Nachlese zur Frankfurter Buchmesse 2010
28.10.10
Die 62. Frankfurter Buchmesse beeindruckte ihre Besucher vom 6. – 10. Oktober mit 7000 Ausstellern aus 110 Ländern und mit einem Großaufgebot von Autoren, die sich an den Verlagsständen der Öffentlichkeit präsentierten.
Gastland war Argentinien, das auch in diesem Jahr den 200. Jahrestag seiner Unabhängigkeit von Spanien feierte! Argentinien war und ist ein Einwanderungsland, so dass die Mehrheit der knapp 41 Millionen Einwohner europäischer Abstammung ist. Die Argentinier sind ein lesefreudiges Volk, und durch die zahlreichen Einwanderer wurde das Land zu einem Schmelztiegel „von Kulturen aus aller Welt“ wie es der Schriftsteller und Literaturprofessor Mario Goloboff formulierte. Er stammt aus einer jüdisch-ukrainischen Familie, wo im Elternhaus noch Jiddisch gesprochen wurde. Zur Buchmesse stellte er eine Anthologie von Autoren zusammen, die während der Militärdiktatur ermordet wurden oder im Exil überlebten. Ja, gerade diese sieben Jahre der Diktatur von 1977 bis 1983, da mehr als 30.000 Menschen verschwanden, und ihre Folgen, sind ein brennendes Thema der argentinischen Literatur. Vor allem der jüngeren Autorengeneration geht es um eine Aufarbeitung dieser grausamen Zeit des Militärregimes. Martin Kohan, Jahrgang 1967, gehört dazu; sein Buch „Sittenlehre“ ist gerade auf deutsch erschienen. Ebenso Tomás Eloy Martínez, der mit seinem Buch „Purgatorio” ein beklemmendes Bild seiner Heimat schuf.
Die argentinische Regierung hat es sich nicht nehmen lassen und 300 Titel von 230 Autoren gefördert, um sie in 33 Sprachen auf der Buchmesse zu präsentieren!
Zahlreiche Lesungen fanden nicht nur am Stand Argentiniens statt, wo sich knapp 60 Autoren immer wieder ein Stelldichein gaben, sondern z.B. wurde am Stand der Bertelsmann-Stiftung mit namhaften deutschen und argentinischen Experten über das Thema „Linksruck, Rechtsputsch, Drogenkrieg und Korruption“ diskutiert, um Perspektiven einer modernen, unabhängigen Demokratie des lateinamerikanischen Kontinents aufzuzeigen.
Natürlich war auch die Politik zugegen - nicht nur zur Eröffnung durch die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner und Bundesaußenminister Guido Westerwelle!
Denn zahlreiche Politiker stellten ihre Herbst-Neuerscheinungen vor, so Peer Steinbrück, der ehemalige Bundesfinanzminister der Großen Koalition, der in seinem Buch „Unterm Strich“ mit der Politik, den Finanzmärkten und seiner eigenen Partei abrechnet. Oder Edzard Reuter, der frühere Daimler Manager, sprach am Stand der ‚Frankfurter Rundschau’ über „Die Stunde der Heuchler“, oder Ingrid Betancourt, die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Kolumbiens, die über ihre Gefangenschaft in der kolumbianischen Hölle berichtet: „Kein Schweigen, das nicht endet“.
Da das Gelände der Buchmesse sehr weitläufig ist, empfiehlt es sich, gemäß der Aufteilung der Hallen nach Sachgebieten, sich vorab mit einem entsprechenden „Laufplan“ auszustatten und Schwerpunkte zu setzen!
Ein weiterer Schwerpunkt waren für mich – die osteuropäischen Verlags- bzw. Landespräsentationen. Zum Beispiel hatte die Tschechische Republik ihren Stand, mit einer Vielzahl von Verlagen, sehr harmonisch gestaltet: Leseecken wechselten sich mit Informationsständen ab. Es lag die ‚Prager Zeitung’ zum Mitnehmen aus, sowie ein beeindruckendes Buchprogramm in deutscher Sprache.
Kompetente Buchhändlerinnen informierten über derzeit laufende Ausstellungen und Kulturprogramme in Prag sowie über die 17. internationale Buchmesse, die vom 12. – 15. Mai 2011 in Prag stattfinden wird.
Ähnlich informativ ging es an den Ständen von Polen, Russland und Ungarn zu.
Und Rumänien? Der Stand war eine herbe Enttäuschung und lud nicht zum Verweilen ein! Es fehlte eine harmonisch gestaltete Aufteilung, es gab keine Lesenischen und Verlagsangaben suchte ich vergeblich. Sowohl die „ADZ“ als auch die „Hermannstädter Zeitung“ fehlten, und die gerade stattfindende Lesung von Joachim Gremm, aus seinem Buch „Siebenbürgische Reise“, hörte sich nur eine Handvoll Menschen an.
Schade! Rumänien hätte kulturell klotzen können, aber das Land verpasste wieder einmal eine Chance.
Elke Sabiel
Foto 1
Joachim Gremm las aus seinem Buch „Siebenbürgische Reise“.
Foto: die Verfasserin
Foto 2
Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sprach über sein Buch „Unterm Strich".
Foto: Elke Sabiel
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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