Matild und der Mineralwasserkönig
07.02.25
Wie eine einzigartige Heilquelle in Bodoc gerettet wurde
Eine Fotoreportage von Elise Wilk und Laura Căpățână-Juller
„Darf ich ihnen einschenken?”, fragt Sorin Dănilă. Es ist ein grauer Januarmittag und wir sitzen an einem langen Holztisch im administrativen Gebäude der Mineralwasserfabrik aus Bodoc im Kreis Covasna. In den Kristallbechern, die vor uns auf dem Tisch stehen, sprudelt eine gelbliche Flüssigkeit. Wir trinken und es schmeckt köstlich. Und langsam schwindet auch die Müdigkeit. Es ist kein teurer Champagner, sondern Mineralwasser aus einer 0.33 Liter grünen Glasflasche, mit einem roten Etikett versehen. Darauf steht der Name Matild und das Jahr 1802. Darunter Fe Li Si- also Eisen, Lithium und Silicium. „Was sie hier trinken, ist der Champagner der Mineralwässer. Also sollte es auch wie Champagner getrunken werden- in teuren Kristallgläsern“. An den Wänden des Büros hängen Poster mit alter Werbung. Auf einem gelben Plakat sind mehrere Flugzeuge in Form von Flaschen abgebildet, die über einer Stadt fliegen. Das Matild-Wasser soll Flügel verleihen. Auf anderen Plakaten sind Wasserflaschen mit einem sehr schönen Etikett abgebildet, im Hintergrund sieht man die Berge. Sorin Dănilă ist stolz auf die Werbeplakate, auf die Kollektion mit alten Bodoc-Mineralwasserflaschen, auf die kleine Fabrik am Fuße der Berge und auf die Quelle Matild. Es ist, als ob er einen Schatz gefunden hätte, ein Geschenk der Natur, das er auch an andere Menschen weitergeben will. Das Wasser in den Kristallbechern erinnert ihn an den Geschmack der Kindheit, als alles so einfach war.
Die Verlobte des Grafen und der Erfolg in Wien
Die Ortschaft Bodoc liegt 11 Kilometer nördlich von Sankt Georgen, am linken Ufer des Alt-Flusses und am Fuße des Bodoc-Gebirges, auf einer Höhe von 549 Metern. Das Gebiet ist sehr reich an Mineralwasserquellen mit den unterschiedlichsten chemischen Zusammensetzungen. Die Quelle Matild hat ein bikarbonathaltiges, alkalisches, leicht salzhaltiges Wasser mit einem hohen Anteil an gelösten Mineralelementen aus dem Karpatengestein. Auf dieser Quelle wurde vor 223 Jahren die Fabrik gebaut. Der erste Unternehmer, der die Abfüllstation mietete, war der Graf Gyorgy Josef, der die Quelle nach seiner Verlobten Mathild benannte und den Ruhm des Mineralwassers in der ganzen Welt verbreitete. Auf seinen vielen Reisen nahm er immer ein paar Flaschen Wasser aus Bodoc mit. Der gespritzte Weißwein schmeckte mit Matild-Mineralwasser am besten. Das haben auch die Inhaber der Gaststätten aus Wien, wo Gyorgy ständig verkehrte, schnell erkannt. Bis zur Zwangsverstaatlichung im Jahr 1848 befand sich die Mineralquelle im gemeinsamen Besitz von 9 umliegenden Dörfern, wobei die eingenommenen Steuern ausreichten, um die Abgaben an den Staat zu bezahlen. Gleichzeitig hatte jeder Dorfbewohner einmal in der Woche freien Zugang zur Quelle. Seit der Entdeckung der Quellen im Dorf suchten die Bewohner immer seltener einen Arzt auf, wenn sie gesundheitliche Probleme hatten. Sie vertrauten eher der Wirkung des Wassers. Tatsächlich sind die heilenden Kräfte dieses alten Naturheilmittels schon seit 1802 wissenschaftlich bestätigt, denn die Mineralstoffe und Spurenelemente, die auf natürliche Weise im Wasser vorkommen, sind besonders wertvoll für die Gesundheit. Stoffe wie Hydrogencarbonat, Sodium, Eisen, Kalzium, Magnesium, Natrium, Silizium und Lithium, mit denen das Wasser von den tiefen Gesteinsschichten im Boden angereichert wird, können Beschwerden vorbeugen, lindern oder heilen.
