„Die Visitenkarte eines Landes“
04.06.09
Als dritten und vorerst letzten deutschen Künstler aus Kronstadt, welcher auch Briefmarken entworfen hat, wird in dem nachfolgenden Beitrag Oswald Adler vorgestellt. Die bisherigen Beiträge haben Ludwig Hesshaimer (KR Nr.6/12.Februar und KR Nr.7/ 19. Februar 2009) und Harald Meschendörfer (KR Nr. 9/5. März 2009) porträtiert. Für Hinweise seitens der Leser unserer Zeitung auf weitere Kronstädter Künstler, die auch als Briefmarkenentwerfer tätig waren oder sind, ist der Autor dieser Reihe dankbar. Bitte richten Sie diese Hinweise an die Redaktion der „Karpaten-Rundschau"; wir werden sie an den Autor weiterleiten.
Am 24. Juli 1912 in der ostungarischen Stadt Békécsaba geboren, wo sein Vater - Offizier der österreichisch-ungarischen Armee - stationiert war, kam Oswald Adler bereits in jungen Jahren nach Kronstadt und verbrachte hier Kindheit und Jugend. Die Volksschule bei Lehrer Schunn, die vier unteren Gymnasialklassen in der Honterusschule, die Höhere Handelsschule, die Zeichenstunden bei den Professoren Hermann Morres und Ernst Kühlbrandt sind Stationen seiner Ausbildung. Die vielen Ausflüge in die Schulerau, auf den Hohenstein, Königstein und Bucegi - immer mit dem Skizzenbuch im Rucksack und im Winter auch auf Skier - prägten diese Jahre und blieben für Adler unvergessliche Erlebnisse. Seine Mutter unterstützte schon sehr früh seinen Wunsch nach einer künstlerischen Laufbahn und ermöglichte ihm unter anderem Privatunterricht bei dem Maler Gustav Kollar. Die Pläne, an die Kunstakademie zu gehen und Malerei zu studieren, wurden durch den Tod des Vaters vorerst unmöglich gemacht. Er arbeitete anfangs als Handelsvertreter, verlor jedoch bald seine Stelle, da er sein Auftragsbuch statt mit Aufträgen mit Zeichnungen und Skizzen füllte.
Nach Beendigung des Militärdienstes ging Oswald Adler mit 24 Jahren nach Bukarest und wurde Gebrauchsgraphiker. Er entwarf Plakate, Prospekte und Zeitungsanzeigen, arbeitete für Zeitschriften und Ausstellungen. 1938 hatte er sich schon einen Namen gemacht, so dass in der Londoner Zeitschrift „Art and Industry" ein Artikel über seine graphischen Arbeiten erschien. In diesem Jahr gelang es ihm auch, an die Kunsthochschule nach Budapest zu gehen. Tagsüber arbeitete er als Graphiker; abends besuchte er die Kurse der Hochschule. Noch vor Ende des Jahres wurde Adler als unerwünschter Ausländer nach Rumänien abgeschoben. Der Zweite Weltkrieg unterbrach seine Karriere: Er wurde Soldat, musste mehrere Jahre in einem Arbeitslager verbringen und kehrte 1945 nach Bukarest zurück. Dort setzte er seine Arbeit mit Plakatentwürfen und Buchillustrationen fort; es erschien sein Buch „Der Buchstabe als Kunstform".
1946 erschienen die ersten von ihm (gemeinsam mit Cova und Molnar) entworfenen Briefmarken für die rumänische Postverwaltung: es ist eine Ausgabe von sieben Werten mit Kleinbogen, mit der das 25jährige Jubiläum des Bukarester Philharmonischen Orchesters gewürdigt wurde. Das Entwerfen von Briefmarken übte auf Oswald Adler eine besondere Anziehungskraft aus. Während seine bisherigen gebrauchsgraphischen Arbeiten nur für sehr kurze Zeit das Interesse des Betrachters weckten und darauf ausgerichtet waren, den Anforderungen von Unternehmen zu entsprechen und den Verkauf von Waren zu fördern, stellen Briefmarken für Adler einen ganz besonderen Bereich der Graphik dar: sie sind die Visitenkarte eines Landes, Träger einer Aussage über Leistung und Eigenart eines Volkes oder Staates, seiner geschichtlichen Ereignisse und herausragenden Persönlichkeiten. Während Gebrauchsgraphiken meist nach kurzer Zeit im Papierkorb landen, erfreuen sich Briefmarken der liebevollen Zuneigung und Sorgfalt von Millionen von Sammlern in aller Welt.
Der Brite C.W. Hill beschreibt in einem Mitte der sechziger Jahre erschienenen Aufsatz die Technik Adlers beim Entwerfen von Brief- und insbesondere Porträtmarken anhand der Enescu-Marken aus dem Philharmonie-Satz: „Er nimmt das Hauptmotiv der Zeichnung und setzt es kühn und in dunklen Farben in den Mittelpunkt der Briefmarke. Dadurch scheinen die äußeren Ränder des Motivs in einem tiefen Schatten zu liegen; gleichzeitig werden sie aber durch einen dicken, künstlichen Farbstrich betont. Der Hintergrund dieses kühn plazierten Motivs erscheint auf den ersten Blick blass und ungenau; zu den Rändern hin gewinnt er jedoch an Intensität."
