Kenia: Abenteuer im Tierparadies
23.08.24
Teil 2: Im Dorf der Masai
“Hummmbaaa! Hummmmbaaaa! Hummmmbaaa!“ So etwa klingen die Töne, die die jungen Männer mit üppigem Kopfschmuck, hölzernen Gehstöcken und Baumwolldecken mit rotem Karo-Muster von sich geben, während sie sich immer schneller um den Feuerplatz bewegen, der vor unseren Lodges im Masai Mara-Nationalpark eingerichtet wurde, sobald die Sonne untergegangen ist. Dann reihen sie sich auf. Abwechselnd tritt einer von ihnen hervor und springt hoch in die Luft, während die anderen im Hintergrund mit den Halsketten klimpern. „Im Stamm der Masai gelten hoch springende Männer als athletisch und attraktiv“, erklärt uns Nalepo, einer der jungen Männer. Sein Name bedeutet „in der Nacht geboren“ und er lebt in einem kleinen Dorf, ein paar Kilometer von unser Unterkunft entfernt.
Ein Mann muss hoch springen und 20 Kühe besitzen
Für den Besuch ins Masai-Dorf, das am nächsten Tag nach unserem Game Drive erfolgt, hatten wir schon 50 Dollar pro Person gezahlt- eine Art Eintrittskarte in eine Welt, die uns fremd ist. Die Masai sind Halbnomaden und zählen zu den bekanntesten Völkern Kenias und Tansanias. Historisch gesehen gehören sie zur Gruppe der Niloten und nennen eine unglaublich reiche Kultur ihr Eigen – von ihrer auffallender roten Kleidung über ihre Sprache bis hin zu ihren Traditionen. 78 Prozent der 45.000 Masai in der Region um den Masai Mara Nationalpark haben laut Studien weniger als einen Euro pro Tag zur Verfügung. Um ihr einfaches Leben abseits der Städte weiterführen zu können, setzen die Masai seit etlichen Jahren verstärkt auf Tourismus.
Am farbenfrohen Outfit der Masais kann man sich nicht sattsehen. Man erkennt sie von Weitem: die Masai-Frauen tragen am Körper einen karierten, meist roten Umhang (Shouka) und in den ausgeweiteten Ohrläppchen ihrer kahl geschorenen Köpfe lange, silberne oder selbst gemachte Perlenohrringe (el tanga). Um den Hals tragen sie schwere Halsketten (enkarewa) und um die Gelenke bunte Perlenbänder. Oftmals kommt ein Kopfschmuck hinzu, der ebenfalls aus silbernen Schmuckornamenten und bunten Perlen besteht.Aus dem Gummi alter LKW Reifen werden Sandalen hergestellt, die sowohl von den männlichen als auch weiblichen Massai getragen werden.
Im Dorf angekommen führen Nalepo und andere jungen Männer den Tanz erneut auf. Neben der Sprung-Show bekommt man eine Demonstration, wie die Masai durch die Reibung zweier Hölzer Feuer machen. Es genügt nicht, dass man hoch springen kann. Um heiraten zu können, braucht ein Mann 20 Kühe. Dann kann er eine Frau bekommen.
„There is no love“
Für die Massai spielen Rinder und Ziegen in Religion, Nahrung, Medizin und Beziehungen eine große Rolle. Reichtum wird noch heute an der Zahl der Rinder gemessen. Dem Massai-Glauben nach leben sie durch den Verzehr der Viehprodukte im Einklang mit ihrem Gott. Die früheren Massai haben sich fast nur von Tierprodukten ernährt – meist von einer Mixtur aus Blut und Milch (saroi), zu besonderen Anlässen auch von Fleisch. Heute ergänzen Reis, Mais, Gemüse, Fladenbrot und Eier den Speiseplan. Wer zusätzliche 20 Kühe hat, kann sich auch eine zweite Frau leisten. Diese wird von der ersten Frau ausgewählt und wohnt in einem anderen Haus. Traditionell leben Masai polygam, üblicherweise ist ein Mann mit zwei Frauen verheiratet, mit jeder von ihnen hat er rund zehn Kinder. Der reichste Mann im Dorf hat 6 Frauen und kann sich nicht mehr erinnern, wie viele Kinder er hat. Nalepo selbst hat vorläufig eine einzige Ehefrau, Nalutuesha. Ihr Name bedeutet: das Mädchen, das während des Regens geboren wurde. Zusammen wohnen sie in einer stockdunklen, aus Kuhdung gekleisterte Hütte, die von Nalutuesha gebaut wurde. Denn bei den Masai bauen die Frauen die Häuser. „There is no love“, erklärt Nalepo. „Es gibt keine Liebe“. Heiraten und eine Ehe führen hat bei den Masai nichts mit Gefühlen zu tun. Nalepo erklärt, dass das Feuermachen eine der wenigen Aufgaben ist, bei denen die Männer im Dorf den Frauen helfen. Kochen und Kinderobhut ist reine Frauensache, auch für den Hausbau sind die Frauen zuständig. Zusätzlich basteln sie bunten Schmuck aus Plastikperlen, der an Touristen verkauft wird. Die Männer kümmern sich um das Vieh und engagieren sich als Touristenführer.
