Auf Besuch zu Hause
06.05.10
Gespräch mit Brunhild Schoppel-Groza, Vorsitzende der HOG Marienburg
Brunhild Schoppel-Groza (Jahrgang 1960), die Vorsitzende der Heimatortsgemeinschaft (HOG) Marienburg in Deutschland, befindet sich in der alten Heimat auf einer zweiwöchigen „Urlaubs-Arbeitsreise“. Sie ist in Marienburg/Feldioara aufgewachsen und hat hier die Schule besucht, anschließend die mittlere Reife in Kronstadt bestanden. 1980, als sie 19 Jahre alt war, wanderte sie zusammen mit ihrer Familie nach Deutschland aus.
Wie sind die drei Jahrzehnte in Deutschland verlaufen?
Wir wohnen in Nürnberg schon seit unserer Ankunft. Dort habe ich meinen Mann Daniel – einen Banater - kennengelernt. Wir haben zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Jetzt bin ich schon zweifache Großmutter, habe eine Enkeltochter und einen Enkelsohn. Beruflich habe ich in Deutschland eine kaufmännische Ausbildung absolviert, habe in verschiedenen Firmen gearbeitet und war jahrelang Sekretärin in einem Gymnasium. Seit vier Jahren arbeite ich ebenfalls als Sekretärin in einem Ingenieurbüro.
Wie kam es zu der Funktion in der HOG?
Zur HOG bin ich über die Familienforschung gekommen. Mein Mann hatte begonnen, seine Ahnen zu erforschen, was ich dann auch für mich machen wollte. Vor vier Jahren auf dem Marienburger Nachbarschaftstreffen wurde ich als stellvertretende Vorsitzende vorgeschlagen und habe zugesagt. Vor zwei Jahren ist der langjährige Vorsitzende der HOG, Harald Janesch, aus gesundheitlichen Gründen abgetreten. So wurde ich zur Vorsitzenden gewählt.
Wie verliefen die zwei Jahre seit der Übernahme der Arbeit?
Die Arbeit ist sehr vielfältig und auch zeitaufwändig. Wir haben im vergangenen Jahr zum ersten Mal die Zeitung (die „Marienburger Nachrichten“, Anm.d.Red.) selber herausgegeben. Wir haben zwar das bisherige Format beibehalten, haben aber die Gestaltung verändert und mehr Informationen eingefügt, so dass der Umfang auch größer geworden ist.
Gleichzeitig mit der Zeitung haben wir eine neue Adressenliste der Marienburger Gemeinschaft herausgegeben. Es war schon lange her, dass ein neues Verzeichnis erstellt worden war. In Elfriede Salmen, geb. Sterns, hatte ich eine sehr kompetente Hilfe. Sie hat die Adressenliste überarbeitet und aktualisiert und konnte z.B. mit den alten Hausnummern sehr viel helfen.
Die Arbeit an der Zeitung war nicht einfach. Die Berichte hatte ich im Laufe des Jahres gesammelt, aber der schwierige Teil war das Gestalten. Als die erste Fassung endlich fertig war, sollte ich gerade den Probedruck zur Druckerei bringen. Dann hat meine Silbentrennung nicht richtig funktioniert, ich habe etwas am Rechner falsch gemacht und plötzlich war alles weg. Ich musste drei Nächte lang nach dem Dienst alles wieder aufarbeiten, was verloren gegangen war. Dann war das Layout nicht richtig. Also fingen wir wieder von vorne an. Ich hatte zum Glück auch Helfer: meine Schwester hat Korrektur gelesen, mein Schwager – ein Kronstädter - hat die Layout-Änderungen vorgenommen und mein Mann hat mir auch sehr viel geholfen. Vor Weihnachten standen in meinem Haus ein Haufen Kartons mit Zeitungen, Adressenhefte, Überweisungszettel und Briefumschlägen. Nach dem Eintüten und Versenden habe ich über die Feiertage das „Büro Marienburg“ geschlossen und eine wohlverdiente Pause gemacht.
