Der Pflanzen-Detektiv
24.06.21
Interview mit Landschaftsarchitekt Christian Voinescu
Die Absolventen des Honterus-Lyzeums arbeiten heute, in der ganzen Welt verstreut, in allen denkbaren Bereichen- unter ihnen sind Star-Musiker, Informatiker, Top-Manager, Politiker, Schriftsteller, anerkannte Ärzte oder Architekten. Ob in London, Abu-Dhabi, Wien, Berlin, New York, Bukarest oder Kronstadt- die meisten von ihnen denken gerne an ihre gemeinsame Schulzeit zurück. In der Karpatenrundschau werden wir in den nächsten Monaten einige der ehemaligen Honterianer vorstellen, die heute eine erfolgreiche Karriere haben. Falls Sie auch jemanden kennen, der das Honterus-Lyzeum absolviert hat und sich in seinem Bereich bemerkbar gemacht hat, können Sie uns gerne ihre Vorschläge auf kronstadt@adz.ro zusenden. Wir freuen uns auf jede Idee!
Mit ihren zarten Blüten und wachsenden Blättern erfreuen die vier Setzlinge, die vor wenigen Wochen am Honterushof gepflanzt wurden, die Fußgänger: zwei Linden, ein Rotahorn und ein Kirschapfel. Der ehemalige Honterianer, Landschaftsarchitekt Christian Voinescu, hat diese Bäume, unter Beratung mit den beiden Architekten Johannes Bertleff und Domnica Visan ausgewählt. Der ehemalige Berater im Bereich Management der Landschaftsarchitektur beim Kronstädter Bürgermeisteramt hat auch bei der Umgestaltung der Fußgängerzone im Ragadotal, die zwischen 2018 und 2020 erneuert wurde, mitgewirkt. Über seine breit gefächerte Arbeit und über seine vielseitigen Projekte spricht der Diplom-Inginieur, Absolvent der Bukarester Fakultät für Gartenbau, mit der Spezialisierung: Landschaftsarchitektur mit KR-Redakteurin Laura Capatana Juller.
Als Landschaftsarchitekt befasst du dich mit der Gestaltung von unbebauten Außenflächen in und außerhalb von Städten. Was bedeutet das konkret?
Wenn wir von Stadterneuerung sprechen, erfordern die öffentlichen Räume eine Landschaftsplanung. Innerhalb der Städte gibt es Projekte in unterschiedlichen Größenordnungen. Der Landschaftsarchitekt ist für die Gestaltung der Baumausrichtungen entlang der Straßeninfrastruktur, für die gemütlichen Aufenthaltsplätzen, die beliebten Fußgängerzonen und Promenaden, bis hin zu den Stadtparks zuständig.
Du warst Berater beim Bürgermeisteramt, arbeitest mit der Schwarzen Kirche zusammen, hast landesweite Kooperationen mit Unternehmen, entwickelst aber auch Projekte für Privatpersonen. Welche Herausforderungen kommen bei dieser vielfältigen Tätigkeit auf dich zu?
Das Projekt in höchster Qualität zu liefern ist für mich das wichtigste. Entscheidend ist, inwieweit ich sowohl die Vision des Begünstigten erfüllen und auch die Standortbedingungen berücksichtigen kann. Gleichzeitig geht es darum, das zu tun, was ich am meisten liebe, nämlich kreativ sein und wettbewerbsfähig zu arbeiten.
Woran richtest du dich bei der Auswahl der Projekte, die du annimmst?
Ein klarer Dialog zwischen dem Begünstigten und mir ist immer erwünscht. Solange ich die Anforderungen der Begünstigten in einem kreativen Prozess erfüllen kann, nehme ich das Projekt an. Ich strebe meist nach einem interessanten Dialog zwischen Innen- und Außenraum, nach visuellen und kulturellen Beziehungen, die einen Außenraum größer erscheinen lassen als er tatsächlich ist. Für alle Projekte ist das meine Herangehensweise.
Welche Projekte fordern dich heraus?
Eine große Herausforderung sind die historischen Gärten. Eine Neugestaltung, die beispielsweise die Wiederherstellung der ehemaligen Achsen und Alleen vorsieht, ermöglicht es den Besuchern die Raumverhältnisse und Aussichten vergangener Zeiten zu erleben. Die gleichen Baumarten wie im ursprünglichen Konzept zu benutzen erfordert für mich eine detaillierte Suche in Baumschulen aus dem In- und manchmal sogar aus dem Ausland. Pflanzen-Detektivarbeit habe ich immer gemocht.
Wie dynamisch ist die Freiraumplanung?
Eine Stadt, die auf „Grün“ setzt, setzt automatisch auf Lebensqualität und nachhaltigem Wachstum. Betrachtet man die Grünflächen als eine wahre Infrastruktur, bedeutet es, dass diese geplant, gebaut und bürokratisch geregelt werden müssen. Die grüne Strategie einer Stadt soll als Regelung innerhalb des Flächennutzungsplans (Plan Urbanistic General – PUG) wirken. Auch wenn es im Zentrum zu eng zum bepflanzen wird, findet man immer genügend Platz neue Grünflächen zu schaffen, wo man jetzt intensiv und dicht baut. Das sind Ideen, die ich während meiner Tätigkeit beim Bürgermeisteramt erarbeitet habe und die hoffentlich nicht für die Schublade erdacht worden sind. Das Bürgermeisteramt ist verpflichtet die Projekte zur Stadtbegrünung zu unterstützen und zu begleiten.
Welche Materialien benutzt du, außer Pflanzen?
