Apollonia-Hirscher-Preisverleihung 2008

Nachhaltiges Wirken für die Gemeinschaft

Laudatio auf das Ehepaar Sara und Eugen Bruss, die Träger der Apollonia-Hirscher-Preises für das Jahr 2008/Von Wolfgang Wittstock

Meine Damen und Herren,
den Apollonia-Hirscher-Preis gibt es seit 10 Jahren. Die erste Preisverleihung hat am 19. Februar 1999 hier in diesem Forums-Festsaal stattgefunden. Schaut man sich die Namensliste der bisherigen Preisträger an, so kann einem u.a. Folgendes auffallen: Zu den Apollonia-Hirscher-Preisträgern gehörten in den vergangenen Jahren einerseits Personen, deren Namen in der Zeitung oft genannt werden, die immer wieder im Rampenlicht stehen und der Öffentlichkeit bekannt sind. Eine zweite Kategorie von Preisträgern waren Personen, deren gemeinnütziges Wirken erst durch die Preisverleihung wohlverdienter Weise ins Rampenlicht gerückt wurde.
Fakt ist Folgendes: Es gibt kein schriftlich fixiertes Regelwerk für die Verleihung des Apollonia-Hirscher-Preises. Die Grundregel, die vor mehr als zehn Jahren von den Preisstiftern – den Heimatortsgemeinschaften Kronstadt und Bartholomae in Deutschland und dem Deutschen Forum Kronstadt – für die Preisvergabe vereinbart wurde, besagt, dass der Preis jährlich an eine Person zu vergeben ist, die ihren Wohnsitz in Kronstadt hat, die sich zu unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft bekennt und die sich um diese Gemeinschaft bleibende Verdienste erworben hat. Laut einem Pressebericht über die erste Preisverleihung bestand die Absicht der Initiatoren des Preises – sie wird im besagten Pressebericht zitiert – in der „Ermutigung jener Persönlichkeiten, deren – oft stille – Wirksamkeit für die Gemeinschaft eine Quelle der Kraft und der Zuversicht ist“ (KR, 27.02.1999, S. 1). Das Rampenlicht, das öffentliche Bekanntsein waren und sind also keine Vorbedingung für die Vergabe des Apollonia-Hirscher-Preises, was bereits durch Namen und Person des ersten Preisträgers – wir erinnern uns: es war eine Preisträgerin, die allseits geschätzte Krankenschwester Christa Hellmann – programmatisch angezeigt wurde. Unsere heutigen Preisträger, das Ehepaar Sara und Eugen Bruss, gehören u.E. ebenfalls in diese Kategorie des eher unauffälligen und trotzdem nachhaltigen Wirkens für die Gemeinschaft, womit diesmal die Verleihung des Apollonia-Hirscher-Preises zu ihren Ursprüngen zurückkehrt, andererseits aber auch eine Premiere stattfindet, nämlich die erstmalige Verleihung des Preises an ein Ehepaar.
Wer sind die neuen Träger des Apollonia-Hirscher-Preises, was haben sie für unsere Gemeinschaft getan?
Sara und Eugen Bruss sind nicht durch Geburt und Taufe, sondern erst später Mitglieder der Kronstädter Honterusgemeinde geworden. Eugen Bruss wurde im Jahr 1932 in Kronstadt-Bartholomae geboren, hier wurde er getauft und konfirmiert. Der Vater war Lehrer an der Bartholomäer Volksschule, wo Eugen Bruss die ersten vier Volksschulklassen besuchte. Sara Bruss geb. Riffelt ist ein Jahr jünger als ihr Mann. Ihr Geburtsort Bulkesch liegt im Weinland, genauer: in dem von Großer und Kleiner Kokel begrenzten Zwischenstromgebiet, das hierzulande gelegentlich im Spaß als unser sächsisches Mesopotamien bezeichnet wird. Bei den Familien, in die Sara und Eugen Bruss hineingeboren wurden, lassen sich etliche Gemeinsamkeiten feststellen. In beiden Familien gab es je fünf Kinder, und beide Familien sind durch den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen nicht verschont worden. Der Vater von Sara Riffelt (wie auch ihr ältester Bruder, obwohl noch nicht einmal 16-jährig) wurde im Januar 1945 nach Russland deportiert, der Vater von Eugen Bruss konnte nach der Kriegsgefangenschaft erst im Jahr 1956 nach Siebenbürgen zurückkehren, war dann aber noch 22 Jahre als Pfarrer in der Burzenländer Gemeinde Rothbach tätig.
