Vom Sammler zum Grafiker (II)
19.02.09
Ludwig Hesshaimer (1872 - 1956) - Kronstädter und Briefmarkenentwerfer
„Hierauf machte ich im Schönbrunner Tiergarten und in den Bildarchiven Studien ganz allgemeiner Art, die vorläufig mit der künftigen Briefmarke gar nichts zu tun hatten. Dann erst, daheim in meiner Werkstatt, zeichnete ich das 'Markenmotiv', eine mir besonders wirkungsvoll erscheinende Flug- oder Raststellung, machte auch, wenn ich das Bedürfnis empfand, Studien in sehr vergrößertem Maßstab und ging dann erst an das Zeichnen der Marke selbst. Diese muß nun im bestimmten Raum- und Flächenverhältnis geschaffen werden mit sorgsam abgewogenen Licht- und Schattenräumen und der dazu passenden Schrift und Wertziffer.
Die fertigen Entwürfe meiner kleinen Liechtensteinmarken wurden dann vorgelegt, gewünschte Änderungen in Text und Form noch vorgenommen, und schließlich wurden die Marken in Guaschmalerei, das heißt in schwarz und weißen Deckfarben, unter Berücksichtigung aller Feinheiten und besonders der Lichtwirkung ausgeführt.
Die fertigen Entwürfe wurden dann bei der schweizerischen Kunstanstalt Courvoisier in Rastertiefdruck, dem großen modernen Konkurrenten des Stiches, durch fotografische Verkleinerung und Übertragung auf einen Kupferzylinder gedruckt. Die Wirkung des fertigen Markenbildes hängt natürlich stark von der gewählten Farbe ab. Da aber die Marken in verschiedenen Farben gedruckt wurden, so ist auch in dieser Richtung ein feinempfundenes Abwägen nötig, bis schließlich die ganze Reihe in harmonischer Geschlossenheit vorliegt." (Ludwig Heßhaimer: Fürstentum Liechtenstein Flugpost 1939. Eine philatelistisch-künstlerische Plauderei zu meiner zweiten „Vogelserie"; in: Der deutsche Sammler, V-1939)
Im Jahr 1950 übersiedelte Hesshaimer zu seiner Tochter nach Brasilien. Hier fertigte er seine letzten Briefmarkenentwürfe, die jedoch nicht zur Ausgabe gelangten. Aus Anlaß der Wiener Internationalen Postwertzeichen-Ausstellung (WIPA) 1981 erschien in Ungarn im selben Jahr ein Briefmarkenblock. Die vier in den Block aufgenommenen Marken zeigen Werbemarken, die Hesshaimer für die WIPA 1933 entworfen hatte. Eine späte Ehrung erlebte Hesshaimer auch durch die Postverwaltung von Antigua & Barbuda: Der Hintergrund einer Briefmarke zu Ehren von Hermann Ernst Sieger beruht auf einer Zeichnung von Ludwig Hesshaimer.
Außer Briefmarken entwarf Ludwig Hesshaimer auch eine Reihe von Erinnerungs- und Festkarten, unter anderem für Philatelistentage und Ausstellungen. Aus seiner Feder stammen Werbemarken für die WIPA von 1923 und 1933, ebenso wie Federzeichnungen von „Philatelistenköpfen", die er während Fachtagungen in München und Neuhaldensleben fertigte und die porträtähnliche Abbilder von prominenten Teilnehmern auf diese originelle Weise festhalten. Eine weitere Besonderheit im Schaffen des Grafikers und Philatelisten Hesshaimer sind seine Philatelistenstiche, die insgesamt 13 verschiedene Grafiken höchst eigenwilliger Art enthalten.
Insbesondere nach dem Ersten Weltkrieg engagierte sich Ludwig Hesshaimer für die organisierte Philatelie. 1921 wurde er erster Präsident des Verbandes Österreichischer Philatelisten. Er übt dieses Amt 20 Jahre aus. Unter seiner Präsidentschaft wurden zwei philatelistische Auszeichnungen Österreichs geschaffen. Für Verdienste um die philatelistische Forschung wurde die Österreichische Verbandsmedaille eingeführt. Die Medaille zeigt auf der Bildseite einen Postreiter sowie ein Wiener Stadttor, sie trägt die Umschrift „Verband Österreichischer Philatelistenvereine". Die Rückseite hat die Umschrift „Für Verdienste um die philatelistische Forschung", in der Mitte ist der Name des Inhabers und das Jahr der Verleihung eingraviert. Der Entwurf der Medaille stammt von Ludwig Hesshaimer, ausgeführt wurde sie vom Bildhauer Placht. Verdienste um die philatelistische Organisation würdigt die silberne Hesshaimer-Plakette. Sie zeigt den Kopf Hesshaimers, darüber den Namen Ludwig Hesshaimer sowie die Jahreszahl 1928, darunter „Verband Österreichischer Philatelistenvereine" und in einem rechteckigen Feld eingraviert den Namen des Inhabers sowie das Jahr der Verleihung. Auch diese Plakette wurde vom Bildhauer Placht entworfen und ausgeführt. In seiner neuen Heimat Brasilien war Hesshaimer in der Jury von Briefmarkenausstellungen tätig. Er starb 1956 und wurde in Rio de Janeiro beigesetzt.
Ludwig Hesshaimer hat es nie überwunden, dass die Postverwaltung Österreichs keine seiner Entwürfe angenommen hat. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Verlassen Europas geriet er in Vergessenheit. Erst im Oktober 1992 wurde er mit einem Sonderstempel gewürdigt und im Mai 1996 widmete ihm der Verband Österreichischer Philatelisten-Vereine eine Sonderschau aus Anlass der 75jährigen Verbandsgründung.
Uwe Konst
(Schluss)
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