„Wachet und betet“
19.12.08
Die Große Glocke der Schwarzen Kirche in Kronstadt - 150 Jahre alt
Die Glocken der Schwarzen Kirche haben durch Jahrhunderte hindurch mit ihrem Klang die Bevölkerung von Kronstadt begleitet und gehören zum Alltag seiner Bewohner. Auf der Großen Glocke kündigt das Uhrwerk die vollen Stunden durch laute Hammerschläge an, die Große Glocke wird bei Gottesdiensten und Begräbnissen geläutet, ebenso bei andern besonderen Anlässen, wie zum Beispiel in der Neujahrsnacht. Dies tut sie in ihrer heutigen Form nunmehr seit 150 Jahren, und da ist es angebracht,einiges über ihre Geschichte mitzuteilen.
Die ersten Nachrichten über den Guß der Großen Glocke stammen aus den Jahren 1512 - 1513. Beim großen Brand vom 21. April 1689 schmolz die Große Glocke und wurde im Jahre 1690 vom Glockengießer Heinrich Lampe aus Hildesheim neu gegossen und hatte damals ein Gewicht von 130 Zentnern (7280 kg). Da sie sprang, mußte sie umgegossen werden und das geschah, nach mehreren Mißerfolgen, schließlich im Jahre 1841 durch die Schäßburger Glockengießer Manchen und Lootz. Diesmal hatte die Große Glocke nur noch 93 Zentner (5300 kg). Aber auch diese Glocke erhielt nach einigen Jahren einen Sprung und deshalb wurde im Jahre 1857 ein Neuguß ausgeschrieben und dem Klausenburger Glockengießer Johann Andraschowsky anvertraut. Weil er aber vorher die beim Brand der Bistritzer Kirche am 18. April 1857 geschmolzene Glocke gießen sollte, verzögerte sich der Guß der neuen Kronstädter Großen Glocke um ein Jahr. Im August 1858 wurde der Vertrag abgeschlossen und eine hohe Kaution festgesetzt, da die Kronstädter Kirchengemeinde nach den früheren Mißerfolgen mit der Großen Glocke besonders vorsichtig sein wollte. Leider sind die Quellen über diesen Neuguß sehr dürftig und das genaue Datum des Gusses konnte noch nicht festgestellt werden.
Der Guß fand vor dem Klostertor statt, ungefähr an der Stelle, wo sich heute der Springbrunnen beim Palast des Militärkreises („Haus der Armee") befindet. Am Samstag, dem 11. Dezember 1858, wurde die neue Glocke auf einem eigens hierfür konstruierten von acht Paar Ochsen gezogenen Wagen zur Kirche gebracht und es dauerte drei Tage, bis die Glocke im Turm bis in die untere Glockenstube gehoben werden konnte, die in über 44 Meter Höhe liegt.
Die neue Große Glocke hat ein Gewicht von 104 Zentnern und 83 Pfund (etwa 5870 kg, das Pfund zu 0,56 kg gerechnet). Der Durchmesser der Großen Glocke beträgt unten 218 cm, die Höhe des Glockenbechers ohne die Krone beträgt etwa 170 cm, der äußere Durchmesser am Glockenbecher oben 105 cm.
Die Große Glocke wurde mit reichen Verzierungen und langen Inschriften versehen.
Als Glockenkrone ragen oben aus dem Glockenbecherboden nach den vier Seiten jeweils zwei Henkel, die vorne jeweils zwei Engelsgesichter mit einem Wappenschild auf der Brust aufweisen. In der Krone ist die in Eisen gebundene Holzkonstruktion des Gegengewichtes verankert, durch die der Klöppelanker hindurchgeht.
Am oberen Rand der Glocke steht in gotischer Majuskelschrift die Inschrift: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen", der Beginn des bekannten Liedes des Reformators Dr. Martin Luther. Auf der Westseite, über dem von einem Eichenblätterkranz eingefaßten alten Kronstädter Wappen, das nur eine Krone enthält, stehen die Worte „Wachet und betet", der Wahlspruch des Reformators Johannes Honterus (Vigilate et orate, Matth. 26,41). Auf der Ostseite stehen die Worte „Das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit" (Jesaja 40,8)
Darunter befindet sich eine Reliefdarstellung: in einem Kreis ein Dreieck, die heilige Dreifaltigkeit darstellend, davon gehen Strahlen aus, unterhalb des Kreises befinden sich links, gekreuzt, ein Kreuz und ein Anker, darüber eine Bibel mit der Inschrift „Die Heilige Schrift" und rechts davon ein Kelch. Auf der Nordseite befindet sich die Inschrift „Im Jahre 1858/ schufen mich durch Meister Johann Andraschofski,/ seine Söhne Johann und Ephraim und seinen Neffen Ephraim/ aus Klausenburg die Liebesgaben der Gemeinde in Kronstadt". Auf der Südseite lesen wir die Inschrift: „Das Licht des protestantischen Glaubens,/ die Wärme der evangelischen Liebe, die Kraft/ der christlichen Hoffnung auf den Schutz des Herrn/ erleuchte, vereine und stärke die Gemeine/ bis an das Ende der Tage!"