Sara Riffelt besuchte die Volksschule in ihrem Heimatort Bulkesch und anschließend eine technische Mittelschule in Sankt Martin/Târnaveni. Anschließend arbeitete sie 12 Jahre als Laborantin in der Gütekontrolle des Klausenburger Unternehmens „Carbochim“, worauf sie nach Kronstadt übersiedelte und an der Forsthochschule im Labor für Pflanzenphysiologie angestellt wurde. Hier wirkte sie 21 Jahre lang als verlässliche, von Professoren und Studenten geschätzte Fachkraft. Zu Beginn des Jahres 1989 ging sie in Rente, sodass sie sich nun in verstärkten Maße ehrenamtlichen Aufgaben zur Verfügung stellen konnte. Und diese Aufgaben ließen nicht auf sich warten. Ziemlich bald nach der Wende, im Herbst 1990, stieß sie, auf Anregung des Martinsberger Pfarrers Johann-Dieter Krauss, zum Team der „Küche auf Rädern“, die damals im Martinsberger Pfarrhaus den Betrieb aufgenommen hatte. Erinnern wir uns: Gekocht wurde montags, mittwochs und samstags für rund 30 ältere Gemeindeglieder, die nicht mehr imstande waren, sich selbst zu versorgen. Sie erhielten das Essen immer für zwei Tage, d.h. es wurden jeweils 60 Portionen gekocht und ausgefahren. Neun Frauen – eingeteilt in drei Teams, bestehend aus je drei Frauen - hatten sich für das Kochen und Abwaschen zur Verfügung gestellt. Sara Bruss gehörte der Montag-Gruppe an. Die Küche auf Rädern auf dem Martinsberg funktionierte bis zum Jahr 1995, als sie in das im Blumenauer Pfarrhaus eingerichtete Pflegeheim verlegt wurde.
Zum ehreamtlichen Wirken von Sara Bruss gehört auch, dass sie sich als Zehntfrau der Honterusgemeinde zur Verfügung gestellt hat und diese Aufgabe seit vielen Jahren wahrnimmt. Ihre Zehntschaft umfasst die Familien und Einzelpersonen der Honterusgemeinde, die ab der Rumänischen Kirchgasse in der Langgasse und in der Mittelgasse wohnen. Zu den Pflichten einer Zehntfrau gehört nicht nur das Einsammeln der Weihnachtsspende, die für die Christbescherung der Kinder verwendet wird. Frau Bruss stattet den im Bereich ihrer Zehntschaft wohnhaften Mitgliedern der Honterusgemeinde, vor allem, aber nicht nur den älteren Personen, regelmäßig Besuche ab, und wenn es soziale Probleme gibt, werden diese der Leitung der Honterusgemeinde gemeldet.
Von Arbeit und Pflichterfüllung geprägt ist auch der bisherige Lebensweg von Eugen Bruss. In einem Gespräch sagte er mir, er sei froh, als Primaner noch die sogenannte neue Honterusschule (heute Geburtenklinik) erlebt zu haben, es sei eine mustergültig eingerichtete und ausgestattete Schule gewesen. Wegen der Kriegsereignisse, der Bombardements, von denen Kronstadt nicht verschont blieb, zog die Familie nach Honigberg, wo Eugen die 7. Volksschulklasse besuchte. Ab 1945 folgten wieder Jahre an der Honterusschule in wechselnden Lokalitäten, die Sekunda, Tertia, Quarta, letztere im Gebäude der ev. Mädchenschule, heute Forstfakultät. Weil das Geld in jenen Jahren in der damals vaterlosen Familie knapp war, blieb Eugen Bruss der Besuch des Lyzeums bzw. Obergymnasiums zunächst verwehrt. Er wurde als Lehrbub in der bekannten, damals schon verstaatlichten Bau- und Möbeltischlerei „Hubbes“ in der Langgasse aufgenommen und besuchte abends die deutsche Gewerbeschule (im