APOLLONIA-HIRSCHER-PREISVERLEIHUNG 2006

Pfarrer Kurt Boltres, Vorsitzender des Deutschen Ortsforums Kronstadt, präsentiert dem anwesenden Publikum die Apollonia-Hirscher-Keramikplakette, die er Preisträgerin Astrid Hermel überreichen wird. Foto: Wolfgang Wittstock

Brückenschlag zwischen Kulturen und Generationen

Laudatio auf Astrid Hermel/Von Dr. Carmen Elisabeth Puchianu

Für Einheimische wie für Besucher von nah und fern gehörte das frühere Antiquariat in der Hirschergasse immer schon zu den Anziehungspunkten der Kronstädter Innenstadt. Das hing zum einen damit zusammen, dass der Laden günstig lag, zum andern, dass man jederzeit Bücher in deutscher, ungarischer, rumänischer, aber auch englischer, französischer oder russischer Sprache darin finden konnte. Jedes Mal schlug einem der spezifische Geruch alter Bücher entgegen, darin sich abgestandene Zeit, vergilbtes, verstaubtes Papier und längst eingetrocknete Druckerschwärze mischten. Man meinte, auf reizvoll wundersame Weise etwas von dem Geist geschriebenen Wortes zu spüren.
So oder ähnlich mochte auch die junge Astrid Hermel empfunden haben, als sie 1968 den Entschluss fasste, Antiquarin zu werden und sich der Welt der Bücher zu verschreiben. Sie bewarb sich bei der Buchvertriebszentrale (Centrul de librării) aus Kronstadt, machte eine dreijährige Ausbildung zur Antiquarin und konnte anschließend tatsächlich eine Stelle im zu der Zeit einzigen Kronstädter Antiquariat antreten. 1985 übernahm Astrid Hermel das staatliche Antiquariat in der Hirschergasse als Geschäftsführerin.
Schon vor der politischen Wende träumte Astrid Hermel von einem eigenen Laden, möglicherweise von einem Verlag und einem kleinen literarischen Café.
1990 stellt Astrid Hermel einen Antrag zur Privatisierung des Buchladens und hat dafür einen harten Kampf mit den zuständigen staatlichen Behörden auszufechten. Nach einigem Gerangel erhält sie 1991 die beantragte Genehmigung. Am 10. Juli 1991 finden die festliche Eröffnung des Antiquariats sowie der Druckerei und des Verlags statt, denen Astrid Hermel seither als Leiterin vorsteht.
Bemerkenswerter Weise trägt ihr Buchunternehmen weder den Namen der Inhaberin noch den bedeutender siebenbürgischer Vorgänger wie Honterus oder Gött. Ohne diese zu ignorieren, knüpft Astrid Hermel an gute Druckerei- und Verlagstradition an: Der Firmennamen Aldus verweist uns auf die Persönlichkeit des venezianischen Humanisten und Sprachgelehrten Aldus Manutius (1449-1515), der 1493 zusammen mit Andrea Torresani da Asolo, seinem zukünftigen Schwiegervater, eine Druckerei und ein Verlagshaus gründete. Sein Hauptanliegen war es, zum einen die griechischen Klassiker, zum andern die „neueren“ italienischen Dichter in handlichem Buchformat zu veröffentlichen und somit einer breiteren Leserschaft auch dadurch zugänglich zu machen, dass er auf die damals üblichen Glossen und Kommentare am Rande der Primärtexte verzichtete. Er gilt als Erfinder der italienischen, d.h. der Kursivschrift und hinterlässt eine besondere Art von Drucken, die sogenannten Aldinen. Sein Verlagsemblem zeigt Anker und Delphin als Symbol des lateinischen Sprichworts „Festina lente!“, das Aldus Manutius offenbar zu seinem Leitspruch gemacht hatte.
Wer Astrid Hermel etwas besser kennt, wird zweifelsohne die Meinung teilen, dass ihr der Spruch durchaus entspricht. In ihrer manchmal scheuen, stillen und unaufdringlichen Art gelingt es ihr beharrlich und unaufhaltsam, den Weg nach vorne zu gehen und das Ziel, das sie sich gesteckt hat, wohlüberlegt und sozusagen in langsamer Eile zu erreichen.

