„Der erste Zug, welcher Sonntag eintraf, war überaus belebt...“
19.05.23
150 Jahre seit dem Anschluß Kronstadts an das Eisenbahnnetz
Heute ist Kronstadt gelegen in der Landesmitte, Eisenbahn- und Straßenknotenpunkt von wo man in alle Landesrichtungen Verbindungen hat. Das war nicht immer so. Zum ersten Mal verkehrte 1825 die Eisenbahn in Europa in England u.zw. zwischen Stockton und Darlington. Der Güterzug wurde von einer Dampflokomotive gezogen die von George Stephenson erfunden und gebaut worden war. Kronstadt erfreute sich erst 1873 des Eisenbahnanschlusses der sich dann relativ rapid ausbreitete und besonderes in den Zwischenkriegsjahren eine besondere Ausdehnung erfahren konnte. 1938 war es der Höhepunkt dieser Entwicklung.
In der „Kronstädter Zeitung“ vom 3. Juni 1873 war zu lesen: „Der erste Zug, welcher Sonntag eintraf, war überaus belebt, aber auch der am selben Tage abgegangene Zug war nicht minder groß, und es mußten, um dem Andrange des Publikums zu genügen, immer neue Wagen in den Zug eingefügt werden. Ebenso ging es gestern. Der Andrang des Publikums in den Bahnhof an beiden Tagen war ein riesiger, und die Bahnverwaltung sah sich genötigt, um diesem Andrang ein Ziel zu setzten, den Eintritt in den Bahnhof nur gegen Entre‘ zu gestatten.“
Der erste Zug traf in Kronstadt am 28. Mai 1873 aus Richtung Schäßburg ein. In den Jahren 1871 – 1873 wurde der Kronstädter Bahnhof errichtet. Dieser befand sich an der Honigberger Straße und hat als solcher Jahrzehnte bis der neue Bahnhof 1962 errichtet wurde, gedient. So mancher der Senioren erinnert sich noch an den alten Bahnhof der zwischen 1905 – 1906 neugestaltet worden ist. Bei dem englisch amerikanischen Bombenangriff auf die Stadt unter der Zinne im April 1944, wurde dieser zum Großteil zerstört und auch Opfer der Flammen. An dessen Stelle wurde ein barackenähnliches Gebäude errichtet das den Fahrgästen dann fast weitere zwei Jahrzehnte dienlich war. Früher hatte Kronstadt auch vier Bahnhöfe. Außer dem Hauptbahnhof gab es noch den für Gütertransport, den in Bartholomä von wo aus die Eisenbahnzüge in Richtung Hermannstadt bzw. Zernescht die vom Hauptbahnhof kamen, verkehren. Auch Suburbiu besteht heute wie nicht mehr. Zur Zeit bestehen in Kronstadt der Hauptbahnhof der am 5.August 1962 eröffnet wurde, der von Bartholomä und der Güterbahnhof Triaj.
Erste Ansätze landesweit
Die erste Eisenbahn wurde 1830 im Banat für den Transport der Kohle gebaut und diente nur als Gütertransport. Am 15. August 1854 wurde die Strecke zwischen Orawitza und Basiasch eingeweiht und diente auch dem Personentransport. Erste Eisenbahnverbindungen gab es auch zwischen Szeged und Temeswar 1857, ab 1858 zwischen Szolnok und Großwardein die dann ausgebaut wurde, und dann über Klausenburg, Schäßburg und schließlich bis Kronstadt führte. Zwischen Bukarest und dem Donauhafen Giurgiu wurde 1869 die Bahnverbindung gesichert. Der Bau der Eisenbahnstrecken wurde meist durch Konzessionen vorgenommen was von König Carol I nach dessen 1866 erfolgten Thronbesteigung untersagt wurde. Beispielsweise betrug der Bau von einem Kilometer Eisenbahnstrecke 1881 zwischen Buzau und Marasesti 90.000 Lei in Gold, statt 310.000 Lei ebenfalls in Gold durch Konzessionierung.
