„Für mich heißt Malen reine, mühelose Freude...“
27.05.21
Unveröffentlichter Brief der Malerin, Volkskundlerin und Kunsthistorikerin Juliana Fabritius-Dancu an unsere Redaktionsleitung aus dem Jahre 1985 (III)
Bei Punkt II sind im Rahmen der Wandmalerei so bedeutende Werkkomplexe wie jener der Durlesser Kirche nicht erwähnt, die einzige sächsische Kirche mit guterhaltenen Außenfresken! Und die Bodendorfer Chormalereien, die 12 Apostel, eine thematische Wiederholung der Fresken im Hamrudner Chor, in einer späteren Stilepoche.
Punkt II C Plastik. Von den Brüdern Georg und Martin springt man direkt in die Bauplastik der Reichesdorfer Kirche! Diese steht allein im Raum, wo doch ebenso wertvolle Werkkomplexe der Bauplastik jene von Meschen, Birthälm, Hetzeldorf sind, die einen stilistischen Zusammenhang ergeben. - Überhaupt nicht erwähnt ist die gesamte Bauplastik der Zisterzienser, der sogenannte Übergangsstil, die Frühgotik. Nicht berücksichtigt ist die gesamte nordsiebenbürgische Bauplastik, die hervorragend schöne und interessante Werkstücke besitzt – wie z.B das Lünettenrelief des Petersdorfer (Petris) gotischen Portals, mit der thronenden Madonna mit und und musizierenden Engeln, einzigartig in Siebenbürgen; die steinernen Kanzeln in Wermesch 1497, Dürrbach u.a. - Unbedingt müßte eine ganze Serie der Entwicklung der Schlußysteine gewidmet werden, den Rippenprofilen und ihren Konsolen.-
Unter den gotischen Madonnen fehlen jene von Braller und Großschenk, jene des Mühlbacher Altars und das von Sigismund Kornis geraubte Original,- die ganze spannende Geschichte um diesen Madonnensammler- und Räuber, (allerdings schon von Harald Krasser und auch von mir erzählt.) Die Bauplastik des Alten Rathauses kann nicht behandelt werden, ohne auch die weiteren Werke von Andreas Lapicida zu nennen und zu beschreiben.
Unter den Altären fehlt der Tobsdorfer Altar, dessen Außenflügel eine wertvollere Malerei besitzen als jene des Radler Altar, die ebenfalls den Leidensweg Christi beschreiben. Einzigartig ist die Predella von Tobsdorf, die einem anderen Meister angehört als die Flügelbemalung, - vielleicht Vincentius Cibinensis.
Punkt B. Plastik – die Grabplatte meines Ahnen Valentin Seraphin 1639 gestorben stammt nicht Sigmund Möss, wie Harald Krasser dargelegt hat, sie ist ein stilistisches Unikat in der Serie der Porträtgrabsteine, die keinem der Meister zugewiesen werden kann, weder Elias Nikolai noch Sigmund Möss, weil sie völlig andere Merkmale aufweist als die Arbeiten dieser beiden Bildhauer.
Damit gebe ich es auf mich weiter auf diese Themenliste zu beziehen, die derart zusammengewürfelt ist, daß es eine ganz neue Arbeit wäre darin Ordnung zu schaffen. Man hat den Eindruck, der Verfasser hat aufgeschrieben, was ihm gerade einfiel, ohne sich die Mühe einer chronologischen, geschlossenen und lückenlosen Liste - selbst nur des wertvollsten – zu machen.
Dabei wünschen Sie eine stilistische Eingliederung der vorgestellten Werke! Eine solche müsste sich schon aus der Reihenfolge der Artikel ergeben. Auch in der Kunstgeschichte kann man ebensowenig die Etappen überspringen, wie in der Geschichte – zumindest wenn man die Absicht hat den Leser auch zu bilden. Ein Zusammenhang muss unbedingt gewahrt bleiben, so dass an beim Lesen der ganzen Serie ein Bild der Entwicklung erhält.
Alle diese zahlreichen Bedenken, die ich mir erlaubt habe zu äußern, - in bester Absicht zu helfen, im Dienste der Sache, nicht zu kritisieren – wären meines Empfindens nach hinreichend um den an sich schönen Plan durch einen anderen zu ersetzen.
