Von König Carol II. zu Audienzen gebeten
23.07.20
Erfolgreiche Karriere eines Kronstädter Sachsen in der rumänischen Armee: General Johann Karl Schmidt (II)/Von Wolfgang Wittstock
Der nachmalige General Johann Karl Schmidt wurde am 14. August 1876 in Kronstadt geboren. Bereits der Vater Samuel Schmidt (1831-1913), in Birthälm geboren, hatte die militärische Laufbahn eingeschlagen. Als k. u. k. Hauptmann war er dem Militär-Stations-Kommando in Kronstadt zugeteilt worden, wo er 1875 Amalie Dorothea geb. Orendi ehelichte. Johann Karl war das älteste von fünf Kindern dieser Familie, von denen drei früh verstarben. Im eigenen großen Garten an der Schlossbergzeile (heute Mihai-Eminescu-Straße) erfolgte der Bau des ersten Hauses, dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein zweites, an der Straße gelegenes, folgen sollte.
Johann Karl Schmidt besuchte die Volksschule in Kronstadt. Es folgten Stationen der militärischen Ausbildung in Kaschau, Mährisch-Weißkirchen und an der Technischen Militärakademie in Wien, im Spezialfach Artillerie und Technische Truppe. 1896 wurde er als Oberleutnant in die Friedensgarnison nach Temeswar delegiert. Drei Jahre später erfolgte die Rückkehr nach Wien, wo er 1904 als Hauptmann dem Artilleriestab des 18. Feldkanonenregiments zugeteilt wurde. Im gleichen Jahr erfolgte die Eheschließung mit Maria Klara geb. Vollgold, 1905 die Geburt des Sohnes Friedrich. Die Ehe wurde später geschieden.
Mit dem Leopold-Orden ausgezeichnet
Die Jahre 1909-1911 verbrachte Johann Karl Schmidt in Mostar (Bosnien und Herzegowina). Es folgten drei Jahre in der Türkei, wohin er als Instruktionsoffizier entsandt wurde und wo er am Aufbau der türkischen Artillerie beteiligt war. 1912 war die Ernennung zum Major erfolgt. Im Ersten Weltkrieg befehligte Oberstleutnant, dann Oberst Johann Karl Schmidt Truppenteile der schweren k. u. k. Artillerie in den Gebirgsschlachten am Isonzo, gegen Italien. Im Jahr 1916 wurde er für besondere Verdienste mit dem Leopold-Orden („mit Kriegsdekoration“) ausgezeichnet.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Oberst Johann Karl Schmidt, in damaligen rumänischen Papieren „colonel Ioan Carl Schmidt“, in die rumänische Armee übernommen und der Artillerie des 7. Armeekorps zugeteilt, mit der er im Sommer 1919 am erfolgreichen Feldzug gegen das kommunistische Ungarn Béla Kuns teilnahm. Die Familie – Johann Karl Schmidt hatte in zweiter Ehe die Wienerin Wilhelmine geb. Elischak geheiratet - übersiedelte nach Kronstadt, in das vom Vater geerbte Anwesen an der Schlossbergzeile. 1923 wird Johann Karl Schmidts zweiter Sohn Peter Josef geboren, der im Zweiten Weltkrieg, als Angehöriger der Waffen-SS, an der Ostfront gefallen ist. In der Taufmatrikel der evang. Kirche A.B. in Kronstadt wird der Vater als Brigade-General Hans Schmidt tituliert. Die Beförderung mit anschließender Übernahme der Gebirgsartillerie und des Kommandos des gesamten Gebirgskorps war bereits im Jahr 1921 erfolgt.
In der Zwischenkriegszeit hat General Johann Karl Schmidt verantwortungsvolle Aufgaben in der rumänischen Armee wahrgenommen. Er war Inspektor und Professor für Generalstabsoffiziere für die Bereiche chemische Waffen und chemische Kriegsführung an der Militärakademie in Bukarest. Aus verschiedenen Unterlagen geht hervor, dass er zeitweilig das Kommando der 16. Division ausgeübt und auch die Chemische Direktion der rumänischen Armee (Directia Chimica Militara) geleitet hat.