A-Gebäude auf dem Kirchhof), wobei er in einem Schuljahr zwei Klassen absolvierte. Dann folgten zwei Jahre Berufsschule in Zeiden, worauf er in die Tischlerei in der Langgasse zurückkehrte. Parallel dazu besuchte und absolvierte Eugen Bruss das Abendlyzeum, es folgten zwei Jahre beim Militär, worauf er beim Kronstädter staatlichen Holzverarbeitungskombinat CPL angestellt wurde, dem auch die Firma „Hubbes“ einverleibt worden war. Beim Holzverarbeitungsunternehmen baute Eugen Bruss eine schöne Karriere auf, er legte die Meisterprüfung ab und arbeitete schließlich als Haupttechniker und Projektant im Projektionsbüro, die letzten drei Jahre seiner beruflichen Laufbahn als Abteilungsleiter, dem 150 Angestellte, davon vier Meister und vier Ingenieure, unterstellt waren. Besonders intensiv erinnert sich Eugen Bruss an die schwierigen Jahre vor der Wende von 1989, als sein Unternehmen sehr viel für den Export arbeiten, aber auch wichtige Aufträge für Ceauşescus „Haus des Volkes“ in Bukarest ausführen musste. Im Jahr 1989, sagte mir Eugen Bruss, habe er tagtäglich 12 Stunden in der Arbeit verbracht, es gab keine freien Sonntage, keinen Urlaub. Im Mai 1990 konnte er – nach 40-jähriger verdienstvoller Tätigkeit im gleichen Betrieb - den wohlverdienten Ruhestand antreten.
Sara Riffelt und Eugen Bruss haben einander spät gefunden, sie heirateten im Jahr 1977. Dies erklärt, warum die Ehe kinderlos blieb. Trotzdem war und ist es bis heute eine gute, harmonische Ehegemeinschaft. Eugen Bruss ist, bis er heiratete, täglich von Rothbach in die Arbeit nach Kronstadt gependelt, er hat in die Honterusgemeinde eingeheiratet, doch sollte er schon bald nach der Hochzeit der Kirchengemeinde, der er nun angehörte, mit Rat und Tat wertvollen Beistand leisten. Man erinnert sich: Das große Erdbeben vom 4. März 1977 hatte auch an der Schwarzen Kirche schwere Schäden verursacht, die umfangreiche Instandsetzungsarbeiten zur Folge hatten. Zunächst wurde im Kirchenchor gearbeitet, dieser wurde vom Rest der Kirche vollkommen abgetrennt, später wurde die ganze Kirche geschlossen und eine gründliche Innenrestaurierung vorgenommen. Bei diesen Arbeiten konnte sich Eugen Bruss tatkräftig einbringen, und auf das damals Vollbrachte ist er auch heute noch berechtigterweise stolz, vor allem auch, weil es um die Schwarze Kirche geht, dieses von ihm schon als Kind bestaunte prächtige Wahrzeichen unserer Stadt und unserer Geschichte, des Leistungsvermögens unserer Vorfahren.
Eines der wichtigen Probleme, zu deren Lösung Eugen Bruss in entscheidender Weise beigetragen hat, war, die wertvolle Inneneinrichtung der Schwarzen Kirche (vom Altar über die Bänke und Gestühle bis zur Orgel) bei den Restaurierungsarbeiten vor Beschädigung zu bewahren, z.B. vor Staub und herabfallendem Putz zu schützen. Dafür mussten große Mengen festes Papier angeschafft werden, mit dem die gesamte Inneneinrichtung der Kirche schützend zugepackt werden sollte. In jener Zeit der chronischen Mangelwirtschaft schien die Beschaffung einer derart großen Menge Papier ein unlösbares Problem, doch Eugen Bruss gelang dies trotzdem, durch Eigeninitiative und persönliche Beziehungen zur Weidenbacher Papier- und Kartonfabrik.