Astrid Hermel ist als Antiquarin und Verlegerin weit über die Grenzen ihrer Stadt bekannt geworden. Sie darf sich rühmen, eine Vielzahl an Büchern erstellt zu haben, die eine beachtliche Palette von Bereichen widerspiegeln. Den Anfang machte die kleine dreisprachige Mappe „Das alte Kronstadt in Graphik und Gedicht“, die weit mehr als nur ein hübsches, handliches Mitbringsel für Nostalgiker darstellt: Genau genommen verbirgt sich darin das Kredo der Verlegerin. Ihr Ziel war und ist es, dem deutschen wie dem multikulturellen Gepräge der Stadt und der Region Genüge zu leisten und sich dafür einzusetzen, dass deren kulturelle und literarische Identität in ihrer Vielfalt weitergegeben wird. Mit gutem Gespür für Qualität veröffentlicht Astrid Hermel in ihrem Verlag Bücher in deutscher, ungarischer, rumänischer und gelegentlich in englischer Sprache. Ihre Schwerpunkte sind siebenbürgisch-deutsche Geschichte, Kultur und Literatur. Zu den wichtigsten Fachbüchern gehören die Tagungsbände „Kronstädter Beiträge zur germanistischen Forschung“ der „Reihe Academica“, die Reihe „Aus Urkunden und Chroniken“ sowie die in rumänischer Fassung vorliegenden „Caietele Corona“, um nur einige zu nennen. Seit 2006 steht Astrid Hermels Verlag auf der Liste der vom Bukarester Ausschuss für wissenschaftliche Forschung (CNCSIS) akkreditierten Verlage. Zweifelsohne ehrt und verpflichtet das die Verlegerin.
Die Geschichte von Astrid Hermel ist keine wundersame Erfolgsgeschichte, wie man sie etwa in amerikanischen Filmen zu sehen bekommt. Immer wieder gibt es Rückschläge: Nach kaum überwundenen Gründungsschwierigkeiten hat sich Astrid Hermel nicht unerheblichen gesundheitlichen Problemen zu stellen. Damit nicht genug, muss der altbewährte Standort in der Hirschergasse aufgegeben und ein neuer auf dem Rossmarkt bezogen werden. Ein weiterer Umzug erfolgt, und zwar in das Gebäude am Marktplatz Nr. 17, das mittlerweile saniert wird, so dass Aldus seit wenigen Monaten einen wieder neuen Standort hat, und zwar am Marktplatz Nr. 18.
Das Hin und Her ist dem Geschäft leider nicht immer förderlich, aber Astrid Hermel trägt alles mit Fassung und Gelassenheit, versucht jede Herausforderung aus eigener Kraft zu meistern. Ihr Wille und die ungebrochene Liebe zu den Büchern treiben sie an und geben ihr Kraft. Rückhalt findet sie am meisten in ihrer Familie, die sie vorbehaltlos unterstützt in allem, was die Unternehmerin vorhat, und an ihrer Seite im Betrieb mitwirkt. Nicht zuletzt darf sie sich der Unterstützung der deutschsprachigen Gemeinschaft nicht nur aus Kronstadt erfreuen.
Das Erstellen von Büchern versteht Astrid Hermel im besten Sinne als Dienst an jener Gemeinschaft, der sie sich am meisten verbunden fühlt und ohne deren Rückhalt sie in ihrer Arbeit keinen Sinn sehen würde. Sie versteht ihre Arbeit als Brückenschlag zwischen Kulturen und nicht zuletzt zwischen Generationen. Ihre durch Kontinuität und Konsequenz gekennzeichnete Tätigkeit wirkt sich nach vielen Seiten hin förderlich aus und bleibt daher nicht ohne gesellschaftliche und (inter)kulturelle Resonanz.
Durch die Verleihung des Apollonia-Hirscher-Preises 2006 sprechen wir Astrid Hermel aufrichtige Anerkennung und tief empfundenen Dank für das Geleistete aus.

Kronstadt, 17. Juli 2007
(Karpatenrundschau, 26. Juli 2007)