Siebenbürgisch-sächsische Studenten gegen Einreihung in die Waffen-SS
22.04.10
Ein dokumentarischer Beitrag mitgeteilt und kommentiert von Michael Kroner (III)
Als der Krieg am 1. September ausbrach, befand sich eine Gruppe in einem Zeltlager in Schlesien, eine andere in einem Schloss bei Berlin. Die 16- bis 18-Jährigen wurden von Willi Depner aufgefordert, sich freiwillig für die SS zu melden. Wer Bedenken hatte, auf den wurde Druck ausgeübt. Schließlich meldeten sich alle Jungen und teilten ihre Entscheidung ihren Eltern mit. Diese reagierten jedoch ablehnend und forderten deren Heimkehr, was auch geschah. Sonst wurde aber eine unbekannte Zahl von Arbeitern und Studenten in Deutschland für die Waffen-SS rekrutiert. Da mit der Dauer des Krieges die freiwilligen Eintritte abnahmen, erfolgte die Rekrutierung 1943 unter Zwang. In diese Aktion reiht sich ein, der Versuch die sächsischen Studenten in Wien für die SS zu werben.
Nach der Schlacht von Stalingrad hatten einige Tausend versprengte rumäniendeutsche Angehörige der rumänischen Armee bei der deutschen Wehrmacht Unterschlupf gefunden. Zusammen mit sonstigen Überläufern befanden sich im Frühjahr 1943 etwa 15.000 bis 20.000 so genannte Volksdeutsche aus Rumänien in deutschen Militärverbänden. Angesichts dieser Tatsache bemühte man sich deutscherseits um eine Regelung für legale Werbungen. Bei Verhandlungen im März 1943 zwischen dem Staatsführer Rumäniens, Marschall Ion Antonescu, und dem reichsdeutschen Gesandten in Bukarest, Manfred von Killinger, signalisierte der rumänische Staatsführer Entgegenkommen. Während des Besuchs Antonescus bei Hitler in Kleßheim am 12. und 13. April gab er seine grundsätzliche Zustimmung zur Werbung für die Waffen-SS. Der Vertrag darüber wurde am 12. Mai 1943 in Bukarest unterzeichnet und sah die freiwillige Rekrutierung der wehrfähigen Volksdeutschen vor.
Die Volksgruppenführung war natürlich über diese Verhandlungen informiert, und Andreas Schmidt zeigte sich wieder einmal übereifrig und begann die Rekrutierung vor der Unterzeichnung des Abkommens. Dazu gehörte auch sein Schreiben mit der Initiative die rumäniendeutschen Studenten in die Waffen-SS aufzunehmen. Als die Eltern der in Wien studierenden Studenten, wie aus dem oben mitgeteilten Protokoll hervorgeht, bei der Volksgruppenführung vorstellig wurden und gegen das Vorgehen von Andreas Schmidt protestierten, wies sie Otto Liess darauf hin, dass dessen Handlung bald eine vertragsmäßige Regelung finden werde, was dann auch geschah. Was mit den Studenten nach Abschluss des Vertrages geschah, ist mir nicht bekannt. Im Allgemeinen wurden aber alle Wehrfähigen, ob im Reich oder in Rumänien, für die Waffen-SS rekrutiert. Vielleicht melden sich einige Betroffene und geben Aufschluss über diese Aktion.
Uns interessiert vor allem der Aspekt der freiwilligen Einreihung in die Waffen-SS, und auf den wollten auch die Eltern hinweisen, als sie am 3. Oktober 1945 die Protokolle vom März 1943 mit ihren Protesten bei Notar Fraetschkes beglaubigen und hinterlegen ließen. Und dieser Fall zeigt, dass die Rumäniendeutschen sich nicht vorbehaltlos und ohne Sachzwänge dem Einberufungsbefehl zur Waffen-SS gestellt haben. In seiner jüngst erschienenen und bisher umfangreichsten Monographie über Rumäniendeutsche in der Waffen-SS schreibt Paul Milata: „Die Mehrheit der 63000 rumäniendeutschen Waffen-SS-Männer meldete sich feiwillig zu den ´Deutschen´. Ihr Eintritt war aber weniger ein politisch-kulturell bedingter Rausch, sondern das Ergebnis einer nüchternen Berücksichtigung der möglichen und bekannten Alternativen im dreifachen Spannungsfeld zwischen Berlin, Moskau und Bukarest. Kurz - der rumäniendeutsche Eintritt in die Waffen-SS war nicht nur eine Geste der Unterstützung NS-Deutschlands – trotz oder wegen Hitler – sondern auch eine Reaktion auf das nationalistische System Rumäniens ab 1918 und ein deutliches Zeugnis gegen die Sowjetunion stalinistischer Prägung“. Daher der Titel des Buches „Zwischen Hitler, Stalin und Antonescu“. Und an anderer Stelle der Arbeit heißt es: „Der Eintritt in die SS lässt sich weder auf Zwang noch auf den ´Ruf des Blutes´ reduzieren, sondern war das Ergebnis multikausaler, individueller Abwägung für und wider die Waffen-SS.“ Vor die Alternative gestellt, in die wegen ihres schlechten Rufes bekannte rumänische „armata“ oder die besser ausgestattete deutsche Armee eingezogen zu werden, entschloss sich die Mehrheit der wehrfähigen Deutschen für letztere, zumal man annahm, dass deren Todesrate an der Front geringer als bei den Rumänen sei. Es gab also verschiedene Argumente pro und contra Waffen-SS abzuwägen. Angesichts der erwähnten Umstände haben sich die meisten wehrfähigen Männer zwar freiwillig gestellt, wodurch keinesfalls die Zwangslage in der sie sich befanden und der auf sie ausgeübte Druck übersehen werden sollte.
(Aus „Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde“, Jahrgang 33/102/; 2008)
(Schluss)
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