Wir haben auch die vorhandene Homepage der Nachbarschaft (www.marienburg-burzenland.de) neu gestaltet und sämtliche Ausgaben der „Marienburger Nachrichten“ eingescannt und als PDF zur Verfügung gestellt. Mein Schwager fungiert als Website-Administrator und -Programmierer.
Welches sind die anstehenden Projekte?
Was mir sehr am Herzen liegt, ist der Aufbau eines Bildarchivs. Wir wollen das Marienburger Leben in Bildern dokumentieren und schließlich soll dieses Bildarchiv ins Siebenbürgische Institut in Gundelsheim gelangen.
Wie kam es zu dieser Idee?
Ursprünglich wollte ich ein Bildarchiv für mich aufbauen. Ich habe an unsere Kinder und Enkelkinder gedacht. Für meine Enkelkinder versuche ich zurzeit Gedichte, Verse, Sprüche in sächsischer Sprache zu sammeln, sowie Kinderlieder in rumänischer Sprache. Wir möchten, dass unsere Enkel wissen, von wo die Wurzeln ihrer Eltern und Großeltern her sind.
Sind noch viele Marienburger in Deutschland?
Ja, schon. Das Problem in den meisten Gemeinden ist aber, dass es sehr wenige jüngere Mitglieder gibt. Es ist sehr schwierig, ihr Interesse zu wecken, denn die Zeiten haben sich geändert.
Sprechen die jüngeren Generation noch Sächsisch?
Die Frage ist schon, was heißt „jung“? Beim Marienburger Treffen sind wir in meiner Generation fast die jüngsten. Unsere Kinder sind in Deutschland geboren. Meine persönliche Meinung ist, dass sich die meisten trotzdem irgendwann die Frage stellen, wer ihre Großeltern waren und woher sie kamen. Auch wenn man sich der neuen Heimat anpasst und versucht, sozusagen nicht aus der Reihe zu tanzen, ist man doch ganz anders erzogen worden und das gibt man auch weiter. Spätestens wenn die Enkelkinder fragen, wie das in Siebenbürgen war, dann ist es gut, ein Fotoarchiv zu haben. So kann man ihnen zeigen, wie es in Siebenbürgen ausgesehen hat, wie die Oma und die Uroma gelebt haben, wie die Menschen Feste gefeiert, wie sie gearbeitet oder getrauert haben. Das wäre der Grundgedanke für unser Projekt.
Läuft die Arbeit am Projekt gut voran?
Viele Marienburger fragen zu erst, wozu so ein Archiv mit ihren alten Fotos noch dienen könnte. Man muss sehr viel Überzeugungsarbeit leisten. Ich freue mich aber immer, wenn ich einen Brief bekomme, mit ein paar Fotos und den Zeilen „Liebe Nachbarmutter, die Bilder sind für Ihr Archiv“. Oder wenn jemand anruft und mir sagt, er hätte alte Fotos, die vielleicht ins Archiv passen würden. Die meisten sind aber deutschlandweit verstreut, also wird die Arbeit am Projekt noch eine Weile dauern.
Zudem haben wir vor, die Zeittafel aus der Marienburger Chronik zu vervollständigen. Alles was wir in der Familie über Marienburg lesen, wird auf das genaue Datum eingetragen. Archivmaterial gibt es genug, nur muss man auch für diese Arbeit viel Zeit haben.
Wann findet das nächste Treffen der Marienburger statt?
Die Marienburger treffen sich in Deutschland alle zwei Jahre, immer im September. Heuer soll das Treffen am 25. September stattfinden. Die Burzenländer Vertreter treffen sich jährlich im April und besprechen Themen die anstehen, jetzt zum Beispiel die 800-Jahre-Feier seit der ersten urkundlichen Erwähnung des Deutschen Ritterordens im Burzenland. Man stellt fest, dass die Burzenländer über Jahre hinweg noch eine Gemeinschaft sind. Vor allem wenn man das eine oder andere Projekt in der Heimat unterstützen kann, ist es ein schönes Gefühl.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte
Christine Chiriac
Nachbarmutter Brunhild Schoppel-Groza ist nach sieben Jahren wieder auf Besuch in Marienburg.
Foto: die Verfasserin
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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