Ein ungutes Gefühl
Wir werfen einen Blick in die Häuser und Hütten und lernen, wie die Dörfer organisiert sind. Während die Frauen Häuser bauen, kochen, Schmuck herstellen und auf die Kinder aufpassen, ziehen die Männer mit den Rindern, Schafen oder Ziegen durch die endlosen Ebenen. Zum Schutz von Leoparden ist das Dorf von Dornbüschen umgeben, die Kühe und Ziegen übernachten in der Dorfmitte. Nachdem Nalepo über das Leben im Masai-Dorf erzählt und unsere fragen beantwortet, werden wir auf den „Marktplatz“ geführt. Hier werden wir angefordert, Souvenirs zu kaufen. Je ein Masai begleitet uns durch den Markt. Auf den Ständen sind mit bunten Steinen bestickte Armbänder, Ledergürtel, Holzlöffel, Nashorn-, Zebra- und Giraffen-Statuetten aus Marmor, Decken, Ohrringe, Becherhalter- auf keinen von ihnen steht ein Preis. Merkt der Masai, das dir etwas gefällt, wirft er es einfach in eine bunte Decke. Am Ende der Shopping-Tour wird die Decke mit den Souvenirs vor dem Touristen auf den Boden gelegt und eine bizarre Handel-Aktion beginnt. Der zuständige Masai kritzt den Preis, den er für die Souvenirs verlangt, mit einem Ast auf seinen Arm. Für einen Holzlöffel, einen Kühlschrankmagneten und ein buntes Armband will er nicht weniger als 80 Dollar. Ich muss meinen Preis daneben schreiben. Also nehme ich den Ast und kritzele die Zahl 15. Dann schreibt der Masai die Zahl 75 und es geht weiter, bis ich die drei Souvenirs für 25 Dollar haben kann. Inzwischen haben sich mehrere ältere Männer um uns herum versammelt, ich fühle mich umzingelt und sie drängen mich regelrecht, das Geld aus dem Portemonnaie herauszunehmen. Das passiert jedem von uns. Wir fühlen uns gezwungen, die Souvenirs zu kaufen.
Als wir am Ende der Dorfbesichtigung wieder in unseren Jeeps sind, haben wir ein ungutes Gefühl. Einerseits will man als Europäer helfen und das Dorf unterstützen, aber vielleicht wäre es besser gewesen wenn wir gespendet hätten und wenn die Marktplatz-Geschichte, als wir bedrängt wurden, Souvenirs zu kaufen, nicht stattgefunden hätte. Man fühlt sich dabei wie ein Geldbeutel mit zwei Beinen, aus dem die Masai soviel Geld wie möglich herausholen wollen. Am Ende fragt man sich, ob diese Erfahrung authentisch war.
Wir verlassen das Dorf und kehren zu unserer Unterkunft zurück. Um 18 Uhr ist es schon dunkel und nach dem Abendessen werden wir von Masais mit Speeren zu unseren Lodges begleitet. Um 22 Uhr geht der Generator und damit das Licht aus. Wir fallen erschöpft in unsere Zeltbetten. Draußen hören wir noch die Schreie der Hyänen, bevor wir einschlafen.
Elise Wilk
Fortsetzung folgt
Junge Masai bieten eine Tanz-Show für Touristen. Foto: die Verfasserin
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