„Hier klopft ein Künstlerherz, das sich in Ekstasen erging“
28.03.25
Kronstädter Musikerinnen (VI/3): Konzertpianistin und Klavierpädagogin Luise Gmeiner (1885-1951)
Im dritten Teil von Folge VI der Dokumentation über Kronstädter Musikerinnen (Die Schwestern Gmeiner) rückt dessen Autorin, die Schauspielerin Manna Copony, die Pianistin und Klavierpädagogin Luise Gmeiner in den Mittelpunkt. Die jüngste der Gmeiner-Schwestern erwarb im Laufe ihrer Künstlerkarriere „durch eine technisch wie geistig herausragende Interpretation der großen Klavierwerke von Beethoven, Schumann, Brahms, Chopin, Liszt und Rachmaninow (…) bedeutendes Ansehen“ (K. Teutsch). Sie konzertierte – wie in dem ihr gewidmeten, vom vorhin zitierten Musikhistoriker Karl Teutsch verfassten Artikel im „Lexikon der Siebenbürger Sachsen“ (Thaur bei Innsbruck 1993) angegeben wird - in vielen europäischen Städten, öfter auch in Siebenbürgen. Ihr Repertoire umfasste die Konzerte für Klavier von rund 20 Komponisten. Mit einigen großen Musikern ihrer Zeit, etwa dem Pianisten Edwin Fischer, stand sie in freundschaftlicher Verbindung. Zuletzt wirkte sie als Klavierlehrerin in Berlin, wo sie am 11. März 1951 verstarb.
Für Luise Gmeiner, die viel jünger ist als ihre „großen Schwestern“, hat deren Glanz und Ruhm manche Erschwerung ihres Schicksalsweges bedeutet. Jeder Nachgeborene einer berühmten Künstlerfamilie weiß davon ein Lied zu singen. Es war kein erstmaliges Ereignis mehr, als sie sagen musste: „Ich auch - ich möchte auch eine große Künstlerin werden.“ Die Fama entgegnete ihr wortlos, sie habe das blonde Luischen zu bleiben, die „kleine Schwester“. Das junge Mädchen, ein Wunder an treuer Gutgläubigkeit, ließ sich in tiefstem Herzen erschrecken von den Gespenstern menschlichen Vorurteils, aber die guten Geister ihrer Künstlerschaft wollten bei Schreck und Aberglauben nicht mitmachen. So entstand ein harter Sturm widerstrebender Kräfte in dieser jungen Menschenbrust, bis sie lernte, sich gegen die Welt und gegen die Sensibilität ihrer eigenen Seele durchzusetzen, bis der allzu große Respekt vor der Macht großstädtischer Prominenz dem Bewusstsein eigener Werte wich.
Abschließendes kann der Chronist nicht aussagen von einem Menschen, der mitten im Schaffen des Lebens, umgeben stündlich noch vom Für und Wider des Alltags steht, aber so viel merken wir doch schon: Luise Gmeiner verleugnet die kampfesfrohe Art und den gesunden Körper der Gmeiners ebenso wenig wie ihre Schwestern. Eine verblüffende Vitalität lässt diese gemütsbewegte Frau schlaflose Nächte des Kummers und durchfieberte Tage vor Konzerten so überstehen, dass keine äußere Spur zurückzubleiben scheint, dass nichts ihre kindliche Kraft zur Freude am Leben brechen konnte.
Ella Gmeiner stellte sich wie eine Fahne in den Sturm der Welt und wollte sich nicht fürchten. Lula ließ sich tragen von der traumwandlerischen Sicherheit inneren Diktates und brauchte Furcht und Zweifel nicht zu kennen. Luise hat sich gefürchtet, hat gezweifelt und gebangt und hat doch obgesiegt – als die streitbarste unter den streitbaren Schwestern Gmeiner –, denn der ist so heldisch nicht, dem Furcht fremd ist, als der, welcher sie kennt und überwindet.
Ein jugendlich romantischer Geist, eine tiefe menschliche Treue an einmal erkannten Werten, einmal gefasster Liebe und ein paar durch Jahrzehnte trainierte Hände haben der Pianistin Luise Gmeiner geholfen, den Segen des Schicksals zu ertrotzen.
