Ethnische Minderheiten im Blickfeld
08.12.11
Zu: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik,23. Jahrgang, Heft Nr.1 und 2/ Herbst 2011
Die Doppelnummer für das Jahr 2011 der „Halbjahresschriften für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik“, die der „Arbeitskreis für Geschichte und Kultur in Ostmittel- und Südosteuropa e.V.“ herausgibt, hat ein aktuelles und weitreichendes Thema: die Minderheiten. Es handelt sich dabei um ethnische und nationale Minderheiten im Kontext eines nach 1989 erstarkten Nationalismus in diesem Teil Europas.
Der Balkan ist leider seinem Ruf als „Pulverfass Europas“ gerecht geworden durch die Kriege die den Zerfall Jugoslawiens begleiteten. Björn Opfer-Klinger stellt die Situation in Mazedonien vor („Vom Pulverfass zum Musterstaat? Ethnische Minderheiten in Mazedonien“). „Dieses Gebiet ist sowohl topographisch als auch klimatisch voller Gegensätze, aber auch ethnisch und konfessionell ein bunt gemischter Flickenteppich“, heißt es in der einleitenden Charakterisierung dieser Studie. Das Nachbarland Bulgarien hat auch Probleme mit seinen Minderheiten, vor allem mit den Roma und den Türken. Die Existenz einer mazedonischen Minderheit in Bulgarien wird dort immer wieder in Frage gestellt. Boris Marinov analysiert die Lage der Minderheiten in diesem Balkanstaat („Die Stellung der Minderheiten im politischen System Bulgariens“). Eine Minderheit, die unter verschiedenen Namen südlich der Donau in mehreren Staaten lebt, sind die Aromunen. Aura Cumita schreibt in ihrem Beitrag „Die Wlachen. Eine balkanische Minderheit oder wie sich die Identität dieser Minderheit `verstreute Identitäten` angeeignet hat“ über Herkunft, Namen, sprachliche Identität und Status der „Wlachen“ im Laufe der Geschichte. Dabei ist ersichtlich, wie komplex die Minderheitenproblematik werden kann, wenn deren Statut als Minderheit überhaupt nicht anerkannt wird und eine Assimilierung in gleich mehreren Staaten verfolgt wird. Richard Albrecht schreibt zum Thema Genozid „LebensRecht – Erinnern an den Armenozid“ und geht dabei auf das „Erinnern“, die „Erinnerungsgrenzen“ und die „Erinnerungsarbeit“ ein wobei, wenn über Völkermord geschrieben wird, der Begriff Holocaust einen tragischen Höhepunkt benennen muss. Es fällt auf, dass trotz der vielseitigen, umfassenden und gut dokumentierten Minderheiten-Thematik (weitere Beiträge beziehen sich auf die Tschangos in der Moldau, die Situation der Roma, die rechtsextremen Tendenzen in Ungarn, die Integration von Muslimen und von Vertriebenen und Flüchtlingen in zwei Landeskreisen Niedersachsens bzw. im Oldenburger Land) auf die jüdische Minderheitenproblematik in dieser Ausgabe der Halbjahresschriften nur im Vergleich Holocaust - Armenozid eingegangen wird.
Für Leser in Rumänien ist der Beitrag von William Totok „Minderheiten und Securitate“ wohl am interessantesten. Anhand von mehreren Beispielen denen auch Dokumente aus dem Securitate-Archiv zugeordnet werden können, wird veranschaulicht, wie der kommunistische Geheimdienst versuchte, auch in den Reihen der nationalen Minderheiten (die den Staatsbehörden von vornherein suspekt schienen) ihren Einfluss geltend zu machen. Genannt wird der „Fall Bolyai“. Dem ungarischen Mathematiker sollte eine „deutsche Abstammung“ nachgedichtet werden. In einer zweiten Phase der groß angelegten Beeinflussungskampagne sollte ersichtlich sein, wie schädlich die Zwangsmagyarisierung im Mittelalter war und welche Nachwirkungen sie für die Sachsen und Schwaben noch hätte. Von Beeinflussung und „Bearbeitung“ durch die Securitate waren, laut Totok, selbst hohe Würdenträger der evangelischen Landeskirche nicht verschont, vor allem wenn es um die Auswanderungsproblematik ging.
Die jüngste Ausgabe der Halbjahresschriften bringt auch weitere lesenswerte Beiträge z.B. über die Siebenbürger Sachsen und den Nationalsozialismus (Andreas Möckel), über Echos des Kronstädter Schriftstellerprozesses in den Stasi-Akten (Georg Herbstritt) oder Anmerkungen von Anton Sterbling zu Annemarie Webers Band „Rumäniendeutsche? Diskurse zur Gruppenidentität einer Minderheit“.
Ralf Sudrigian
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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