Holz, Stein und Metall sind die „Rohstoffe“ aus denen ich Zäune, Pavillons, Pergolas entwerfe. Zurück zur Pflanzen: mir ist wichtig, dass auch einheimische Pflanzen Teil der geplanter Pflanenauswahl sind. Es freut mich sehr, wenn die Blütenstände gerne von Bienen, Hummeln oder Schmetterlinge besucht werden. Ausser der guten Tat, entsteht dort ein pflegeleichtes, robustes Stückchen Natur. Synthetische Hilfsmittel gegen Schädlinge kenne ich gar nicht. Ich sorge mich eher darum, dass sich Insekten und Vögel von den Pflanzen angezogen fühlen. Andererseits schließe ich bestimmte Pflanzenarten von Anfang an aus, da sie von Schädlinge schwer betroffen werden können. Hier erwähne ich die Buchse (Buxus sempervirens), Thuja sp. oder die Ulme (Ulmus).
Was musst du bei deiner Arbeit beachten?
Als Gestalter der Landschaft bin ich sehr aufmerksam, wie verschiedene Pflanzen am besten zusammenwachsen, wie die Individuen einer bestimmten Art den Platz ausfüllen und im Laufe der Zeit ineinander wachsen. Die Verhältnisse, die unter den Pflanzen entstehen, sind mir wichtig geworden. Ein anderer Grundsatz meiner gestalterischen Arbeit ist, dass die Pflanzung so in den Raum gesetzt werden, dass sie zu jeder Jahreszeit ästhetisch wirkungsvoll wirkt. Mein Schwerpunkt bleiben die Sommerblüher, aber ich möchte auch im Frühjahr oder Herbst Blühendes sehen. Der Garten soll rund ums Jahr für sich sprechen.
Inwieweit hat die Natur Einfluss auf deine Arbeit und inwieweit kannst du die Natur beeinflussen?
Je mehr Kenntnisse man über die lebendige Welt erwirbt, desto feiner werden die Details, mit denen man arbeitet. In letzter Zeit bin ich auf die aufdringliche Pflanzen aufmerksam geworden. Bei jeder Wanderung, die ich in der Umgebung unternehme, bemerke ich, dass gebietsfremde, eingebürgerte Pflanzenarten, die sogenannten Neophyten, sich auf Kosten einheimischer Arten an Boden gewinnen ausbreiten. Staudenknöterich (Fallopia japonica) und die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis) sind nur zwei Beispiele, die die heimische Flora verdrängen. Solche Pflanzen müssen raus aus dem Garten.
Kronstadt ist umgeben von Grün, nichtsdestotrotz ist die Luftverschmutzung sehr hoch. Die Gründe sind bekannt. Wie könnte man das ändern?
Unsere hügelige Landschaft hat einen Gestaltungs-Bonus, im Vergleich zu anderen flachen Städten. Gleichzeitig wirkt sie aber auch als Magnet für chaotische Bauten. Die Stadt boomt und jetzt muss gehandelt werden. Abhilfe kann weiterhin von Bäumen kommen - ein weiteres Argument für die Begrünung der Stadt. In den Monaten als Berater im Bereich Management der Landschaftsarchitektur des Kronstädter Bürgermeisteramts habe ich unter anderen eine Empfehlung in Form eines Handbuches zur Baumauswahl formuliert. Fünf Baumarten eignen sich besonders für die Reduktion von Feinstaub. Diese sind: die Linde (Tilia sp.), der Ginkgobaum (Ginkgo biloba), der Spitzahorn (Acer platanoides), die Esche (Fraxinus excelsior ) und die Roteiche (Quercus rubra). Nicht zu vergessen ist das schon vorhandene Pflanzen-Erbe, das aber eine richtige Pflege braucht!
Woran arbeitest du derzeit?
Neulich wurde ich beauftragt, die Blumenkasten am Kronstädter CH-9 Kaffeehaus zu beleben. Hier überleben nur Pflanzen die an ihrem Naturstandort große Hitze, hohe UV-Strahlung, starke Winde und tiefe Minusgrade gewohnt sind. Diese waren meine ersten Kriterien zur Auswahl der Strauch- und Staudenarten. Danach folgte ein klares Farbkonzept: Dunkelgrün und hellgelbes Laub zusammen mit lila Blüten werden gut im Kontrast mit dem Kieselstein des Schulhofes wirken. Vinca minor, das kleine Immergrün, eine prächtige, von mir beliebte einheimische Pflanze, ist ab jetzt auch dort zu betrachten.
Erzähl unseren Lesern eine nette Erinnerung aus deiner Schulzeit.
Es ist schwer, sich nur für eine zu entscheiden, aber ich erinnere mich, dass ich in der 4. Klasse eine Raupe in einer Tic-Tac-Box zur Schule brachte. Die zarte, jedoch hoch energische Kreatur, ist für einen Teil der Klassenkollegen rasch zur Attraktion der Pause geworden. Die Hauptaufgabe der Larve besteht darin, zu fressen und zu wachsen, das wussten wir bescheid, da mehrere von uns sich damals für die Natur interessiert haben. Es schien das tollste Haustier, das die wenigste Pflege in Anspruch nahm, für uns. So begannen wir alle Blattarten aus dem Schulhof zu pflücken und der Raupe zu schenken. Dafür kletterten wir die Bäume hoch. Wir dachten uns, dass sie vielleicht nur die helleren jüngeren Blätter mag. Doch kein Erfolg, sie ignorierte alle Blätter. Entlang der Graft fanden wir die Brennessel. Einer von uns hat sich gewagt sie zu pflücken und das Insekt zu füttern. Das Jucken und Brennen wurde bald vergessen als Raupi zu fressen begann.
Soweit ich zurückdenken kann, hat mich alles Lebendige, was mich umgab, fasziniert und begeistert. Ich erinnere mich gerne daran, sowie an die Tagesausflüge in die Natur, die häufig von der Schule organisiert wurden. Das alles hat mich geformt, geprägt.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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