In der ersten Hälfte der fünfziger Jahre zeichnet Oswald Adler (teilweise gemeinsam mit anderen Briefmarkenentwerfern) eine Reihe weiterer Briefmarken für die rumänische Post; erwähnt seien hier Ausgaben zum Gedenken an den Maler und Freiheitskämpfer C.D.Rosenthal sowie an I.L.Caragiale. Neben Porträtentwürfen gehören Sportmotive zu den bevorzugten Arbeitsgebieten des Graphikers. Seine Briefmarken zu den Akademischen Europameisterschaften im Frauenrudern und zu den Europameisterschaften im Schießen (beide sind 1955 erschienen) wurden vom Olympischen Komitee in Rom mit der Medaille „Alberto Bonacossa" ausgezeichnet. 1955 entschied die rumänische Post, dass Porträt-Marken nicht mehr im Tiefdruck-Verfahren hergestellt werden, sondern nach Stahlstichen, die von einem Stahlstecher in Markengröße angefertigt werden. Dies bedeutete das Ende der Tätigkeit von Adler für die rumänische Postverwaltung.
1960 nach Israel ausgewandert, begann er in seiner neuen Heimat sehr bald, Briefmarken zu entwerfen. Bereits im Jahr der Auswanderung erschien eine von ihm gezeichnete Marke zum Gedenken an die Wohltäterin Henrietta Szold. Bis Mitte der siebziger Jahre erschienen eine Reihe sehr ansprechender und eindrucksvoller israelischer Briefmarken, die von Oswald Adler gezeichnet waren. Neben Porträtmarken ist es eine breite Palette von Motiven: Kunstgegenstände aus dem Israel-Museum in Jerusalem, alte und neue Häfen in Israel, Exportgüter, Briefmarkenausstellungen, moderne Architektur in Israel, Neujahr und natürlich Sport.
Die von ihm entworfenen drei Blöcke anlässlich der Briefmarkenausstellung „Jerusalem '73" erschienen in einem kombinierten Druck-Präge-Verfahren und waren die erste Briefmarkenausgabe Israels, die in diesem Verfahren hergestellt wurde. Das Besondere daran ist, dass zusätzlich zu der gedruckten Abbildung einer antiken Münze diese auch skizzenhaft in den Block geprägt wurde. Besonders ausdrucksstark ist das Porträt David Ben-Gurions, des ersten israelischen Ministerpräsidenten, auf einer Briefmarke aus Anlass seines ersten Todestages 1974. Dies war eine der letzten von Oswald Adler entworfenen Briefmarkenausgaben. Die israelische Postverwaltung lud jüngere Künstler ein, sich an den Wettbewerben zu beteiligen; Oswald Adler erhielt keine Einladungen mehr.
Seine abenteuerliche Schulreise mit dem Kronstädter Honterus-Gymnasium unter Leitung von Rektor Lang nach Ägypten hatte sein Interesse für den afrikanischen Kontinent und dessen Völker geweckt. Bereits kurze Zeit nach seiner Ankunft in Israel entwarf er Briefmarken für verschiedene Länder Afrikas. Als zu Beginn der sechziger Jahre verschiedene afrikanische Staaten in die Unabhängigkeit entlassen wurden, startete man in Israel das Projekt eines „African Stamp Designing Center". Ziel dieses Zentrums war es, Briefmarken für afrikanische Staaten zu entwerfen und zu drucken. Voraussetzung hierfür war der Aufbau eines Archivs mit Bildmaterial und Zeichnungen aus Afrika, die Grundlage für Briefmarkenentwürfe sein sollten. Der damalige Leiter der Regierungsdruckerei fragte bei Oswald Adler an, ob er Interesse an einer Reise durch Guinea hätte. Der reisefreudige Adler sagte zu und bereiste 1963 weite Teile dieses Landes, um zu zeichnen, zu fotografieren und zu filmen. Die mitgebrachten Unterlagen und Eindrücke bildeten die Grundlage für eine Reihe von Briefmarken für afrikanische Länder. Zu nennen sind hier Entwürfe unter anderem für Burundi, Guinea und Togo. Bei einem Besuch in den Vereinigten Staaten überreichte der damalige Staatschef von Guinea, Sékou Toure‚ dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy als Gastgeschenk die von Adler entworfene Briefmarkenausgabe „Helden und Märtyrer Afrikas".
Oswald Adler verbrachte seinen Lebensabend in Tel Aviv. Er entwarf weiterhin Spendenmarken für den Jüdischen Nationalfonds und Münzen. Der Schwerpunkt seines künstlerischen Schaffens ist die Malerei; im Sommer 1994 fand eine große Retrospektivausstellung seiner Werke in Haifa statt. Er starb Mitte November 2005.
Uwe Konst
Kasten
Von Oswald Adler entworfene Briefmarken, die von der rumänischen Post herausgegeben wurden:
26.04.1946 Bukarester Philharmonisches Orchester
20.06.1951 100. Todestag von Ion Negulici
23.07.1951 100. Todestag von C. D. Rosenthal
21.08.1951 Tag der Bergarbeiter
30.01.1952 100. Geburtstag von I. L. Caragiale
15.08.1954 100. Geburtstag von Dr. Victor Babe{
03.11.1954 100. Geburtstag von Barbu Iscovescu
22.04.1955 85. Geburtstag von W. I. Lenin
22.08.1955 Akademische Europameisterschaften im Frauenrudern
05.09.1955 Schriftsteller
10.09.1955 Europa-Meisterschaften im Schießen
01.10.1955 10 Jahre Weltgewerkschaftsbund
18.07.1959 Weltfestspiele der Jugend
Foto 1:
Oswald Adler an der Staffelei
Foto 2:
Von Oswald Adler entworfene Briefmarken
Fotos: Dieter Drotleff
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
09.05.25
Dr. Carmen Elisabeth Puchianu als Zeichnerin
[mehr...]
09.05.25
Die Tournee des Filmes „Anul Nou care n-a fost”
[mehr...]