Unter freiem Himmel
13.08.20
Ein Rückblick auf die 19. Auflage des Internationalen Filmfestivals in Klausenburg (TIFF)
Eine kühle Nacht im August. Der Himmel über dem Sportplatz des Báthory-Lyzeums in Klausenburg ist mit Sternen übersät. Ein Flugzeug fliegt vorbei, es befindet sich auf dem Sinkflug. An das Dröhnen der Turbinen während der Filmvorstellungen haben sich die Zuschauer schon gewöhnt. Auch an die Möwen, die über ihren Köpfen kreisen, während sich auf der riesigen Leinwand Filme abspielen. Auch an die weißen Plastikstühle, 1.5 Meter voneinander entfernt und relativ unbequem. Auch daran, dass man auch bei Freiluftveranstaltungen eine Schutzmaske tragen muss. Und dass jedem Zuschauer die Temperatur gemessen wird. An die Kälte und daran, dass es nur ab 21.30 Uhr Vorstellungen gibt. Am vorletzten um 8. Abend des Festivals wird auf dem Sportplatz des Báthory-Lyzeums der Wettbewerbsfilm „Babyteeth“ gezeigt, das Regiedebüt der australischen Regisseurin Shannon Murphy. Es geht um jährige krebskranke Milla, die sich in den 23jährigen Gelegenheitsdealer Moses verliebt und ihn zu sich nach Hause nimmt, um ihn ihren Eltern vorzustellen. Anna und Henry- eine ehemalige Konzertpianistin und ein Psychiater in Midlife-Crisis sind alles andere als begeistert vom neuen Freund ihrer Tochter. Doch sie bemerken schnell dass der extrem unperfekte Moses ihrer kranken Tochter gut tut. „Babyteeth“, ein Film über Sehnsucht und Lebensfreude, wurde am übernächsten Tag zum großen Gewinner der TIFF-Trophäe gekürt und war auch der diesjährige Publikumsliebling- was relativ selten geschieht.
Eine Auflage, zu der es viel Mut gebraucht hat
Lange Warteschlangen vor den Kinokassen, übervolle Säle, Parties bis in den Morgengrauen und viele internationale Gäste- das gab es in diesem Sommer beim Internationalen Filmfestival „Transilvania“ nicht. Morgens um 10 Uhr mit einem Kaffeebecher aus Pappe in die erste Vorstellung beim Victoria-Kino gehen- das ging auch nicht. Fünf oder sechs Filme pro Tag sehen- das war auch unmöglich, da die Vorstellungen unter freiem Himmel erst um 21.30 Uhr starteten. Doch die Freude an den Leinwandgeschichten ist gleich groß geblieben. Die 19. Auflage des TIFF war eines der wenigen Festivals aus Rumänien, das trotz der Covid19-Pandemie stattfand und das einige europäische Filmfestival das unter diesen Bedingungen live und nicht online stattfand. Damit dieser Traum zur Wirklichkeit wurde, hat es viel Mut gebraucht.
Die ursprünglich für den Junianfang geplante 19. Auflage wurde verschoben und fand zwischen dem 31. Juli und dem 9. August statt. „Wir haben versprochen, dass wir uns in diesem Sommer wiedersehen und werden unser Versprechen halten. Es wird eine TIFF-Auflage mit Urlaubs-Stimmung sein, mit Outdoor-Veranstaltungen und einer Menge Überraschungen“, haben die Organisatoren auf Facebook angekündigt. Ob die Kinosäle in Rumänien bis August öffnen werden, war zu dem Zeitpunkt noch unklar. Bis zum Schluss war nur eine der vielen Varianten möglich, und zwar wurden alle Filme ausschließlich unter freiem Himmel zu sehen sein, mit Einhaltung der 1.5 Meter-Distanz zwischen den Stühlen. In 14 Outdoor-Veranstaltungsorten, davon zwei außerhalb Klausenburgs, wurden zehn Tage lang 157 Filme aus 49 Ländern gezeigt, wobei die meisten Veranstaltungen ausverkauft waren. TIFF hat auch in dieser schweren Zeit bewiesen, dass die Menschen Geschichten brauchen. Das TIFF in diesem Jahr war komplett anders. Auf jeden Fall viel ruhiger als in den Vorjahren. „Für viele Zuschauer war es wie eine Eskapade in die Normalität, eine Form von Normalität die wir seit Langem nicht mehr fühlen konnten“, meinte Festivaldirektor Tudor Giurgiu.
Es gab trotzdem Highlights
Horrorfilme mitten im Wald, ein Faust-Kinokonzert in einem Dorf außerhalb Klausenburgs, der Gewinner der diesjährigen Berlinale, der auf der größten Feilichtleinwand Rumäniens am Unirii-Platz ausgestrahlt wurde, ein ergreifender rumänischer Dokumentarfilm über 5 Frauen, die seit 50 Jahren befreundet sind, viele Filme über die moderne Familie, viele sympathische Antihelden, interessante Diskussionen beim „Casa Tiff“ und wie in jedem Jahr leckerer Spinat mit Spiegeleiern im Restaurant neben dem (jetzt geschlossenen) Victoria-Kino - das waren nur ein paar der vielen Highlights der diesjährigen Auflage. Was alle Teilnehmer zu schätzen wussten war die gute Organisation und die strikte Einhaltung aller Sicherheitsregeln zur Eindämmung der Verbreitung der Covid-Pandemie. Über die Leinwandgeschichten, die in diesem Jahr zu sehen waren, in der nächsten Ausgabe der KR.
Elise Wilk
Fortsetzung folgt
Die soziale Distanz wurde bei den Vorstellungen eingehalten. Foto: Vlad Cupsa
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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