Wegen Elena Lupescu in Ungnade gefallen
General Johann Karl Schmidt war nicht nur ein Artillerist mit reicher Kriegserfahrung, sondern galt vor allem auch als maßgebliche Instanz für chemische Kriegsführung, als anerkannter Experte für Gasmasken. Bei Neuanschaffungen dieses Ressorts musste immer sein Gutachten eingeholt werden. Aufgrund seines hohen Ranges und seiner große Verantwortung implizierenden Position in der rumänischen Armee wurde er gelegentlich von König Carol II. zu Audienzen gebeten und zu Empfängen eingeladen. Und all diese Umstände erklären wohl auch, wieso General Schmidt mit hohen Orden mehrerer Staaten ausgezeichnet wurde. Als Fachmann für die Bereiche Artillerie und chemische Kriegsführung waren seine Kenntnisse auch international gefragt und geschätzt. Dieser Experten-Status sollte aber auch seinen Abschied aus der rumänischen Armee verursachen. Frau Gundi Schmidt erzählt dazu eine interessante Episode, die ihr ihre Großmutter berichtet hat: „Während eines dieser Diners [beim königlichen Hofe, Anmerkung W.W.] setzte sich Frau Lupescu, die Mätresse des Königs, neben meinen Großvater und wollte ihn bestechen, ein Gutachten über tschechische Gasmasken zu unterzeichnen, weil diese sehr günstig im Einkauf gewesen wären. Dafür bot sie ihm eine hohe Summe Geldes an! Mein Großvater lehnte entschieden ab, weil die Gasmasken qualitätsmäßig nicht in Frage kamen, ja sogar im Ernstfall den Tod der gesamten Armee herbeigeführt hätten. Ab sofort fiel General Schmidt ‚în dizgra?ie‘ und wurde vom Hofe ‚verbannt‘.“
1937 wurde General Schmidt pensioniert, und er zog sich nach Kronstadt zurück. Der Umstand, dass er in Ungnade gefallen war, ließ sein Pension gering ausfallen, so dass seine Frau sich genötigt sah, das Familienbudget durch privaten Sprachunterricht aufzubessern. Doch er bewirtschaftete mit viel Hingabe seinen großen Garten, „machte selbst Ribiselwein und verkaufte Obst. (…) Ich kann mich als Kind an meinen lieben Großvater als einen gütigen, geduldigen, bescheidenen und fröhlichen Menschen erinnern, der in der Artillerie-Uniform mit Rucksack auf den Marktplatz ‚marschierte‘, um Gemüse zu kaufen. Über den Krieg oder seine Verdienste sprach er nie“, notierte Enkeltochter Gundi Schmidt.
Im Gefängnisspital verstorben
Das letzte Lebensjahr des Generals Schmidt stand unter keinem guten Stern. Seine Enkeltochter berichtet, dass ihr Großvater täglich den Ami-Sender Radio Rias Berlin hörte und das Wichtigste notierte, um es dann wöchentlich seinen Freunden zu berichten. Eine Mieterin erfuhr davon und zeigte ihn bei der Securitate an. Diese führte am 5. Mai 1952 eine Hausdurchsuchung durch, fand die Notizen und verhaftete den General, der am 10. Oktober des gleichen Jahres im Gefängnisspital in Kronstadt verstarb, ohne dass es zu einem Prozess gekommen und eine Verurteilung erfolgt wäre. Im November 1952 wurde dann auch der Sohn des Generals, Architekt Friedrich Schmidt (Vater von Gundi Schmidt), verhaftet, doch aus Mangel an Beweisen in einer Gerichtsverhandlung vom Juni 1953 freigesprochen und aus der Haft entlassen.
Erst später erfuhr die Familie, dass General Johann Karl Schmidt auf dem Soldatenfriedhof in Bartholomae, der von der Gesprenggasse (heute Carierei-Straße) zu erreichen ist, beerdigt wurde. Architekt Schmidt ließ einen Grabstein für das Grab seines Vaters errichten, auf dem auch der Name seines im Zweiten Weltkrieg gefallenen Halbbruders eingemeißelt ist. Nach der Wende veranlasste Frau Gundi Schmidt die Überführung dieses Grabsteins auf den evangelischen Friedhof Kronstadt-Martinsberg, unweit des ehemaligen Schmidtschen Anwesens auf der Schlossbergzeile, wo er sich auch heute noch befindet.
In kompletter Uniform: General Johann Karl Schmidt (Bildquelle: privat)
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