Vom Suchen und Finden
Jahrhunderte später verzauberte die Heilquelle am Fuße der Berge auch einen Rumänen aus Buzău. Sorin Dănilă war kein Mensch, der das ganze Leben an einem einzigen Ort verbringt. Den Unternehmer hat es immer in die weite Welt gelockt, dauernd auf der Suche nach einem gewissen Etwas. Nach der Wende ist er zuerst nach England gezogen, mit 20 Dollar in der Tasche.Von dort zurück nach Rumänien, wo er in den chaotischen 90er Jahren das erste McDonald's-Restaurant im Erdgeschoß des Bukarester Unirea-Kaufhauses eröffnete. Danach hat er ein Jahr in Ungarn gearbeitet, anschließend bei Pepsi in Russland. „Ich wollte aber immer selbstständig sein, ich fühlte, dass ich mich auf diese Weise besser ausdrücken kann als in einem System”. Nachdem Putin an die Macht kam, kehrte Dănilă nach Rumänien zurück. Doch hier gab es nach der Finanzkrise nur wenige Perspektiven. „Für das Deutsche hatte ich immer eine Sympathie. Ich hatte früher die Militärschule in Mediasch absolviert und habe mich in der siebenbürgischen Kleinstadt sehr gut gefühlt. Erst sind die Sachsen weggezogen, dann die Rumänen, das Land war verwahrlost, die Fabriken wurden eine nach der anderen geschlossen. Es gab wirklich nichts, was man aufbauen konnte“. In Rumänien hatte er die Borsch-Marke Dănilă gegründet, die seit 25 Jahren auf dem Markt ist. Doch das war nicht genug. Also hat Dănilă beschlossen, in Deutschland sein Glück zu versuchen. Mit über 45 Jahren sind er und seine Frau zusammen mit den zwei Söhnen nach Berlin gezogen - sie sprachen kein Wort Deutsch. In der deutschen Hauptstadt eröffnete er eine Bio-Burger-Bude, Ludmila leitete eine Bankfiliale. Doch Sorin hat schnell gemerkt - auch in der deutschen Hauptstadt konnte er nicht finden, was er suchte. Er war unzufrieden, kehrte nach Rumänien zurück. Dort hatte er nämlich etwas gefunden.
Die drei Bs: Bodoc, Biborțeni und Borsec
Das Bodoc-Mineralwasser kannte Sorin Dănilă schon aus seiner Kindheit. „Im Kommunismus sagte man, die besten Mineralwasser fangen mit dem Buchstaben B an: Bodoc, Biborțeni und Borsec”. Als er noch in Bukarest lebte und viel für sein Geschäft mit Borsch arbeitete, war er abends so kaputt, dass er kaum noch Energie hatte, mit seinen Kindern zu spielen. „Ich trank dann einen Liter Bodoc und war wie neu, konnte mit meinen Söhnen in den Park gehen”. Damals konnte er das Bodoc-Wasser in Glasflaschen aus einem kleinen Laden in Bukarest kaufen. „Man musste Beziehungen haben, um an Bodoc-Wasser zu gelangen. Anfang der 2000er Jahre gab es vor dem Tor der Fabrik in Covasna eine kilometerlange Autoschlange, so beliebt war es. Doch dann haben sie zur Plastikflasche gewechselt - es war einfacher und billiger”, erzählt Dănilă. Aber Plastik änderte den Geschmack des Wassers. Und dann kam die Finanzkrise und man musste Insolvenz anmelden. Das Bodoc-Wasser verschwand komplett vom Markt, Dănilă vermisste es. In Deutschland lief der Bio-Burger Laden nicht so, wie er es sich erhofft hatte. Er war noch immer auf der Suche nach einem Produkt, das nützlich und gesund sein sollte. „2016 habe ich dann nachgeschaut, welche Fabriken in Rumänien zu verkaufen waren und konnte es fast nicht glauben, als ich Bodoc auf der Liste sah”. Dann kam er ins kleine Dorf aus Covasna und sah die Quelle Matild. Sie hat es ihm angetan. Er hatte gefunden, was er sein ganzes Leben lang gesucht hat. „Ich ziehe nach Bodoc. Entweder kommt ihr mit, oder ihr bleibt in Berlin.”, sagte er zu seiner Familie. Jetzt lebt seine Frau mit dem jüngeren Sohn in Deutschland, Sorin seit acht Jahren in Bodoc. Vor kurzem ist Tudor, der ältere Sohn, nach Bodoc gezogen, um seinem Vater zu helfen. Er findet es spannend und genießt die Ruhe im kleinen Dorf. „In diesem Moment reitet Rumänien eine gute Welle, es ist wie beim Surf“, meint sein Vater optimistisch. Dass er nach Bodoc gezogen ist, bereut er keinen Moment. „Es ist eine Chance, die nur einmal in mehreren Generationen kommt - man muss sie ergreifen”. Die Matild-Quelle, die 1964 stillgelegt wurde, wurde 2018 wiedereröffnet. Das Wasser hat einen ausgeprägten Geschmack und ist dank seiner seltenen Zusammensetzung, die reich an natürlichem Bikarbonat ist, exklusiv.
Das Wasser, das man essen kann
Es gibt drei Arten von Bodoc-Mineralwasser. Erstmals das „originelle” Matild mit schwarzem Etikett. „Das ist ein Wasser, das man essen kann. Oft verwechseln wir den Durst mit dem Hunger. Weil herkömmliches Wasser nur schwach mineralisiert ist, greifen wir zur Nahrung, um die Mineralien von dort zu nehmen. Wir essen viel zu viel. Dabei deckt das Matild-Mineralwasser ein Viertel der Bedürfnisse für eine ausgewogene Ernährung”.
