Die Elektrifizierung Heldsdorfs
05.11.09
Das Elektrizitätswerk – eine technische Meisterleistung(I)
Wenn man die Energieversorgung Heldsdorfs im Laufe der Zeit, aus heutiger Sicht betrachtet, so hat es Entwicklungen gegeben, wodurch sich Heldsdorf von den Nachbargemeinden unterscheidet.
Im Jahre 1908 wurde die HEWAG (Heldsdörfer Elektrizitätswerk Aktien Gesellschaft) mit dem Zweck gegründet, die erforderlichen Geldmittel für den Bau eines Elektrizitätswerkes zu beschaffen. Aktienzeichner waren fast ausschließlich Heldsdörfer, auch auswärts wohnende, wodurch es eine der ersten Volksaktiengesellschaften wurde. Durch die Aktiengesellschaft konnte der Betrag von 103.000 ungarischen Goldkronen bereitgestellt werden. Der Rest von 250.000 ungarischen Goldkronen wurde als Kredit von der Kronstädter Allgemeinen Sparkasse aufgenommen, die damals das größte sächsische Geldinstitut und auch die erste Bank auf dem Balkan war. 1908/1909 wurde das Elektrizitätswerk gebaut, wodurch Heldsdorf nach Zeiden als zweite Burzenländer Gemeinde ein solches hatte. Im Gründungsakt war vorgesehen, das Unternehmen nach 30 Jahren der evangelischen Kirchengemeinde zu überlassen. Die ganze Aktion war aber nur durch die Aufgeschlossenheit der Heldsdörfer möglich. Dieses fällt umso mehr ins Gewicht, da es etwas ganz Neues war. Man konnte nicht in die nahe gelegene Stadt oder auf ein anderes Dorf fahren, um sich von den Eigenschaften des elektrischen Stromes zu überzeugen. Dieses Mal sollte es umgekehrt sein!
Den geografischen Gegebenheiten zufolge kam nur ein Laufwasserkraftwerk in Frage mit einer Francis-Turbine (geringes Gefälle, große Durchflussmenge). Vom technischen Standpunkt aus betrachtet, hätte das Kraftwerk, wo immer entlang des Neugrabens, auf Heldsdörfer Hattert, gebaut werden können. Wirtschaftlich gesehen wäre der Standort mitten im Dorf, wie es Zeiden tat, oder in Verbindung mit der ehemaligen Mühle gegenüber dem Volksbad, ideal gewesen. Hier gehörte das Wassernutzungsrecht der politischen Gemeinde und dadurch hätte diese Mitspracherecht und Beteiligung an der AG haben müssen. Dieses wollten die Heldsdörfer nicht, obwohl damals Thomas Hermel Bürgermeister und Georg Nikolaus Notär waren. Diese standen im Dienste des ungarischen Staates. Rein völkische Überlegungen bestimmten letztlich die Platzwahl. Der Standort wurde auf eigenem Grund der evangelischen Kirchengemeinde, an der Marienburger Straße etwa 500 m unterhalb des Dorfes festgelegt. Der Grundbesitz, auf dem die Anlagen gebaut wurden, wurde im Grundbuch nicht auf die AG übertragen, dafür erhielt die Kirchengemeinde von den 103 Aktien 6 Stück. Angeblich soll es auch einen Gedankengang gegeben haben, den Hechtbach (Homorodbach) zwischen Neudorf/Satu Nou und Schnakendorf/Dumbr²vi]a aufzustauen und das Kraftwerk hier zu bauen. Durch den enormen finanziellen und Arbeitsaufwand wurde die Idee schnell verworfen.
Nachdem die Platzwahl entschieden war, musste eine zweite Entscheidung getroffen werden. Diese war von technischer Natur und viel schwieriger als die erste. Es ging um die Stromart, die im zukünftigen Elektrizitätswerk erzeugt werden sollte: Gleichstrom oder Wechselstrom. Der Bau von Kraftwerken und die Elektrizität überhaupt steckte damals noch in den Kinderschuhen. Es kann aber auch nicht gesagt werden, dass Gleichstrom mehr entwickelt war als Wechselstrom, denn Zeiden baute vor Heldsdorf sein E-Werk und die setzten auf Wechselstrom.
Von Anfang an waren die Meinungen geteilt. Der überwiegende Teil der Führung der AG war für Gleichstrom, während eine andere Gruppe, angeführt von Johann Hermel sen. (485/417) sich hartnäckig für Wechselstrom einsetzte. Hermel wusste ganz gut, dass nur Wechselstrom umformbar (transformierbar) ist und dadurch mit weniger Spannungsverlusten zum Verbraucher befördert werden kann, vor allem da nun, bedingt durch den gewählten Standort, die Erzeugung ziemlich weit von den Verbrauchern lag. Es wäre damals technisch durchaus möglich gewesen, mit erhöhter Spannung bis etwa in die Dorfmitte zu fahren, um dann von hier die Verteilung mit Verbraucherspannung weiterzuführen. Die Spannungsverluste wären geringer gewesen und was damals nicht vorausgesehen werden konnte, dass dieses Verteilungssystem später ausbaufähig gewesen wäre. Leider konnte sich Johann Hermel nicht durchsetzen und es wurde für Gleichstrom entschieden. Damit war eine technische Fehlentscheidung getroffen worden, die Folgen haben wird. Die Entscheidung für Gleichstrom wurde weniger aus Unkenntnis getroffen, sondern vielmehr aus Angst vor dem Strom. Angeblich soll es damals irgendwo einen tödlichen Unfall durch Elektrisieren gegeben haben. Gleichstrom, wie er in Heldsdorf eingeführt wurde, war nicht unbedingt lebensgefährlich bei Berührung.
Die Bauarbeiten dauerten zwei Jahre (1908/1909). Das Gebäude musste errichtet werden, die Schleuse, der Zuleitungskanal zur Turbine (Oberkanal), der Ableitungskanal nach der Turbine (Unterkanal) und es musste das Leitungsnetz gebaut werden. Ein enormer Arbeitsaufwand, der mit viel Einsatz der Heldsdörfer bewältigt wurde. Im selben Jahr wurde auch das Volksbad errichtet! Die beiden Kanäle (der Unterkanal war 1300 m lang) mussten gegraben werden und damals gab es noch keine Bagger! Hier war reichlich Schotter vorhanden, der für den Ausbau genutzt wurde. Der Oberkanal wurde am Grunde betoniert und die Seitenwände mit Zementplatten ausgelegt. Wer die hydrotechnische Anlage plante, ist nicht bekannt. Die Anlage war so genial durchdacht, dass wenn man sie heute bauen sollte, man auch nicht viel anders verfahren würde.
(Fortsetzung folgt)
Karl-Heinz Brenndörfer
Foto: Alte Postkarte mit dem Heldsdorfer Elektrizitätswerk.
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