625 Jahre Schwarze Kirche
14.11.08
Ihr Bau „wurde eifrig betrieben und von vielen unterstützt“
Im Kronstädter Kalender für das Jahr 1731 befindet sich am Ende eine „Verbesserte Siebenbürgische Chronica", verbessert von Lucas Seulen. Dieser Lukas Seulen (1661 - 1735) war studierter Arzt, hatte nach dem Großen Brand von 1689 die erste Privatapotheke in Kronstadt eröffnet, 1693 die alte Honterus-Druckerei erworben und 1709 die zweite Kronstädter Papiermühle errichtet. Er war Stadtarzt, Orator der Hundertmannschaft und Senator, wurde später Stadthann und sogar Stadtrichter.
Von wo er als Herausgeber des Kalenders von 1731 seine Informationen hatte, ist nicht mehr nachzuvollziehen, aber in dieser Chronica steht zu lesen:
„1383 ist die große Kirche in Cronstadt angefangen zu bauen, welcher kostbar Bau ganzer 40 Jahr soll gedauert haben".
Seither sind 625 Jahre vergangen und da erscheint es angebracht, dieses Jubiläum näher zu untersuchen und zu beleuchten.
In den „Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt" sind verschiedene ältere Chroniken veröffentlicht, die auch diese Information über den Beginn des Kirchenbaues bieten:
So steht in der Chronik von Simon Massa (1536 – 1605): „1383 Structura templi Coronnsis strenue urgetur et a multis iuvatur" (Der Bau der Kronstädter Kirche wurde eifrig betrieben und von vielen unterstützt). In den Kalenderaufzeichnungen von Michael Forgats (1563 - 1633) lesen wir: "1383 fangt man Croner Kirch an zu bauen".
Die Wandchronik der Schwarzen Kirche, die 1571 - 1572 angebracht wurde, schreibt jedoch zum Jahre 1385: „Eodem anno Coronensis templi structura urgetur" (In diesem Jahr wird der Bau der Kronstädter Kirche betrieben).
Eine Sonderstellung nimmt der Chronist Simon Nösner ( gest.1633) ein, der den Baubeginn zum Jahre 1396 angibt. Dies ist aber ein Lesefehler, weil in der Wandchronik unter dem Baubeginn 1385 in der nächsten Zeile die Jahreszahl 1396 stand.
Die Kronstädter Chronisten des 18. Jahrhunderts Joseph Teutsch und Thomas Tartler geben auch das Jahr 1385 als Baubeginn an.
Die älteste erhalten gebliebene zeitgenössische Urkunde zu diesem Geschehen stammt aus dem Jahre 1385 und befindet sich heute im Archiv der Honterusgemeinde in Kronstadt. Es ist ein Ablaßbrief zugunsten der im Bau befindlichen Marienkirche in Kronstadt, ausgestellt vom Graner Erzbischof Demetrius am 21. April 1385 in Neumarkt am Mieresch.
Demetrius war von 1369 - 1376 Bischof von Siebenbürgen gewesen, wurde danach Bischof in der kroatischen Hauptstadt Zagreb 1376 - 1377. Anschließend war er Kanzler des ungarischen Königs Ludwig I. in den Jahren 1377 - 1378 und wurde schließlich 1379 Erzbischof von Gran (Esztergom in Ungarn), dem u. a. auch das Burzenländer und das Hermannstädter Kapitel unterstanden. Der Erzbischof Demetrius weilte schon seit September 1384 in Neumarkt am Mieresch.
Eine Delegation des Burzenländer Kapitels bestehend aus dem Kronstädter Stadtpfarrer und Burzenländer Dechanten Thomas sowie aus den Pfarrern Stephanus von Rosenau und Franciscus von Marienburg reiste im Dezember nach Neumarkt und erwirkte dort die Bestätigung von zwei Urkunden aus den Jahren 1361 und 1384 betreffend die Zehnteinkünfte der Pfarrer und auch eine Urkunde über die Stellung der Pfarrer und der Kirchenväter im Kronstädter Distrikt.
In der am 21. April 1385 ausgestellten Ablaßurkunde zugunsten der Kronstädter Marienkirche heißt es: „Nachdem also die Pfarrkirche der Heiligen Jungfrau Maria in Kronstadt in unserer Graner Diözese als aufwendig begonnenes Bauwerk in seinen Bauten und Gebäuden ohne die Vergünstigung der Almosen der Gläubigen nicht fortgehen und gesichert werden kann", wird allen „die von ihren ihnen von Gott verliehenen Gütern zum Bau und zum Nutzen dieser Kirche der Heiligen Jungfrau Maria hilfreiche Hände erheben, ein Jahr und hundert Tage der ihnen auferlegten Kirchenstrafen erlassen".
Aus der Urkunde geht also eindeutig hervor, daß im Frühjahr 1385 der Bau der Kronstädter Marienkirche schon begonnen hatte und damals durch den Ablaßbrief des Graner Erzbischofs nur gefördert wurde.
