Deutsche Armeeangehörige im Ersten Weltkrieg
09.04.09
Wie deutsche Armeeangehörige im Ersten Weltkrieg Rumänien erlebten (V)
Vor 93 Jahren trat Rumänien in den Krieg gegen die Mittelmächte ein / Von Dr. Michael Kroner
Zwei Tage später hatte Heß bereits Bukarest erreicht: „Nun bin ich doch glücklich in Bukarest eingezogen, wenn auch nicht so, wie ich es mir gedacht habe. Wir kamen gestern mit dem Zug hier an. Der erste Eindruck, den man am Nordbahnhof von der Stadt gewinnt, ist recht schlecht: kleine Häuser nach Araberart, geschmacklose Plakate usw. Eine Pferdebahn wie in den 'Fliegenden Blättern'. Weiter dem Zentrum zu ist es aber ganz großstädtisch mit breiten Straßen, ornamentalen öffentlichen Gebäuden, großen Hotels, modernen Elektrischen. Das Leben in der Stadt macht keinen außergewöhnlichen Eindruck, die vielen Offiziere und Mannschaften in deutscher Uniform geben sogar ein heimatliches Bild... Heute hab ich Mackensen gesehen. Er ging mit ein paar hohen Offizieren etwa einen Schritt von mir vorbei. Er sieht ausgezeichnet aus, von Gesundheit strotzend, der weißbärtige Alte..."
Heß konnte nicht lange in Bukarest verweilen. Am 5. Januar 1917 stand er schon wieder an der Front dem Feind gegenüber: „Ich wollte nur, Ihr könntet mich oft sehen, wenn Ihr mich in den schlimmsten Gefahren glaubt. Wenn Ihr vielleicht die Granaten um mich einschlagen seht, in kalter Nacht im Freien, bin ich quietschvergnügt wie heute, in warmer Stube, der Feind kilometerweit fort. Er ist froh, daß wir nicht gleich nachrennen und ihm auch mal etwas Ruh gönnen. - Wie die meisten rumänischen Bauernzimmer ist auch dieses recht sauber. Die Wände weiß gekalkt, die Decke aus Balkenwerk und rot gestrichen, der Boden saubergekehrter Lehm. Rings an den Wänden Holzlager nach Art des arabischen Diwans, Strohmatten darauf. Eine Truhe, ein Wandschrank, weniges Hab und Gut darin. Ein gemauerter Ofen, wie unsere Kachelöfen in der Ecke, davor ein kleiner Herd. Der Ofen ist meist vom Vorraum aus heizbar. In der Mitte ein Tisch, saubergehalten. Ein Heiligenbild an der Wand. Das ist die ganze Zimmereinrichtung. Von Ungeziefer ist selten etwas zu merken. Die Einwohner haben sich außerhalb eine Art Unterstand gebaut; denn wir brauchen den Platz hier. Die Leute sind recht angenehme, biedere Menschen, schmale, hübschgezeichnete Gesichter, eine feine Nase. Sie sind uns oft behilflich, scheinen unser Dasein als selbstverständlich zu betrachten..."
Am 30. März kommt Heß wieder auf das Leben an der Front zu sprechen: „Der große Augenblick des Tages ist, wenn gegen Abend die Maultiere mit der Verpflegung kommen. Abends wird das warme Essen abgegeben: Nudel-, Grießsuppe mit einem großen Stück Rindfleisch, oder es gibt sogenannten 'Drahtverhau', Büchsenfleisch mit Kartoffeln, sehr gut. Dazu kommen die 1000 gr. Brot für den Tag..." Im August wurde Heß durch einen Schulterschuß verwundet und kam in ein Lazarett.
Einem bayerischen Landsturmregiment der 89. Infanteriedivision gehörte der Arzt und Dichter Hans Carossa an. Er hat seine Erlebnisse in Siebenbürgen und Rumänien in dem „Rumänischen Tagebuch", das verschiedene Ausgaben und Auflagen erlebte, und in dem Buch „Führung und Geleit" (Leipzig,1933) dichterisch verarbeitet, wobei er als Arzt besonders von dem Leid der Verwundeten beeindruckt war.
Rückzug mit Aufenthalt in Hermannstadt
Noch bevor Deutschland den Waffenstillstand am 11. November 1918 in Compiegne unterzeichnete, musste die deutsche Armee den Abzug aus den besetzten Gebieten beginnen, weil die Alliierten das zur Vorbedingung von Waffenruhe gemacht hatten. Berlin und Wien mussten sich am 12. Oktober zum Rückzug bereit erklären. Das fiel besonders den in Rumänien stationierten Einheiten schwer, da sie sich als Sieger betrachteten. Mackensen sträubte sich zunächst, die, wie er meinte, „im ehrlichen Waffengang eroberten Gebiete" zu räumen. Die Oberste Heeresleitung gab zudem Order, die Walachei wegen der Erdölversorgung möglichst lange zu halten. Nachdem jedoch Bulgarien (30. September), die Türkei (14./15. Oktober) und Österreich-Ungarn am (3. November) separate Waffenstillstandsabkommen mit der Entente geschlossen hatten, war die Situation für die deutsche Armee in Rumänien unhaltbar, zumal sie auch das Gebiet der Habsburgermonarchie innerhalb von 14 Tagen zu verlassen hatte. Am 4. November erklärte sich Mackensen bereit, die Räumung zu vollziehen. Dazu forderte auch die am 6. November neugebildete rumänische Regierung unter General Coand² ultimativ auf. Mehr noch, sie erklärte den Waffenstillstands- und Friedensvertrag mit den Mittelmächten von Buftea und Bukarest ungültig und betrachtete sich wieder im Kriegszustand mit Deutschland. Es kam aber zu keinen Kriegshandlungen mehr. Sobald ein Gebiet von Deutschen geräumt war, rückten nach 24 Stunden rumänische und französische Truppen nach.
Die allgemeine Räumung Rumäniens durch die deutsche Armee begann in der Nacht vom 10. zum 11. November.
(Fortsetzung folgt)
Soldaten der Mittelmächte in der Kronstädter Klostergasse
Foto: Internet
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