Die Große Glocke der Schwarzen Kirche
26.03.09
wird 150 Jahre alt (I)
Einer der Glockengießer: Ephraim Andraschowski / Von Gernot Nussbächer
Die KR Nr. 48 vom 4. Dezember 2008 berichtete, daß die Große Glocke der Schwarzen Kirche in Kronstadt vor 150 Jahren gegossen wurde. Die Leitung der Honterusgemeinde hat beschlossen, das 150-jährige Jubiläum der Glockeneinweihung am 27 März 1859 durch eine Festlichkeit am 27. März 2009 und durch einen Bildvortrag im Gemeinderaum am 31. März 2009 zu begehen, desgleichen sollen Turm- bzw. Glockenführungen angeboten werden.
Rechtzeitig zu diesem Jubiläum ist auch die reich illustrierte Broschüre über die Bronzegegenstände in der Schwarzen Kirche erschienen, die das Taufbecken und vor allem die drei Glocken der Kirche vorstellt (vgl. KR Nr. 9 vom 5. März 2009). Ebenso soll eine Gedenkpostkarte vom „Foton"-Verlag herausgebracht werden und vom „Aldus"-Verlag ein Faltbogen über die Glocken.
Die wichtigsten Angaben zur wechselvollen Geschichte der Großen Glocke sind schon
im Artikel aus dem Dezember 2008 enthalten und sollen deshalb nicht wiederholt werden. Inzwischen konnten wir den Artikel des verdienstvollen langjährigen Kronstädter Stadtarchivars Friedrich Stenner (1851 - 1924) in der „Kronstädter Zeitung" Nr. 11 vom 14. Januar und Nr. 14 vom 17. Januar 1919 einsehen „Die große Glocke auf dem Turm der ev. Stadtpfarrkirche in Kronstadt". Hier sind noch einige zusätzliche Angaben über den Glockenguß von 1858 zu finden. Wir zitieren daraus:
„Im Frühsommer 1858 war der zu diesem Zweck von Klausenburg berufene Meister Johann Andraschofsky mit seinen Söhnen und Neffen herübergekommen, um Hand anzulegen an das große Werk. Wie einstens beim Guß der alten Glocke im Jahre 1841 war auch diesmal vor dem Klostergässer Tor in der Nähe des Friedhofs die Gußhütte mit dem großen Ofen erbaut worden.
Endlich am Abend des 21. November 1858 waren die Vorbereitungen soweit gediehen, daß unter dem Ofen Feuer gelegt werden konnte, das die ganze Nacht über unterhalten werden mußte. Andern Tags am 22. November morgens 9 Uhr konnte Meister Andraschofsky sein Werk beginnen. Vor dem Guß aber hielt der greise Stadtpfarrer Christoph von Greißing an die zahlreich versammelter Bürgerschaft eine ergreifende Ansprache und flehte den Segen des Himmels herab auf das beginnende Werk. Dann wurde der Zapfen ausgestoßen und binnen fünf Minuten ergoß sich in glühendem Strome die flüssige Glockenspeise in die festgemauerte Form so regelmäßig, daß alle Sachverständigen das Gelingen des Gusses für gesichert erklärten."
Wie schon berichtet, wurde dann am 11. Dezember 1858 die Glocke in die Kirche gebracht und nach dem 20. Dezember auf den Turm gezogen. Im Januar 1859 wurden dann die ersten Läuteproben durchgeführt und auf Grund des Beschlusses der größeren Gemeindevertretung vom 23. März 1859 die Glockenweihe am Sonntag, dem 27. März 1859 durch den Stadtpfarrer Christoph von Greißing vollzogen.
Weitere Angaben können wir über den in der Glockeninschrift an letzter Stelle genannten Neffen Ephraim des Meisters Johann Andraschofski mitteilen, der sich nach dem Glockenguß in Kronstadt niederließ. (Der Name wurde in verschiedenen Varianten geschrieben).
Im Familienbesitz seiner Nachkommen befindet sich das am 30. April 1852 vom Koloser Bezirksamt in Klausenburg ausgestellte Wanderbuch für den Glockengießergesellen Efraim Andrasowski, der sich aber Ephraim Andraschofski unterschreibt. Das Wanderbuch war damals eine Art Reisepaß für die Handwerksgesellen, die sich auf Wanderschaft begaben, um Berufserfahrungen zu erwerben. Als Geburtsort von Ephraim Andraschowski wird Klausenburg angegeben, fürs Geburtsjahr ist „21 Jahre alt" eingetragen. Aus seiner Personenbeschreibung erwähnen wir noch, daß er braune Haare und blaue Augen hatte, als besonderes Kennzeichen eine kleine Wundnarbe oberhalb des rechten Auges.
