„Die kommenden Jahre werden die Bedeutung Kronstadts als Kulturstadt verstärken“
20.01.11
Gespräch mit Thomas Gerlach, Generalkonsul Deutschlands in Hermannstadt
Das Hermannstädter Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland pflegt intensiv auch im Raum Kronstadt die deutsch-rumänischen Beziehungen, nicht nur im Bereich Konsularwesen, sondern desgleichen durch die Unterstützung zahlreicher Projekte und Veranstaltungen mit wirtschaftlichem, gesellschaftlichem und kulturellem Bezug. Generalkonsul Thomas Gerlach leitet seit dem 31. August 2009 zum zweiten Mal die deutsche Auslandsvertretung in Siebenbürgen.
Nach dem Eintritt in den Auswärtigen Dienst (1981) hatte er Posten in Sri Lanka, Libyen, den USA, Frankreich und der Tschechischen Republik inne. Seine erste Amtszeit in Hermannstadt verlief in der Zeitspanne 2005 bis 2007, gefolgt von einem zweijährigem Aufenthalt in Mailand, Italien, als stellvertretender Generalkonsul. Seit Herbst 2009 und seiner Rückkehr nach Siebenbürgen hat er auch den Ehrenvorsitz des Deutschen Wirtschaftsklubs Kronstadt (DWK) übernommen und sich u.a. an Veranstaltungen des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt (DFDKK), der Kronstädter Evangelischen Kirche A.B., der hiesigen Germanistikabteilung der Transilvania-Universität beteiligt – um nur einige zu nennen.
Die allgemeine Entwicklung der Zinnenstadt bis dato schätzt er als positiv ein, insbesondere die Versuche, Kronstadt als Reiseziel mehr ins Rampenlicht zu bringen, sowie die Bemühungen, die deutsche Kultur hier (wieder) zu beleben. „Grundsätzlich haben Stadt und Kreis Kronstadt großes touristisches Potential und die weltweit einmaligen, für Siebenbürgen typischen Kirchenburgen sind ein wichtiger Teil davon“, sagt Generalkonsul Gerlach. Als wesentlich für die künftige Entwicklung der Stadt betrachtet er beispielsweise die weitere Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und den Bau der Siebenbürgen-Autobahn, denn „Wichtig ist alles, was die Randlage der Stadt nachhaltig kompensiert.“ Für die KR beantwortet Generalkonsul Gerlach die Fragen von Redakteurin Christine Chiriac.
Kronstadt und Hermannstadt liegen beide im Herzen Rumäniens, jedoch wird oft gesagt, dass sich Kronstadt im Schatten Hermannstadts befindet. 2011 wird Kronstadt mit der 800-Jahresfeier seit der ersten urkundlichen Erwähnung des Burzenlandes mehr auf sich aufmerksam machen. Was könnte die Stadt langfristig tun, um ihr Bild zu verbessern?
Das Jubiläumsjahr bietet eine einmalige Chance, Kronstadt über die Grenzen Siebenbürgens und Rumäniens hinaus weiter bekannt zu machen, ein wenig vergleichbar dem Jahr 2007 für Hermannstadt. Man sollte allerdings die beiden Städte allein schon wegen ihrer ganz unterschiedlichen Größe nicht ernsthaft vergleichen. Jede hat ihren eigenen Charakter und ihre eigene Attraktivität - für touristische Besucher wie auch für Investoren. Kronstadt hat sein Angebot in den letzten Jahren bereits deutlich verbessert, und ich freue mich sagen zu können, dass auch der DWK hierzu einen spürbaren Beitrag geleistet hat. Das historische Zentrum ist bereits sehr ansprechend - der Rahmen für schöne und interessante Veranstaltungen ist zweifellos vorhanden. Im Bereich Hotellerie und Gastronomie gibt es sicher noch Entwicklungspotential. Die Atmosphäre unter der Zinne ist sehr einladend, es bleibt zu hoffen, dass die Stadt trotz der weiterhin spürbaren Krise auch nennenswerte Mittel einsetzen kann, um dieses Jahr zu einem ganz besonderen zu machen.
Welche Kulturprojekte/Kultureinrichtungen unterstützt das Generalkonsulat im Kreis Kronstadt? Wie schätzen Sie allgemein die Entwicklung des Kulturlebens im Kreis seit Ihrer ersten Amtszeit ein?
Ich freue mich, dass das Deutsche Kulturzentrum in der str. Lunga 31 und der hinter ihm stehende Rumänisch-Deutsche Kulturverein inzwischen aus dem kulturellen Leben Kronstadts nicht mehr wegzudenken sind. Dies gilt natürlich bereits seit Jahrhunderten für die Honterus-Schule, deren „Ehemalige“ man in allen Bereichen des Lebens trifft. Deutschland unterstützt diese beiden Institutionen über das Goethe-Institut und die Kölner „Zentralstelle für das Auslandsschulwesen“.
