Die Welt der Gesänge, Spiele und Geschichten
28.06.24
Im Kindergarten Nr. 37
In Kronstadt, auf der laut befahrenen Langgasse, hinter einem braunen Blechtor, versteckt sich in einer vom Jubeln und Lachen umkreisenden, beruhigenden Ruhe der schon mehr als 100 Jahre alte Kindergarten in deutscher Sprache Nr. 37. So versteckt mag er doch nicht sein, da mit neugierigen Augen und mutigen Schritten, winzige Seelenherzchen das für sie viel zu schwere Tor sturköpfig alleine öffnen wollen, um die Welt der Gesänge, Spiele und Geschichten betreten zu dürfen.
Gleich beim Eingang, im herbstlichen Sonnenlicht, erwartet sie eine warme, willkommen heißende Eröffnungsfeier. Die größeren Kleinen kennen sich schon untereinander, summen bei den Liedern mit und lachen sich gegenseitig und die freundlichen Erzieherinnen strahlend an, die Knirpsen schauen erwartungsvoll durch den spielerisch gestalteten Garten und hören aufmerksam zu: der Eine drückt die warme und noch mehr aufgeregte Hand der Mutter oder des Vaters, der Andere läuft schon mutig durch die Gegend, und ganz brav sitzen die Anderen, welche sich noch nicht trauen herumzutanzen aber doch einen tiefen Drang spüren, die fantasievolle Welt des Kindergartens zu betreten. Alles ist mit Liebe und Aufmerksamkeit vorbereitet, es gibt für jeden einen Platz, die Erzieherinnen strecken jedem ihre Hand aus.
Schnell vergehen auch die ersten Wochen. Die Kleinen haben sich schon eingelebt und langsam werden sie in die Welt der alten Geschichten eingeführt, in der sie mit Dank über die Wichtigkeit und Freude der Ernte und des Herbstes lernen und Sankt Martin mit seiner Barmherzigkeit kennenlernen: ein reich mit Farben, Düfte und Geschmack beladenes Erntedankfest und das so liebgewonnene Laternenfest aus den alten Zeiten. Bis hinauf auf den Schloßberg und zurück, mit ihren kleinen Füßchen, werden durch die Nacht die winzigen leuchtenden Laternen geführt und frohe Stimmen erhallen: Ich geh´ mit meiner Laterne… Und meine Laterne mit mir.
Vielleicht zu schnell für die Eltern und zu langsam für die Kinder vergeht die Zeit, der alte Nikolaus hat die Kinder besucht und nun ist Weihnachten: Krippenspiel und Weihnachtsgeschichten, Gloria Singen, Striezel und heiß duftender Früchtetee und… pssst, da kommt ja auch der Weihnachtsmann! Glücklich gehen alle durch den Abend nach Hause und vertiefen sich in die Weihnachtsferien. Hoffentlich schneit es zu Weihnachten!
Ein neues Jahr beginnt mit neuem Leben, neuem Lachen, neuen Erwartungen, der Neugierde und der Hingabe seitens der drei Erzieherinnen. In den bunten Februarwochen fehlen Fasching und Wonne gar nicht, wo nicht nur getanzt, jedoch auch gesungen und gespielt wird, Eltern und Kindern, Müllers Kuh, das bist du! Auf die Mütter wird auf keinen Fall vergessen und im März wird ihnen eine besondere Überraschungsfeier zum Muttertag vorbereitet. Was kann nun von Freudentränen beladen schöner sein? Bevor man auswählen darf, bereiten sich die Kinder mit Freude und Spiel auf die Osterfeier vor. Immer wird gesorgt, dass neue Lieder, Gedichte, Geschichten aufmerksam gelernt werden und viele schöne Verzierungen gebastelt und gemalt werden. Der Osterhase, wie der Weihnachtsmann, vergisst unsere Kinder auch diesmal nicht. Fast ist ein Jahr schon vergangen und das schon größer gewachsene Kindlein feiern wir zum Kindertag – sein Lachen beim Spielen und der zufriedene rote Mund nach köstlichen gebackenen Krapfen wird in einem Bild verewigt.
Hajni Gall, seit 16 Jahren, Rita Barbat Vatasan und Renate Tontsch seit 25 Jahren, sind die Drei, die mit großer Liebe, Geduld und Freude den Kinderlein die deutsche Sprache beibringen, sie überallhin begleiten, ihnen Geschichten erzählen, sie Lieder und Gedichte lehren, Basteln und Malen, Zeichnen und Schreiben, Rechnen und Lesen. Was fehlt?, würde sich mancher fragen. Nichts. Es ist der Kindergarten, in dem sich Tradition und Geschichte der deutschen Minderheit zusammen mit der blumigen Gegenwart der Kindheit in einem harmonischen Tanz des Lebens treffen und die Kinder auf eine kommende, nicht so fernstehende Zukunft vorbereitet. Sie werden groß, sagt man, sie werden reif, sagt der Andere, lieber klein bleiben, meint die Großmutter, klug und vorbereitet, großwerden, der Nächste, still und ruhig im Herzen bleiben, sich selbst nicht vergessen, heißt es bis zum Schluss. Die Sonne scheint schon heiß durch die grünen Bäume und strahlt auf das frisch geschnittene Gras im großen Garten des Kindergartens. Langsam kommen die Ferien…. Die Schlussfeier tönt im warmen Juni mit Lachen und Spielen und Singen und Tanzen zusammen aus. Auf Wiedersehn, auf Wiedersehn, im Kindergarten war es schön! Wollen wir nicht manchmal wieder alle klein sein? Im Herbst sehen wir uns wieder!
Petra A. Binder
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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