Darf ich einen Vorschlag anbringen, der – glaube ich – im Hinblick auf unsere derzeitige Lage wichtiger wäre und leichter zu realisieren als eine Rubrik über Kunst – zumal, wie gesagt, das Meiste der wertvollsten Arbeiten schon veröffentlicht ist.
Ich würde vorschlagen mit dem 1. Januar eine Rubrik über Brauchtum zu beginnen! - Dieses ist noch nirgend vollständig erfasst worden, in keiner Veröffentlichung, weder Buch noch Presse. Das müsste rund um ein ganzes Jahr verfolgt werden, beginnend mit den Bräuchen der Neujahrsnacht. Sie müssten sich in allen Siedlungsgebieten Gewährsleute sichern. Zwei sage ich Ihnen: Maio Gierlich in Großscheuern und und Mahias Scherer in Urwegen, Gîrbova/Alba nr. 449, cod 2589. Sie können übrigens auch alle Mundartdichter einspannen, und über die einzelnen Feste berichten lassen. Ich fand die urwüchsige Art, wie Maio Gierlich Fasching und Marienbälle beschrieb, einfach herrlich. Das müßte man aber in allen Gemeinden - oder einer Vielzahl, sagen wir, - durchführen. Einer Ihrer Redakteure müsste ein Rundschreiben aufsetzen, um die Leute zu informieren, wie diese Beiträge gestaltet werden sollen.
Meine Idee: 1) man soll die alten Leute fragen, was sie meinen, woher der Brauch kommt, was er bedeutet, welchen Symbolgehalt er hat. 2) Seit wann wird im Dorf gefeiert? 3) Vorbereitungen zum Fest – genaue Beschreibung – kann auch in Form von Reportage gemacht werden. 4) Ablauf des Festes. Handlung; Beteiligung der Gemeinde, in wie weit und in welcher Zahl? Herkömmliche Kleidung dabei - brauchtumsgebundene Trachten. - Die Mundartdichter könnten das z.B. auch alles in Reimen schreiben, den ganzen Ablauf. So etwa, wie die bekannte Bauernhochzeit, und der Hanklich von Maio Gierlich (übrigens stammt die Idee zu diesem,ihrem besten Gedicht, auch von mir).
Im Laufe eines Jahres hätten Sie überdies einen Band, den man nur noch mit Reportagefotos illustrieren muss, ein herrliches Volkskunde-Buch ist entstanden. Diese Sache ist ganz leicht zu organisieren – selbst wenn Sie auch die „Woche“ zur Hilfe heranziehen, um Ihnen die Mitarbeiter zu sichern. Bis zum Beginn meiner vorgeschlagenen Rubrik wäre noch einen Monat Zeit, innerhalb dessen man das alles organisieren kann. Man muss ja auch nicht alles schon im Vorhinein festlegen – im Januar gibt es genügend Feste (Urzeln in drei Ortschaften), dann kommt der Fasching u.s.w. - Wenn man die Rubrik zu lesen beginnt, werden sich übrigens die Mitarbeiter auch von selber einstellen, meine ich. Man kann ihnen auch etwas versprechen dafür, z.B. die Aussicht, ein Buch damit herauszugeben, um sie ein wenig zu locken. Dieses wäre meiner Ansicht nach ein wichtigeres Anliegen, in vorletzter Stunde noch einmal all das aufzuschreiben und zu sammeln, in einer gut organisierten Rubrik, als Kunstwerke zu besprechen. Es wäre jedenfalls lebendiger, würde die Leute mehr ansprechen und hat Aktualitätswert, wäre eine ausgezeichnete Propaganda gegenüber dem Ausland, würde die Leute auch noch mehr an die Gemeinschaft binden. Außerdem: niemand würde dabei kritisieren! In der „Sauren-Gurkenzeit“, wenn gerade kein Fest fällig ist, gibt es sicher auch verschiedene Bräuche die an die Arbeit gebunden sind. Oder man kann in solchen Flautezeiten die Familienfeste beschreiben: Hochzeit, in den verschiedenen Gegenden mit anderen Sitten, Begräbnis – Taufe wollen Sie wohl leider nicht? Ebenso Konfirmation ist ein sehr ergiebiges Thema. Können die Beiträge von einer Fotoreportage begleitet werde, umso besser, im Notfall kann es auch ein Trachtenfoto der betreffenden Gemeinde sein, möglichst eine alte Tracht.
