„Der Ceausescu hatte was mit uns“
23.09.10
Helene Ilkei erzählt aus ihrem Leben
Jetzt, an schönen Herbsttagen, sind kaum freie Plätze an den Bänken im Park zu sehen. Kaum findet man an schönen, sonnigen Tagen noch einen Platz im Schatten - sogar in der Sonne sitzen ältere Leute, Männer und Frauen zusammen, und erzählen ihre Lebensgeschichten. Nicht nur die vielen Farben der Blumen, sondern auch die älteren Menschen, die man gewöhnlich im Park treffen kann, zaubern ein Lächeln auf das Gesicht derer, die vielleicht nur zufällig da vorbeigehen. Alles ist bunt: der Park, die Blumen, die aus verschiedenen Generationen und Nationalitäten zusammengesetzte Runde der Parkbesucher.
Aus dieser bunten Gesellschaft versuchen wir einen Farbfleck hervorzuheben: eine helle, freundliche Farbe, die, trotz ihres Alters, noch immer ganz stark und lebensfroh ist. Es geht um eine Seniorin der sächsischen Gemeinschaft, die aus ihrem Leben erzählt. Mit ihr sprachen HERMINE PAUL und LIA-MARIA TRIF , Studentinnen an der Kronstädter Philologie-Fakultät. Für das Projekt „Alternative Seniorenleben“ zeichneten sie wortgetreu ihre Erinnerungen auf.
„Ich bin die Ilkei Helene und bin 89 Jahre alt. Meine Nationalität ist deutsch ...sächsisch. Aber ich kann nicht sächsisch denn wir haben in Kronstadt gewohnt, und wir haben nicht gehabt, wo sächsisch zu reden. Wo wir zu Freunden gegangen sind, dort haben wir ein wenig sächsisch geredet. Oder der Vater von einem Freund ist zu uns gekommen, dann haben Papa und er sächsisch geredet. Die Mutter hat sächsisch gelernt. Ich hab es verstanden… aber auch das hab ich schon vergessen.
Ich hab in Kronstadt gewohnt, da war ich im Kindergarten, im Blumenauer Kindergarten, dann sind wir in die Schule gegangen, auch in die Blumenauer, bis zur vierten Klasse. Dann in die Honterusschule von der fünften bis zur siebenten Klasse. Und dann hab ich „salut“ gesagt. Schneiderei hab ich danach gelernt. Ich hatte das sehr gern gehabt, immer für die Puppe habe ich Kleider gemacht, als ich klein war. Und so bin ich Schneiderin geworden bis ich 18 Jahre alt wurde. Bis man mich wegbringen wollte. Nach Russland, bis man mich deportieren wollte. Ja, man hat mich weggeschleppt, hier ins Kino… wie heißt da dieses Kino?... Wo die evangelische Kirche da in Blumenau ist... Dort war ein Kino… und dort hat man uns zusammen gesammelt. Zuerst sind sie gekommen, da hat man uns eingeschrieben, dort bei der Polizei oder bei den Russen, ich weiß schon nicht, wer uns eingeschrieben hat, aber sie wussten schon unsere Namen. Wir haben gehört, dass man uns sammelt. Dann, in einer Früh sind sie gekommen, haben ans Tor geschlagen, und um vier Uhr morgens sind sie mit dem Auto gekommen, und haben uns abgeholt. Sie haben uns gesagt, sie bringen uns nach Russland, zur Arbeit. Mich haben sie frei gelassen, weil meine Mama Ungarin war, also ich bin halbe Ungarin. Und dann sind sie einmal gekommen, und haben gesagt: 'Maghiarsky! Maghiarsky!' Dann bin ich heraus gekommen, und da hat man mich versteckt. Na, ich war zwei Wochen versteckt. Ich hatte einen ungarischen Hofierer, und wir wollten heiraten. So war ich auch in größerer Sicherheit. Und dann hat ein Bekannter von der Mutter, der hatte auf der Purzengasse ein Atelier mit Gas und der hat mich in der Früh hingebracht mit dem Józsi und dort hat man uns getraut. Dann sind wir wieder nach Hause gekommen – nicht nach Hause, zu meiner Schwiegermutter – dort bin ich 2 Monate aus dem Haus nicht heraus gekommen, dass man mich nicht gefangen nimmt.
Meine Schwestern sind auch durchgekommen, sie hatten ungarische und rumänische Männer gehabt und sind durchgekommen. Aber viele hat man weggeschleppt… Bei der Rückkehr hat man sie gefragt, wohin sie gehen wollen. Eine wollte nach Ungarn, der andere wollte nach Deutschland. Und dann sind die meisten nach Deutschland gegangen.
Später wollten viele auswandern, wie man alles weggenommen hat: Felder, und alles, und die Menschen hatten schon nicht, was sie arbeiten sollen. Und dann ist so eine, wie sagt man… 'lege' gekommen: wer will, kann auswandern. Dann hat einer angefangen, dann sind alle gegangen.
Wir sind nicht weggegangen. Es war meinem Vater seine Entscheidung. Er hat gesagt, er hat ein Haus gebaut, sehr schwer, und er will jetzt nicht von Neuem anfangen zu bauen, denn er weiß, was das heißt. Und ohne nichts weggehen, und dort wieder anfangen das Leben… Also sind wir da geblieben. Wir wollten nicht weggehen.
Heute bereue ich es, aber was soll ich jetzt machen? So, jetzt wie diese Zeit ist, würde ich wegziehen.
Die Rumänen waren nicht böse oder schlecht mit uns. Sie hatten mit uns nichts gehabt. Auch sie haben bedauert, dass die Sachsen weggehen, denn sie haben gesagt, es waren fleißige Leute. Der Ceausescu hatte was mit uns.
Ich fühl' mich hier zu Haus. Nur dass es manchmal schwer ist, aber arbeiten muss man überall und eine Rente hat jeder. Aber auch mit wenig Rente machen wir schon Einiges. Wir haben im evangelischen Blumenauer Altenheim Seniorentreffen, jede zweite Woche, und dort singen wir, und reden, wir fühlen uns gut mit ein bisschen Kaffee und Tee und Mehlspeise. Auch vom Altenheim sind Leute da. Wir haben dort ein großes Zimmer und vom Altenheim bringt man sie herüber. Und die Deutschen, die Sachsen, machen immer Seniorentreff.
Was ich noch in meinem Alter mache? Kochen, Putzen, was man im Haus tun braucht, ich kann jetzt nicht so… ich weiß nicht was…Und zum Seniorentreffen gehen, dann in die Kirche gehen, jeden Sonntag… Wenn sie Ausflüge machen, dann gehe ich mit…“
Foto: Helene Ilkei hat in ihrem Leben Vieles durchmachen müssen.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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