Schon am 1. Mai 1852 reiste der junge Andraschowski nach Pest, wo er vom 9. Mai bis zum 20. Juni beim Glockengießer Andreas Schalidt oder Schaudt „zur Zufriedenheit" arbeitete.
Von Pest reiste Andraschowski nach Ödenburg, heute amtlich Sopron, wo er vom 29. Juni 1852 bis zum 4. Juni 1855 bei dem bekannten Glockengießer Friedrich Seltenhofer, ebenfalls „zur Zufriedenheit", arbeitete.
Vorher war er noch im April 1855 wieder in seiner Heimatstadt Klausenburg, wo man ihm die definitive Untauglichkeit zum Militärdienst bescheinigte und die Gültigkeit des Wanderbuches um zwei Jahre verlängerte.
Die nächste Station nach Ödenburg war Wien, wo er aber fast einen Monat im Krankenhaus zubrachte. Im Juli 1855 reiste er dann von Wien nach Pest und von dort nach Klausenburg, wo er bis März 1856 beim Glockengießer Daniel Andraschowsky wieder „zur Zufriedenheit" arbeitete
Der nächste Aufenthaltsort war dann Kronstadt, wo er Ende März 1856 anlangte und im Juni 1857 wieder nach Hause nach Klausenburg zog. Hier lernte der junge Andraschowski die Glockengießerwerkstatt des am 17. April 1855 gestorbenen Meisters Albert Gottschling kennen, der 1839 die heutige Mittlere Glocke für die Schwarze Kirche gegossen hatte. Die Werkstatt wurde von seiner Witwe Leontine Ludovica geborene Gräf (1819 - 1904) geleitet, die sich im Jahre 1858 ebenfalls darum bewarb, die neue Große Glocke der Schwarzen Kirche zu gießen.
Am 2. August 1858 wurde das Wanderbuch des Ephraim Andraschowski für die Reise nach Kronstadt vidiert, deren Ergebnis der Guß der Großen Glocke am 22. November 1858 war, wo der Name des Neffen Ephraim Andraschofski an letzter Stelle unter den am Guß Beteiligten erscheint.
Aus dem Familienstammbaum erfahren wir, daß Johann Ephraim Andraschowsky am 4. Dezember 1830 in Klausenburg geboren wurde, als Sohn des Kupferschmiedes Samuel Andraschofsky ( 1799 - 1856) und seiner Ehefrau Julianne, geborene Dalchau (1804 – 1885).
Noch bevor die Große Glocke eingeweiht war, ersuchte Ephraim Andraschofsky am 27. Januar 1859 den Kronstädter Stadt-Magistrat um den „Eheconsens", der ihm am
3. Februar 1859 erteilt wurde. Die Trauung von Ephraim Andraschofsky mit Leontine Ludovica geborene Gräf und verwitwete Gottschling fand zwei Wochen später am 18 Februar 1859 statt und am 27. Februar 1861 wurde ihnen die Tochter Leontine geboren.
Im „Adressen-Buch der Stadt Kronstadt" für die Jahre 1860 und 1861 wird Ephraim Andraschoffsky als Glockengießer mit der Wohnung in der Oberen Vorstadt, am Anger - eigentlich oberhalb des Angers - Nr. 912 angegeben, ab dem Jahre 1863 jedoch in der Schwarzgasse Nr. 407 (heute Nr. 9)
Unter anderem goß Ephraim Andraschowski Glocken für die evangelischen Kirchen in Langendorf (Hosszufalu, Satulung - 1866) und Tatrang (T²rlungeni - 1868).
Auf der Wiener Weltaustellung von 1873 erhielt Ephraim Andrashovszky (sic!) von der internationalen Jury ein „Anerkennungs-Diplom".
Ephraim Andraschowsky starb am 9. November 1922 im Alter von 92 Jahren in seinem Hause in der Schwarzgasse Nr. 11 (heute Nr. 9). Die in seinem Hause vor etwa 40 Jahren noch vorhandenen Glockengußformen wurden bei Renovierungsarbeiten unter den Fußboden des anstelle der Werkstatt geschaffenen Wohnraumes eingelagert.
(Fortsetzung folgt)
Ephraim Andraschowski (Foto im Familienbesitz, Reproduktion Peter Simon)
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