In Kronstadt setzte sich besonderes die Handelskammer für den Anschluß der Zinnenstadt an die Eisenbahnstrecke die von Großwardein über Schäßburg gebaut worden war, ein. Es gab diesbezüglich Einwände gegen den Bau der dann auch über die Karpaten die Verbindung zur Walachei sichern konnte, obwohl Kronstädter Fachleute, Techniker und Ingenieure in Wien lebten, und waren in den Bau von Eisenbahnstrecken impliziert. Bekannt ist Karl Ludwig von Meißner (1809 – 1868), Sohn des Paul Traugott Meißner, einer der ersten Techniker im Eisenbahnbau, ab 1841 Professor der Bauwissenschaft im Braunschweigischen Bauwesen und dann wieder in Wien als Generaldirektor für Kommunikation. In den Jahren 1856/1857 leitete er die Trassierung der Bahnlinie Arad – Kronstadt über Hermannstadt im Auftrag des Bankhauses Rothschild. Doch dabei blieb es. Friedrich Bömches (1829 – 1898) war Ingenieur der österreichischen Südbahn-Gesellschaft und Erbauer des Hafens Trieste. Christian Kertsch (1839 – 1909) war maßgeblich am Eisenbahnbau Bukarest – Galatz und Jassy – Czernowirtz tätig. 1883 kehrte er nach Kronstadt zurück. Die Verbindung durch eine Eisenbahnlinie mit der Walachei war nicht von Interesse für die Österreicher. Daher wurde das Problem mehrmals auch in Wien gestellt u.zw. von dem Vorsitzenden der Kronstädter Handelskammer Carl Maager bis es dann so weit kommen konnte. Die Eisenbahnverbindung wurde dann zwischen Kronstadt und Predeal durch den Tömöschpass gebaut und wurde am 10. Juni 1879 in Betrieb genommen. Diese sicherte dann die Anbindung an den Bau der weiteren Abschnitte bis Ploie{ti und schließlich bis Bukarest. George Bari]iu, Direktor der Papierfabrik von Zernescht und Johann Gött damaligen Vorsitzenden der Kronstädter Handelskammer waren 1847 Mitglieder einer Kronstädter Delegation die in Wien sich für die Förderung einer Eisenbahnlinie durch Siebenbürgen mit Verbindung zu der Walachei einsetzten.
Eisenbahnnetz ausgebaut
Weitere Eisenbahnstrecken wurden nach Zernescht gebaut und am 6. Juni 1891 in Bettrieb genommen. Diese sicherte die Verbindung der Ortschaften Neustadt, Rosenau, Tohanul-Vechi mit Zernescht. Außer den Pendlern die da durch die Entwicklung der Wirtschaft Arbeitsplätze in den da befindlichen Betrieben fanden, trug der Verkehr aus zur Entwicklung des Tourismus bei. Besonders der Gütertransport entwickelte sich stark, da besonderes Holz nach Zernescht für die Papier- bzw. Zellulosefabrik transportiert wurde. Ebenfalls 1891 wurde die Eisenbahnstrecke von Kronstadt nach Tg. Secuiesc in Betrieb genommen. Die 76 km lange Eisenbahnlinie sicherte vor allem Personentransport mit dem ungarischen Gebiet.
Einschließlich im Kronstädter Stadtgebiet wurde eine mit Dampf betriebene Bahn eingeführt. Der Bau begann 1891 und wurde am 7. März 1892 in Betrieb genommen. Diese sicherte die Verbindung zwischen Bartholomä, hatte die Trasse durch die Lang- und Klostergasse bis zum Marktplatz, dann durch die Brunnengasse, der Noa bis Sacele. Für den Bau dieser Bahn wurde 1890 das Klostergäßertor abgetragen.
