlossen. 1936 zählte dieser dann schon 283 Mitglieder. 1901 war die Molkereigenossenschaft , dann der Kleintierzuchtverein 1923 gegründet worden. Diese Vereine führten zur ausgeprägten Entwicklung der Landwirtschaft und der Tierzucht in der Ortschaft bei. Es wurden landwirtschaftliche Maschinen erworben die zur Steigerung der Produktionen führten, eine große Hilfe für die Landwirte bedeuteten. Hinzu kam die Gründung 1938 der Bauernhilfe Ortsgenossenschaft. Diese Entwicklungen führten dazu, dass da im Januar 1931 ein einwöchiger landwirtschaftlicher Hochschulkurs in Heldsdorf organisiert wurde. Daran beteiligten sich Landwirte aus der Ortschaft und den umliegenden Gemeinden wobei berühmte Dozenten der Universitäten aus Leipzig,Halle, Hohenheim und Breslau Referate über zeitgenössische Fütterungsfragen bezüglich der Ernährung von Rindern und Schweinen, über die Bodenbearbeitung mit besonderem Bezug auf die Kultur der Zuckerrüben und Kartoffeln, die Verwendung von Kunstdünger, präsentierten. Weitere praktische Hinweise wurden auch über bäuerliche Betriebsorganisation, Arbeitskräfte u.a.geboten was einen besonderen nützlichen Meinungsaustausch bedeutete. Diese Hinweise auf diese landwirtschaftliche Hochschulwoche sind in der aktualisierten Chronik der Ortschaft vermerkt.
Kürzlich stellte uns Ernst Peter aus Heldsdorf, ein treuer Leser unsere Publikation eine aus dem Anlass gedruckte Dokumentation für die zwischen dem 3. - 10. Januar 1931 organisierten Landwirtschaftlichen Hochschulwoche, mit einem reichen Bildmaterial zur Verfügung die in gleichem Jahr bei Krafft & Drotleff A.G. in Hermannstadt gedruckt worden war. Kurze Auszüge und Bildmaterial aus der Broschüre möchten wird unseren Lesern nicht vorenthalten.
Das Geleitwort zu zu der Landwirtschaftlichen Hochschulwoche wurde von dem Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde A.B. Heldsdorf und dem Landwirtschaftlichen Ortsverein gezeichnet. Darin wird auf die diesbezügliche Tradition in der Gemeinde hingewiesen, eine Vorstellung der Ortschaft und der Kirche hingewiesen. Der reiche Bildanhang wurde unter zwei Gesichtspunkten strukturiert u.zw. Werke des Gemeinsinnes, und Sächsische Landwirtschaft. Zwei Zitate aus dem Geleitwort sind ansprechend: „Ohne Selbstübertreibung dürfen wir dankbar bekennen, dass in Heldsdorf von jeher ein ausgeprägter Gemeinsinn lebendig war. Die festgebaute alte Kirchenburg, der außergewöhnlich schöne Flügelaltar, der rasche Wiederaufbau der 1802 durch ein Erdbeben zerstörten Kirche, bei dem unter Anspannung aller Kräfte ein schöneres Gotteshaus geschaffen wurde, als die damalige Oberbehörde ursprünglich zulassen wollte, sind Zeugen des Gemeinsinnes unserer Väter... Genossenschaftsgedanken haben hier in mancher Form Gestalt angenommen. Die Hebung der Viehzucht, die Einfuhr von edlen Rassetieren verdankt dem Landwirtschaftlichen Ortsverein – dem stärksten des Vereinsgebietes – Anregung und Förderung. Die Erzeugung von reinem Saatgut und hochwertiger Ausfuhrware ist durch die Reinigungsanlage des Vereins ermöglicht worden. Die vermehrte Aufmerksamkeit für eine ergiebige Milchwirtschaft ist durch denselben Verein und durch die Molkereigenossenschaft der Burzenlandes so gefördert worden, dass die Menge der erzeugten Milch in wenigen Jahren auf das Fünffache stieg und schon viele Bauernhäuser der Milchsammelstelle ihre sichersten Einnahmen verdanken. Schon nimmt die Bedeutung des Verkaufs wertvoller Eigenzucht täglich zu und kann unsere Bauernarbeit für den Ausfall im Ertrag der Körnerfrucht entschädigen.“
Der verzeichnete Fortschritt in der Landwirtschaft in den entwickelten Ländern Europas, die Übernahme der Erfahrung , hat dazu geführt dass Heldsdorf zu einem Vorzeigeort wurde, dessen Landwirte offene Augen und Ohren für den Fortschritt hatten. Die Veranstaltung des Hochschulkurses in Heldsdorf, war somit eine Anerkennung der da verzeichneten wirtschaftlichen Entwicklung, des Fleißes der da lebenden sächsischen Ortsbewohner. Einige Bilder aus dem Inhalt der Broschüre zeugen auch bildlich den durch Arbeit verzeichneten Wohlstand, der in den Zwischenkriegsjahren da bestand.
Dieter Drotleff
Foto 1:
Die alte Heldsdorfer Kirchenburg nach einem Stich aus dem Jahre 1727.
Foto 2:
Großer sächsischer Bauernhof in der Gemeinde.
Foto 3:
Die 1903 gebaute Milchsammelstelle wo Anfang der 30er Jahre bis zu 700.000 Liter Milch pro Jahr geliefert wurden.
Foto 4:
Das 1910 gebaute Elektrizitätswerk.
Foto 5:
Die Einladung zur Landwirtschaftlichen Hochschulwoche die vom 3. - 10. Januar 1931 in Heldsdorf abgehalten wurde.
Fotos: Archiv
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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