Das Generalkonsulat pflegt enge Kontakte zum Germanistik-Lehrstuhl an der Transilvania-Universität, wo hervorragende Arbeit für die Deutschlehrerausbildung und die germanistische Forschung geleistet wird. Ein besonderes Glanzlicht jeden Jahres sind die Konzerte der „Musica Coronensis“, die gerade in diesem Jahr sicher zu besonderen Zuhörermagneten werden. Ganz allgemein hat sich das Angebot seit dem EU-Beitritt Rumäniens deutlich diversifiziert und ich bin sicher, dass die kommenden Jahre Kronstadts Bedeutung als Kulturstadt weiter verstärken werden. Besonders freut mich, dass sich die Unternehmer aus dem deutschsprachigen Raum dabei engagieren.
Gibt es Projekte im gesellschaftlichen Bereich, die das Generalkonsulat hier als besonders wichtig betrachtet? Ich denke dabei z.B. an den Schutzraum für Kinder in Radeln oder an die Pflegestation in Kronstadt.
Der gebürtige Kronstädter Peter Maffay oder Makkay, wie er eigentlich heißt, hat seine alte Heimat in den letzten Jahren durch sein Engagement bereits deutlich bekannter gemacht, und zwar positiv, wie ich finde. Das geplante Ferienheim für traumatisierte Kinder in Radeln findet bei seiner großen Fangemeinde in Deutschland viel Sympathie, ähnlich wie die vergleichbare Einrichtung auf seiner Finca auf Mallorca, und zwar ohne dass der Ruf Rumäniens beschädigt werden würde. Ich bin optimistisch, dass der Betrieb im Frühsommer losgehen kann. Besonders imponiert mir an Peter Maffay sein „Geht nicht gibt’s nicht“! Der Mann bewegt wirklich etwas!
Die kürzliche Eröffnung der Pflegestation in Blumenau hat wieder einmal deutlich gemacht, dass für ältere und kranke Mitbürger noch viel mehr getan werden müsste. Das Generalkonsulat kann hier leider nur wenig materiell helfen, aber wir sind natürlich gerne bereit, durch Teilnahme an Veranstaltungen und Hintergrundinformationen für unsere offiziellen Besucher ideelle Unterstützung zu geben.
Das Generalkonsulat betreut die deutschen Staatsangehörigen in Rumänien. Wie viele deutsche Staatsbürger haben ihren Wohnsitz im Kreis Kronstadt? Welches sind ihre häufigsten Schwierigkeiten vor Ort? Gibt es eine Evidenz der Rücksiedler?
In Kreis und Stadt Kronstadt sind zusammen etwa 350 deutsche Staatsangehörige offiziell registriert, wir gehen faktisch von etwa der doppelten Anzahl aus. Hinzu kommen vor allem im Sommer viele Besucher. Über Schwierigkeiten von Einzelpersonen erfahren wir nur sehr selten etwas. Das heißt einerseits, dass meine Landsleute sich ordentlich verhalten, andererseits aber auch, dass die Kriminalität gegenüber Ausländern relativ gering ist. Verkehrsregeln sollte man auch als Gast natürlich einhalten. Eine nennenswerte Anzahl von Rücksiedlern oder „Neusiedlern“ sehe ich zur Zeit noch nicht, aber das könnte sich mit weiterer Angleichung der Lebensverhältnisse natürlich spürbar ändern.
Deutschland gilt als Rumäniens zweitwichtigster Handelspartner. Was die Direktinvestitionen betrifft, ist Deutschland in Rumänien an zweiter Stelle. Welche Argumente gewinnen den deutschen Investor für Rumänien?
Das Hauptmotiv dürfte nach wie vor das niedrige Lohnniveau in Rumänien sein, daneben die relative Nähe zu den Produktionsstätten in Deutschland, z.B. bei den Automobilherstellern. Daneben spielen die häufig anzutreffenden Deutschkenntnisse eine nicht unwesentliche Rolle und die Tatsache, dass die rumänischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernfähig und zuverlässig sind. Man darf keine Facharbeiter nach deutschem Muster erwarten, aber die Qualifikation der hiesigen Arbeitskräfte kann sich durchaus sehen lassen. Wenn dann noch kooperative und effiziente Behörden dazukommen, sollte einem erfolgreichen Engagement nichts mehr im Wege stehen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Generalkonsul Thomas Gerlach
Foto: Internet (www.hermannstadt.diplo.de)
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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