Die Entwicklung des Eisenbahnnetzes hat zu dem wirtschaftlichen Aufschwung landesweit beträchtlich beigetragen, hat den Transport der Passagiere nicht nur zwischen den Ortschaften gelegen an den Bahnlinien gesichert, aber auch jenseits der Landesgrenzen gefördert. In diesem Kontext mußten auch ständig Modernisierungs- und Konsolidierungsarbeiten vorgenommen werden. Neue Bahnhöfe entstanden, ganze Strecken der Eisenbahnlinien wurden verlegt. Durch den Bau des neuen Kronstädter Zentralbahnhofes der 1962 eröffnet worden ist, wurden die Eisenbahnlinien an den Stadtrand verlegt, die ehemalige Haltestelle Suburbiu wurde aufgelöst. Auch in Bartholomä wurde ein neuer Bahnhof gebaut der 1967 eröffnet worden ist.
Nach der Wende von 1989, ist im Lauf der Jahre der Eisenbahntransport vernachlässigt worden, ein Großteil des Personentransportes wie auch der Güter wurde auf das Straßennetz verlegt. Mit den stattgefundenen Privatisierungen sind auch in den Eisenbahntransport private Unternehmer eingestiegen, die zentrale Eisenbahngesellschaft CFR wurde in mehrere unabhängige Bereiche gespalten. Die erforderlichen Investitionen vor allem in die Konsolidierung der Infrastruktur, der Eisenbahnlinien, des Tunnelbaus, der Konsolidierung der Brücken, der Anschaffung neuer Reisewagen und moderner Lokomotiven sind zum Großteil ausgeblieben. Somit sind auch die in den letzten Jahren stattgefundenen Eisenbahnunfälle zu erklären die Menschen und Warentransport in Gefahr brachten.
Ausführliche Analysen und Dokumentationen über die Entwicklung der Rumänischen Eisenbahngesellschaft CFR seit deren Anfang bis zur Gegenwart, hat der Eisenbahnhistoriker Dipl.-Ing. Radu Bellu geboten, der fast 60 Jahre in der Kronstädter Eisenbahnregionale tätig war. Er ist der Autor einer in sechs Bänden erschienen Geschichte der rumänischen Eisenbahn, einer über die Dampflokomotiven, einer über die Eisenbahntunnels, über stattgefundene Unfälle, einschließlich auch über die Forsteisenbahnen. Desgleichen hat er eine diesbezügliche illustrierte Enzyklopädie veröffentlicht.
Ansätze zur Einrichtung von Eisenbahnmuseen gab es, doch bisher ist es bei dem neben dem Nordbahnhof in Bukarest geblieben. Einen besten Standort für eine derartige Einrichtung wäre der Bahnhof Bartholomä von Kronstadt gewesen, doch blieb es bei dem Vorhaben. Da hätten auch ehemalige Dampf- und Diesellokomotiven, Waggons ausgestellt werden können. Das Bahnhofsgebäude hätte erweitert werden können um die Geschichte der Eisenbahn darzustellen wie auch deren Entwicklung wie beispielsweise die Elektrifizierung der Eisenbahn, die erstmals auf der Strecke Kronstadt – Predeal 1965 eingeführt worden ist. An den ehemaligen Kronstädter Hauptbahnhof erinnert zur Zeit nur noch ein Gebäude von dem aus der ganze Verkehr in der Eisenbahnregionale geleitet wurde, kürzlich modernisiert worden ist und in architektonischer Beleuchtung erstrahlt. Auf dem Gelände der ehemaligen Gleise ist ein Neubauviertel Anfang der 60er Jahre errichtet worden das nun durch weitere Blockbauten an Stele der Eisenbahnreparaturwerkstatt zum Unmut der Bewohner erweitert werden soll.
Dieter Drotleff
Foto: Der alte Bahnhof befand sich an der Honigberger-Straße, wurde 1902 – 1904 gebaut. Beim Bombenangriff 1944 wurde dieser fast völlig zerstört. Ein provisorisches Gebäude wurde bis zum Bau des neuen Bahnhofes errichtet.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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