Presse, Im- und andere Pressionen
03.11.11
In Ungarn, Deutschland - und anderswo
Das Hin und Her um ethnische Zugehörigkeit, Isolation und Integration - es führt offenbar europaweit zu nichts anderem als intellektueller (Selbst-)Desintegration. Was allemal hilft, ist ein Ouentchen Ironie, das man zumal in Deutschland so oft bitter vermisst. lronie vermag schließlich nur zu leisten, wer sich auch Selbstironie leistet. Drum übernehmen wir diese erfrischende Glosse aus der in Budapest erscheinenden „Neuen Zeitung".
Auch wer dem Fernsehen nicht zugeschaut hat, wird in Ungarn wohl wissen, wer Renata Tolvai ist. Das junge Mädchen aus Großwardein/Oradea in Rumänien sang sich bis zum Sieg in einem Gesangstournier für junge Talente. Sie sprach bereits während der Show in kurzen Sätzen, man hatte manchmal das Gefühl, als wäre sie sprachlich unsicher, aber welche Neunzehnjährige ist es heute nicht? Nur spärlich sickerten dann die Informationen durch, dass unsere Renata väterlicherseits ungarischer, mütterlicherseits rumänischer Herkunft sei und dass sie ihr Glück mit dem Singen bereits auch in Rumänien gesucht hatte. Vor allem mit der Oma habe sie ungarisch gesprochen, deshalb habe sie Schwierigkeiten mit der Sprache, bekannte sie später.
Reni ist ein liebenswertes Mädchen, und singen kann sie auch. Ich habe mir überlegt, was wäre, wenn eine begabte Ungarndeutsche mit einem ungarischen Pass und in Ungarn lebend an einer ähnlichen Show in Deutschland teilnehmen und eventuell gewinnen würde? Die ganze deutsche Presse würde von einer begabten Ungarin mit guten Deutschkenntnissen schreiben. Mit keinem Wort würde man versuchen, aus der talentierten Ungarin eine Deutsche zu machen.
Und was ist hier passiert:? Man hat kaum über Renis rumänische Wurzeln gesprochen, sie wurde von Anfang an als eine Ungarin behandelt, als eine von hier, die ihre Wurzeln eben in Großwardein hat. Es zählen nicht ihre rumänischen ethnischen Wurzeln und dass sie besser Rumänisch als Ungarisch spricht. Das ist mir persönlich sympathischer als das, was ich mir über das mögliche Schicksal einer Ungarndeutschen in Deutschland vorstellen konnte.
Dann hat Reni einen Heimatbesuch gemacht, sie erhielt sogar eine Auszeichnung von der Stadt, weil sie mit ihrem Sieg viel für Großwardein geleistet habe. Eine schöne Geste, mich freut es. Doch ich habe kein einziges Bild und gar keinen Bericht darüber in der ungarischen Presse gesehen. Wer braucht schon eine rumänische Reni, wenn man soviel für ihre Magyarisierung getan hat? An Berichterstattung kam das große Nichts, nur eine kleine wortkarge Meldung. Ich kann mir gut vorstellen, wie die deutsche Presse über unsere „Ungarin" berichtet hätte.
Wer nicht astrein ist, wird in manchen Ländern einverleibt, in anderen ethnisch-kulturell draußen vor der Tür gehalten. Schuld sind daran natürlich nicht die Länder und Staaten, schuld sind wir, die nicht so einfach eingeordnet werden können. Weiß der Teufel, wozu es uns überhaupt gibt. Nicht wahr?
cl (Neue Zeitung Budapest - KK)
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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