07.01.10

Ein beachtlicher Teil der letzten Ausgaben der Volkszeitung, wurde 1959 den gewohnten Berichten über Planerfüllung gewidmet. Aus allen Wirtschaftsbereichen meldeten die „Kollektive mit Stolz“ die Überbietung der Soll-Zahlen. Neben leeren Parolen und Lobeshymnen sind jedoch auch einige durchaus interessante Nachrichten zu finden.
So wurde fast eine halbe Seite dem Schaffen eines „Meisters des Zeichentrickfilms“ gewidmet: Popescu-Gopo, der Ende 1959 schon beachtliche Erfolge vorzuweisen hatte, nicht nur im Ostblock. Erste Preise bei Filmfestspielen und Wettbewerben in Edinburgh, Cannes (Goldene Palme d´Or) und Tours konnte der Vater des „Menschleins, stellvertretend für die ganze Menschheit“ vorweisen. Seine zum Klassiker gewordene „Kurze Geschichte“ begleitete gleich mehrere Generationen und wird heute an Filmhochschulen als Lehrstoff eingesetzt.
Das zweite erwähnenswerte Ereignis am Jahresende kam zwar aus der Politik, doch erst die Kinofassung machte es richtig interessant: der USA-Staatsbesuch des russischen Partei- und Staatschefs N. S. Chruschtschow. Als Dokumentarfilm in voller Spielfilmlänge lockte der Streifen unerwartet viele Zuschauer an, wohlgemerkt: nicht Pflichtberufene durch Parteiorder, sondern schlicht Neugierige. Es war eine einmalige Gelegenheit Bilder aus der freien Welt zu sehen welche tatsächliche Leistungen zeigten und nicht die der Propagandawochenschau. Der zweiwöchige Besuch leitete die als „friedlichen Wettlauf“ in die Geschichte eingegangene Etappe ein.
Die letzte Nachricht betrifft Kronstadt und ein Gebäude über welches viele Zeitgenossen relativ wenig wissen: das heutige Dramentheater. Die Nachricht im Dezember 1959 klang so: „Aus Anlass des 15. Jahrestages der Befreiung unseres Vaterlandes, wurde dem Kollektiv des Stalinstädter Staatstheaters als Geschenk von Partei und Regierung das neue, imposante Theatergebäude am Lenin-Boulevard übergeben“.
In dem begleitenden Foto sind vor dem Gebäude mehrere Fußgänger zu sehen welche brav am Bordsteinrand stehen. Der Grund ist, dass sich damals an dieser Stelle eine Verkehrsampel befand, welche den Verkehr regelte. Nur zur Erinnerung: jahrelang war vor den Treppen des Theaters auch eine Bushaltestelle die erst nach zunehmendem Fahrzeugverkehr verlegt wurde.(HB)