Dieser große Bau erfolgte auf der Grundlage einer besonderen Entwicklung der Stadt Kronstadt seit dem Anfang des 14. Jahrhunderts. Zeugnisse dafür sind die zahlreichen Handelsprivilegien, die Kronstadt in dieser Zeit erhielt und die seine Rolle als wichtigster Fernhandelsplatz in Siebenbürgen bestätigten. Wir erwähnen davon:
1358 Freier Handel bis an die Donau nach Br²ila
1364 Jahrmarktsrecht für Kronstadt
1368 Bestätigung der Handelsprivilegien in der Walachei
1368 Zollfreier Handel in der Tartarei
1369 Stapelrecht für Textilwaren aus Polen und Deutschland
1369 Zollfreier Handel nach dem heutigen Bulgarien
1370 Eigene Gerichtsbarkeit für Maße und Gewichte, Waren und Kaufleute
1370 Freier Handel bis an die Adriaküste
1374 Freier Wachshandel
1395 Bestätigung der alten Handelsprivilegien, dazu Zollfreiheit für aus der Walachei eingeführten Waren sowie freier Handel bis nach Wien.
Angesichts des wirtschaftlichen Aufschwungs von Kronstadt fand man die romanische Basilika aus dem 13. Jahrhundert - deren Überreste bei den Ausgrabungen von 1937 freigelegt wurden - als zu klein und beschloß den Bau einer neuen großen Kirche.
Der Mann, der die Vision dafür hatte, war der im Jahre 1377 von Papst Gregor IX. bestätigte damalige Kronstädter Stadtpfarrer Thomas Sander, der nach einigen Jahren auch Burzenländer Dechant wurde. In seiner Grabinschrift aus dem Jahre 1410 wird er „der vornehmliche Anfänger sowohl des Chores als auch der Basilika" genannt. Die Grabinschrift war als Deckel für seinen Sarkophag angefertigt und befindet sich seit 1937 in der Chorwand hinter dem Altar der Schwarzen Kirche eingemauert. Stadtpfarrer Thomas Sander lebte allerdings noch wenigstens bis zum Jahre 1419 und erst 1422 ist sein Amtsnachfolger bekannt. Möglicherweise starb der Stadtpfarrer Thomas beim Türkeneinfall von 1421, als auch die Kirche verheert wurde und wegen der unruhigen Zeiten wurde das Todesjahr auf dem Grabstein nicht mehr ergänzt.
Der nächste Ablaßbrief zugunsten der Kronstädter Marienkirche wurde am 29. Dezember 1399 vom damaligen Papst Bonifatius IX. ausgestellt, gewissermaßen am Vorabend des Jubeljahres 1400. Hier wird „die Kirche der Jungfrau Marie in dem Markt (!) Corona, gewöhnlich auch Brascho genannt, in der Graner Diözese und an den Grenzen der (katholischen) Christenheit gelegen" erwähnt. Von ihr wird gesagt, daß sie „großartig begonnen ist und nicht geringe Arbeiten, Zahlungen und Ausgaben benötigt".
Auch hier wird allen, die zum Bau beitragen, Nachlaß und Vergebung der Sünden gewährt. So sehen wir, daß 16 Jahre nach dem Baubeginn der Bau noch lange nicht fertig war. Die Zerstörung durch den Türkeneinfall von 1421 wurde Anlaß für die Ausstellung eines weiteren Ablaßbriefes zugunsten der Marienkirche durch Papst Martin V. im Jahre 1422. Damals mußte auch wegen dem Bau der durch die Türkeneinfälle dringend gewordenen Stadtbefestigungen der ursprüngliche Bauplan stark eingeschränkt werden.
Im Jubeljahr 1450 stellte Papst Nikolaus V. den nächsten Ablaßbrief aus, ein Vierteljahrhundert später - im Jahre 1475 - wurde von Papst Sixtus IV. wieder ein neuer Ablaßbrief für die Kronstädter Marienkirche ausgestellt. Einen Monat nach dem großen Erdbeben vom 24. November 1516 stellte Papst Leo X. den letzten erhalten gebliebenen Ablaßbrief für die Kronstädter Marienkirche aus, wohl auch für die Behebung der Erdbebenschäden.
Somit hatte der Bau der großen Pfarrkirche in Kronstadt - gewiß auch mit Unterbrechungen - mehr als ein Jahrhundert lang gedauert, nicht nur 40 Jahre, wie die eingangs erwähnte Angabe im Kronstädter Kalender von 1731 besagt.
Trotz des eingeschränkten Bauplanes ist die heutige Schwarze Kirche die größte gotische Kirche östlich von Wien und der größte Kultbau unseres Landes und eine international berühmte Sehenswürdigkeit von Kronstadt. Vor 25 Jahren wurde die 600-Jahrfeier des Baubeginns festlich begangen und durch die Wiedereinweihung der Schwarzen Kirche am 27. Mai 1984 durch Bischof D. Albert Klein gekrönt und abgeschlossen.
Gernot Nussbächer
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