Man kann diese ganze Organisation auch über Schule und Pfarrhaus leiten, es sollen so viele als möglich mitmachen. Man kann ein und denselben Brauch in mehreren Gemeinden schildern, wenn größere Unterschiede vorhanden sind, das würde auch schon mehrere Nummern füllen. Natürlich kann man einwenden, daß auch die anderen Zeitungen dieses Thema behandeln und dass es zu parallelen Berichten käme. Eben darum würde ich diese Rubrik nach einem wissenschaftlichen Prinzip, mit einem Fragebogen versehen, gestalten, um den Texten den Wert volkskundlicher Dokumentation zu geben.
Eine andere Idee für eine neue Rubrik wäre etwas für die Historiker: Seit lange sehne ich mich nach einer eingehenden Beschreibung aller stattgefundener Schlachten und Kriegszüge in Siebenbürgen, beginnend mit dem Tatareneinfall 1241. Systematisch, alle Türkeneinfälle mit Chroniken und Begebenheiten, Dokumenten, Berichten von Augenzeugen etc. Oder gute Darstellungen, etwa von Dr. Thomas Nägler über Türkeneinfälle, und von Dr. Maja Philippi. Jeder beschreibt jene, die er am besten beherrscht, aber in strikter chronologischer Reihenfolge. Auch das hat es noch nicht gegeben, und würde eine wertvolle und interessante Sammlung entstehen. Illustrationen aus Chroniken gibt es auch dazu, oder auch Schlachtenbilder und Veduten der Orte, wo sie stattgefunden haben.Bei allen diesen Unterfangen kommt es immer auf das W I E an, wie sie gebracht werden. Deshalb sagte ich Dr. Thomas Nägler, weil seine logisch unterbaute Schilderung sehr gut gefällt.
Nun habe ich mit diesem langen Schreiben Ihre Zeit über Gebühr beansprucht – wahrscheinlich werden Sie nach wenigen Seiten den Brief einem „Sachberater“ weitergeleitet haben – ich wollte aber doch einmal den Sachverhalt genau erörtern, weil Sie mir diese Zuschrift sandten.
Für mich persönlich ergibt sich bei jeder Zusammenarbeit außerhalb Bukarest die Schwierigkeit, dass ich nicht Originale aus der Hand geben – bzw. der Post anvertrauen kann. Ich müsste alle Fotos neu kopieren lassen, die Zeichnungen in Duplikaten erstellen, auch kann man per Telefon schwer etwas besprechen. Unglücklicher Weise ist meine Zeit auch immer sehr knapp, von einigen großen Veröffentlichungen beschlagnahmt. Dazu kommt – wahrscheinlich – im nächsten Jahr eine lange Auslandsreise mit Ausstellungen. Wer ganz frei ist, wie ich, kann sich am schwersten an ein solches Programm binden, da ich von heute auf morgen nicht weiß was ich tun werde. Wenn ich z.B den Text für mein Trachtenwerk fertigschreiben muß, scheide ich überhaupt für längere Zeit aus dem Leben – sozusagen.Dann sieht mich niemand mehr, für viele Monate. Ich wäre sehr an einer solchen Rubrik interessiert, wie Sie es vorhaben, doch eben zu einem Zeitpunkt, der mit meinen eigenen Plänen in Einklang gebracht werden kann. 86 hätte ich eigentlich keine Zeit dafür, aber wohl im übernächsten Jahr, wenn ich mich wieder mit dieser Materie befassen will.
Ich hoffe, Sie nehmen mir meine Offenheit nicht übel.
Mit besten Wünschen und Grüßen,
Ihre Juliana Fabritius-Dancu
(Schluss)
Die Künstlerin war immer wieder bei der Arbeit im Umfeld der Kirchenburgen anzutreffen wo sie diese künstlerisch festhielt. Foto: KR-Archiv
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