Dann gibt es noch FeLiSi- die Flasche mit rotem Etikett- etwas reicher an Eisen, Lithium und Silicium. „Das macht so viel wie 10 Gläser herkömmliches Wasser”.
Und dann gibt es das Bodoc-Wasser, das mehr Kohlendioxid hat und sehr gut für Apfelschorle oder Weinspritzer ist. „Es hat eine hohe Konsistenz an Elektrolyten, es ist ein komplettes Wasser. Experten raten dazu, nicht immer dasselbe Wasser zu trinken, denn sie enthalten verschiedene Mineralstoffe. Doch wenn man Matild trinkt, braucht man nicht zu wechseln, denn es ist ein komplettes Wasser. Wir versuchen, das Wasser lebendig zu halten. Wir füllen es ab ohne Filtration, ohne Lagerung, ohne Imprägnierung, um die Energie im Wasser nicht zu zerstören. Deshalb füllen wir es nur in 0,33 Liter-Flaschen ab, wir füllen die Flaschen ganz, es bleibt keine Luft drinnen, damit es nicht oxidiert und seine Energie verliert”. Sie verkaufen das Wasser nur kistenweise, denn es ist wie eine Kur. „Man sollte es am Vormittag trinken, dann hat man Energie und konzentriert sich besser.”, meint Dănilă.
Auch seine Frau Ludmila schätzt die positiven Effekte des Wassers. Als sie einmal in Heilwasser badete, war ihr Körper mit so viel Energie aufgeladen, dass sie erst um drei Uhr morgens einschlafen konnte. Eisen ist bekannt dafür, dass es Müdigkeit und Trägheit bekämpft. Auch Herzklopfen, Schwindel und Atemschwierigkeiten können durch regelmäßige Anwendung von eisenhaltigem Heilwasser gelindert oder geheilt werden. Die Zufuhr von Eisen durch Wasser wird schon Säuglingen und Kleinkindern, aber auch Vegetariern empfohlen.
Gute Laune und starke Knochen
Es reicht schon eine Flasche von 0,33 solchem Wasser, um eine bessere Laune und mehr Lebenslust zu haben. Das Lithium hat positive Wirkung auf die Psyche, verbessert das mentale Gleichgewicht und verkleinert aggressives Verhalten. Es stärkt die Erinnerungskraft und ist gut gegen Melancholie. Sorin Danilă erinnert sich an eine Kundin, die unter Stress litt und Medikamente gegen Gastritis nehmen musste. Nach einer zweimonatigen Kur mit dem Heilwasser aus Covasna hat sie keine Pillen mehr benötigt. Eine andere Kundin kauft seit Jahren Wasser von Danila. Der Siliziumgehalt hilft ihren Knochen und Gelenken und sie versucht so unter anderem die Osteoporose vorzubeugen. Der Stoff ist gut auch gegen Arthrose oder Arthritis, stärkt die Nägel und Haare, verjüngt die Haut. „Ich hatte immer wieder Nierengrieß in meinen jüngeren Jahren. In der Pandemie, als ich für Routineuntersuchungen in einer Klinik war, habe ich die Ärztin gefragt, wie es um den Nierengrieß steht. Sie war überrascht von der Frage. Es fehlte jede Spur davon”, erinnert sich Sorin Danilă. Der tägliche Konsum von ein-zwei Flaschen Heilwasser hat seine Nierenfunktion gefördert und die Schadstoffe besser ausgeschwemmt. Eine andere Kundin, die am Bahnhof von Sinaia arbeitet, hat mit Hilfe des Wunderwassers Matild über 20 Kilo abgenommen. Die Mineralstoffe in der Flüssigkeit haben ein Sättigungsgefühl ausgelöst, so dass sie nur noch das Nötige gegessen hat. „Ich habe sie kaum erkannt, als ich sie nach einigen Monaten getroffen habe. Sie war plötzlich schlank und sah viel gesünder aus”.
Der Wunsch des Unternehmers ist, dass immer mehr Menschen die heilende Kraft dieses Wassers entdecken. „Wir sind zwar theoretisch das Heimatland des Mineralwassers, aber wenn ein Japaner kommt und auf die Speisekarte schaut, sieht er nur eine einzige Mineralwassermarke, weil die Restaurants Verträge mit großen Unternehmen haben. Solange der Staat kein Gesetz erlässt, das den Restaurants vorschreibt, mindestens fünf Marken natürlichen Mineralwassers anzubieten, bleibt die Bezeichnung Rumäniens als 'Heimatland des Mineralwassers' nur theoretisch“. Dănilă selbst trinkt eine bis zwei Flaschen Mineralwasser pro Tag. „Und immer nur, wieviel mein Körper verlangt, denn er weiß am besten, was er braucht“.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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