Oben an der Glocke auf der Nordseite wurde ihr Gewicht eingestanzt: "104 C. 83 lb."
In der Presbyterialsitzung vom 13. Dezember 1858 wurde eine genaue Prüfung der neuen Glocke beschlossen, am 20. Dezember berichtete die Glockengußkommission, daß es keine Probleme gäbe und die Glocke gut und bewährt sei und angenommen werden könne. Daraufhin wurde beschlossen, die Glocke auf den Turm hinaufziehen zu lassen.
Das dafür damals von der Seilerzunft gespendete dicke Seil ist heute noch im Turm zu sehen. Ebenso wurde beschlossen, die Glocke während der Sitzung der Gemeindevetretung, die die Annahme beschließen sollte, zehn Minuten lang zu läuten.
Im Januar 1859 wurde die neue Glocke wiederholt probeweise geläutet, an acht Tagen je eine halbe Stunde lang, einmal sogar eine ganze Stunde lang. Es ergaben sich Probleme wegen dem Klöppel und ein neuer Klöppel sollte in Hunedoara hergestellt werden. Trotzdem beschloß die größere Gemeindevertretung in ihrer Sitzung vom 23. März 1859, daß die Große Glocke angenommen werden solle und schon am nächsten Sonntag, am 27. März 1859 geweiht werden und sodann in Brauch genommen werden sollte. Nach der Sitzung wurde sogleich der damalige Stadtpfarrer Christoph von Greißing verständigt.
Christoph von Greißing stammte aus einer alten Kronstädter Familie und wurde am 14. März 1778 geboren. Er wirkte als Pfarrer in Schirkanyen, Rothbach, Heldsdorf und Zeiden, bis er 1835 zum Kronstädter Stadtpfarrer gewählt wurde. Als solcher war er mitbeteiligt an der neuen großen Buchholz-Orgel, die er 1839 weihte und am Neuguß der Großen Glocke, die er 1841 weihte. Nun war er 80 Jahre alt, als er am 11. Dezember 1858 die neue Glocke für ihren Weg von der Gießstätte zur Kirche segnete, und war ins 81. Lebensjahr getreten, als er am 27. März 1859 die Glockenweihe vornahm. Er starb am 8. Februar 1860 und war 16 Jahre lang (1833 - 1849) auch Burzenländer Dechant gewesen.
Aus Anlaß der Glockenweihe brachte der Kronstädter Buchdrucker Johann Gött den Text für die Komposition von Andreas Romberg (1767 - 1821) „Die Glocke" nach dem Text von Friedrich Schiller heraus. Das Tonwerk wurde zwar geprobt, aber beim Weihegottesdienst nicht aufgeführt, weil einige Sänger krank geworden waren. In seiner Glockenpredigt würdigte der greise Stadtpfarrer die Verdienste des Kirchenmeisters (Kirchenvaters) Andreas Seewaldt um den Glockenguß. Noch am Weihetag wurde die neue Große Glocke erstmals bei einem Begräbnis geläutet, für Julie Schollmaschi, geborene Molnar. Diese Angaben können wir der „Kronstädter Zeitung" Nr. 49 vom 28. März 1859 entnehmen. Leider berichtete die Zeitung aber nichts über den Glockenguß und die anderen Geschehnisse bis zur Glockenweihe.
Im Jahre 1906 mußte das Öhr des Klöppels der Großen Glocke frisch angeschweißt werden, der 1918 brach und danach geschient wurde. Im August 1916 entging die Große Glocke auf Grund der Vorsprache des Stadtpfarrers Dr. Franz Herfurth beim Budapester Kultusminister dem Schicksal der Requirierung.
Bis zum Jahre 1970 wurde die Große Glocke von acht Männern geläutet, damals wurde eine elektrisches Läutemaschine installiert und der alte Klöppel durch den gleichlangen Klöppel der 1916 requirierten Sonntagsglocke ersetzt.
Am 22. Juli 2007 brach der Klöppelanker und der Klöppel fiel auf die Balken unter die Glocke herab. Am 10. August 2007 war der Schaden behoben und die Große Glocke konnte wieder geläutet werden (vgl. KR Nr. 30 und Nr. 33 von 2007).
Der am Guß der Großen Glocke auch beteiligte Neffe des Glockengießers namens Ephraim Andraschowsky ließ sich in Kronstadt nieder, erwarb ein Haus in der Schwarzgasse mit der alten Nummer 407 und starb am 9. November 1922 im Alter von 92 Jahren in der Schwarzgasse Nr. 11 (heute Nr. 9). Das Haus befindet sich heute im Besitze seiner Nachkommen, die das Familienerbe schätzen und bewahren.
Gernot Nussbächer
Bildtext: Die Große Glocke der Schwarzen Kirche in Kronstadt
Foto: Peter Simon
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