Doch das war noch bei weitem nicht alles. Eugen Bruss setzte sich persönlich dafür ein, dass das Unternehmen, wo er arbeitete, der Honterusgemeinde die gut getrockneten, fertig zugeschnittenen und gehobelten Bretter – insgesamt 20 Kubikmeter Holz – lieferte, mit denen bei der Innenrestaurierung der Fußboden im Chor der Schwarzen Kirche neu ausgelegt wurde. Wer sich heute diesen Fußboden anschaut, kann feststellen, dass damals Qualitätsmaterial geliefert und dass damals Qualitätsarbeit geleistet wurde. Eugen Bruss ließ sich die Namen der sächsischen Tischler geben, die damals der Honterusgemeinde angehörten – es waren zehn an der Zahl -, er suchte sie auf, sprach mit jedem von ihnen, und so geschah es, dass diese Tischler im Herbst 1983 in freiwilliger Arbeit, an den Nachmittagen jeweils nach Dienstschluss, der Schwarzen Kirche den auch heute noch einwandfreien Bretterfußboden verpassten. Desgleichen wurden damals in der Tapeziererei des Holzverarbeitungskombinates 150 Polster für die Gestühle der Schwarzen Kirche angefertigt.
Wenn Eugen Bruss auf jene Zeit der Innenrestaurierung der Schwarzen Kirche zurückblickt, so hat er den Eindruck, dass damals das schier Unmögliche möglich gemacht wurde. Darum behalten unsere heutigen Preisträger auch die Wiedereinweihung der Schwarzen Kirche am 27. Mai 1984 in lebhafter Erinnerung. Am großen Festgottesdienst nahmen viele Ehrengäste teil, darunter Sara und Eugen Bruss, beide in siebenbürgisch-sächsischer Tracht gekleidet, beide von Stolz beseelt, dass die Schwarze Kirche nun in neuem Glanz erstrahlte. Apropos Tracht: Bei wichtigen Gemeinschaftsfesten, z.B. bei den Sachsentreffen in Birthälm, erscheint Eugen Bruss in der Regel im Dolman genannten sächsischen Kirchenmantel, und auch Frau Bruss trägt gelegentlich bei solchen Anlässen die Burzenländer Frauentracht. Diese Haltung bezeugt ein gesundes siebenbürgisch-sächsisches Selbstbewusstsein, ein eindeutiges Bekenntnis zu unserer im Laufe der Geschichte schwer geprüften Gemeinschaft.
Erst nach der Wende wurde Eugen Bruss ins Presbyterium der Honterusgemeinde gewählt, der er nun schon seit 16 Jahren als Kirchenvater in Treue dient. Er macht davon nicht viel Aufhebens, sondern sieht es als selbstverständlich an, sich auf diese Weise der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen.
Als Sara und Eugen Bruss heirateten, wohnten sie zunächst in einer kleinen Wohnung am Breiten Bach (heute Paul-Richter-Gasse). Im Jahr 1984 konnten sie in die Langgasse übersiedeln, in das Elternhaus der Mutter von Eugen Bruss. Der Teil der Langgasse, in dem dieses Haus liegt, gehört eigentlich schon zum Zuständigkeitsbereich der ev. Kirchengemeinde A.B. Bartholomae, und in diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass Sara und Eugen Bruss in den Beziehungen der zwei evangelischen Kirchengemeinden A.B. von Kronstadt – der Honterusgemeinde und Bartholomae – eine Art Brückenfunktion spielen, was, angesichts der Tatsache, dass Eugen Bruss gebürtiger, getaufter und konfirmierter Bartholomäer ist, kein Wunder darstellt. Wir haben gezeigt, dass Sara und Eugen Bruss der Honterusgemeinde, deren Mitglieder sie sind, in selbstloser Weise dienen. Gleichzeitig aber besuchen sie auch regelmäßig die Veranstaltungen der Kirchengemeinde Bartholomae, Frau Bruss den dortigen Handarbeitskreis (ihre Spezialität sind gestickte Gratulationskarten) und Herr Bruss den Bartholomäer Männerabend. Und solange es den Bartholomäer Kirchenchor gab, haben beide dort fleißig mitgesungen.
Man sieht, das Ehepaar Bruss repräsentiert heute in eindrucksvoller Weise das gesamte sächsische Kronstadt, über die recht verschwommenen Grenzen zwischen den beiden Kronstädter evangelischen Kirchengemeinden A.B. hinweg. Angesichts ihres langjährigen ehrenamtlichen Wirkens ist die Verleihung des Apollonia-Hirscher-Preises 2008 für das Ehepaar Sara und Eugen Bruss ein Zeichen der Anerkennung und des Dankes seitens der Gemeinschaft, der sie sich in Treue zur Verfügung gestellt haben. Anlässlich dieser wohlverdienten Ehrung sei beiden ein langes Leben in Gesundheit und Frohsinn gewünscht!