Sie studierte, nach den Lehrjahren bei Lassel, in Berlin an der Musikhochschule, zuerst bei Frau Bender (1), dann in Dohnányis Meisterklasse (2), arbeitete Bach bei Prof. Krause (3), zog nach Paris zu dem berühmten Philipp (4)…
Ein Künstler lernt nie aus, einer, der so viel unzufrieden mit sich selbst ist wie Luise Gmeiner, erstrecht nicht. So stand Konzerterfolg und Weiterlernen stets nebeneinander, und als drittes im Bunde kam noch das lehrreiche Unterrichten anderer dazu, in dem auch diese Gmeinerische besondere Fähigkeiten aufweist. Diese Künstlerin, die dem Leben gegenüber in manchen Dingen bis heute eine kindliche Unsicherheit bewahrt hat, verfügt über bezwingende pädagogische Mittel. Und das wird einem begreiflich, wenn man Luise Gmeiner kennt und weiß, wie sie sich zu verwandeln pflegt, sobald sie aus dem Rahmen des Menschlich-Allzumenschlichen an den Flügel tritt und von dem Augenblick an ein neuer Mensch ist, der mit ein paar kurzen, festen Tatzen wie ein alter Tiger in die Klaviatur fährt, um Brahms, Schumann, Reger, Chopin – all die Großen – aufklingen zu lassen. „Ich empfand eine tiefe Ehrfurcht für alle diese Meisterwerke und für die, welche sie hier gab, mit ihrer ganzen Seele und ihrem ganzen Können. Hier klopft ein Künstlerherz, das sich in Ekstasen erging“, so lautet eine Kritik, und eine andere spricht von „rasseechter Musikalität“ (5) und eine von „Vollblut-Musikerin“, und die vierte sagt: „Eine grundmusikalische, der Größe fähige Frau – etwas Außerordentliches – ein Phänomen.“
Stimmen der Öffentlichkeit. Stimmen aus dem Reich. Über jede der Schwestern sind nur einige wenige Urteile hier festgehalten, doch sie dürften genügen, um uns einzuleuchten, dass die Gmeiners zu gutem Zweck aus unserer alten Heimat in die noch ältere des Mutterlandes ausgezogen sind, und dass sie alle ihr Ziel erreichen konnten, durch Fähigkeit und Segen begünstigt, wie es selten einer Familie geschenkt ist.
Siebenbürgen als Traum der Kindheit, als Quelle der Kraft steht, wie bei jedem seiner Kinder, so auch hinter dem Werdegang dieser drei Frauen – zeitweise scheinbar ganz vergessen, dann wieder sich jäh bewusst machend durch Heimweh aller Art; scheinbar überwunden und mit steigender Reife immer deutlicher hervortretend als Machtfaktor – in jedem dieser eigenartigen Schicksale –, unleugbar, wegbereitend und Wesen bestimmend. Die Heimat! Denn unter den siebenbürgischen Bergen werden wir geboren, um ihren Segen mit uns zu tragen, wohin auch das Schicksal uns führen mag.
1943
Ma.Co.
(Vorspann, redaktionelle Bearbeitung und Anmerkungen:
Wolfgang Wittstock)
Anmerkungen:
(1) Diese Klavierpädagogin konnte in verfügbaren einschlägigen Quellen nicht identifiziert werden.
(2) Ernst von Dohnányi (1877-1960) war ein ungarischer Pianist und Komponist; lehrte 1905-1915 an der Berliner Hochschule für Musik, wo er 1908 zum Professor ernannt wurde.
(3) Martin Krause (1853-1918) war ein deutscher Konzertpianist, Klavierpädagoge und Musikschriftsteller, dessen Schüler u.a. Claudio Arrau und Edwin Fischer waren.
(4) Isidore Philipp (1863-1958) war ein ungarischer Pianist und Musikpädagoge; lehrte am Pariser Konservatorium in den Jahren 1893-1934.
(5) Die vom damaligen Zeitgeist bzw. von der damals hoch im Kurs stehenden, inzwischen aus einleuchtenden Gründen verpönten Rassenlehre beeinflusste Formulierung von der „rassenechten Musikalität“ ist ein Zitat aus einer Konzertchronik, die am 21. Februar 1929 in der überregionalen niederländischen Tageszeitung „Nieuwe Rotterdamsche Courant“ (Neuer Rotterdamer Anzeiger) erschienen ist.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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