Vor 50 Jahren
24.06.21
Grünes Licht für verstärkte Parteipropaganda
Anfang Juni begann die fast einmonatige Asienreise die Nicolae Ceausescu nach China, Nordkorea, in die Mongolische Volksrepublik und nach Nordvietnam unternahm. Es folgten die üblichen vorbestellten Glückwunschtelegramme von Parteiorganisationen, Betriebskollektiven, Vertretern aller Bevölkerungsgruppen an die Partei- und Staatsführung in dem über Freude und Stolz über diesen Besuch gesprochen wurde. „Die Begeisterung, die Liebe, die herzliche Freundschaft (…) bewiesen erneut das hohe Ansehen und die Wertschätzung, deren sich unser Land in der Welt erfreut“, heißt es zum Beispiel im Telegramm des Landesrates der Frauen. Während des Besuchs müssen die jubelnden Massen auf den Straßen Ceausescu stark beeindruckt haben denn solch eine Begeisterung und Einheit für die kommunistischen Ideale wünschte er auch in seiner Heimat zu sehen. Die direkte Folge dieses Besuchs war, dass am 6. Juli bei einer Sitzung des Exekutivkomitees des ZK der RKP Ceausescu Vorschläge unterbreitete „zu einigen Maßnahmen für die Verbesserung der politisch-ideologischen Tätigkeit, zur marxistisch-leninistischen Erziehung der Parteimitglieder und aller Werktätigen“. Deren „tagespolitische Aktualität“ veranlasste die KR-Redaktion ihren Wortlaut ungekürzt in der KR 27 vom 8. Juli abzudrucken. Es handelt sich dabei um eine viel stärkere Einmischung der Partei in allen Bereichen die mit Erziehung, Kultur und sogar mit der Freizeitgestaltung zu tun hatten. Stellvertretend dafür, der Vorschlag Nummer 13 betreffend Tätigkeit der Kinos: „Es sind Maßnahmen zu treffen für eine bessere Ausgeglichenheit der in unseren Kinos vorgeführten Filme, wobei die Vorführung von Detektiv- und Abenteuerfilme einzuschränken ist und Filme, die Gewalt und Vulgarität zum Gegenstand haben und für die bürgerliche Lebensweise eintreten, zu verbieten sind.“ Die nächste KR bringt auf siebeneinhalb Seiten die Darlegung Ceausescus „auf der Arbeitsberatung des Parteiaktivs aus dem Bereich der Ideologie sowie der politischen und kulturell-erzieherischen Tätigkeit“. Diese als Juli-Thesen bekannte Parteidokumente bedeuten ein Ende der bisherigen vorsichtigen Öffnung in der sozialistischen Gesellschaft der Endsechziger Jahren; der Beginn einer alles übergreifenden Parteipropaganda die im Personenkult um „Genosse Ceausescu“ und die Verherrlichung der Goldenen Ära („Epoca de Aur“) ihre Höhepunkte erreichen sollte.
In einem „Bewusst und aktiv“ betitelten redaktionellen Kommentar versucht die KR (Nr. 29) diesen neuen Parteikurs irgendwie leserfreundlich zu veranschaulichen und zu verteidigen. Er beginnt mit dem Satz. „Alles was wir tun, geht über den engen Kreis unserer individuellen Existenz hinaus.“ Das kommunistische Gedankengut wird zur Hauptsache denn: „Es genügt nicht, wenn ich fleißig und arbeitsam bin; ich muss wissen (mir bewusst sein) w a r u m und w o z u ich meine Pflicht tue. Und es reicht auch nicht aus, wenn nur ich das weiß. Wir alle müssen es wissen. Mehr jedenfalls, als wir es bisher gewusst haben.“
Zum Glück können die KR-Leser fast in jeder Nummer weiterhin interessante Beiträge zu Kultur, Heimatkunde, Wissenschaft aber auch Unterhaltsames vorfinden. Und auch Kritisches verschwindet noch nicht. Architekt Günther Schuller bemängelt die Art und Weise wie in der Zinnenstadt mit dem historischen Erbe (Alt-Kronstadt) umgegangen wird: Außer dem Ausbau von Unterbringungsmöglichkeit „verlangt man heute auch ein Milieu, eine Beachtung der spezifischen lokalen Eigenheiten, die nun einmal die Visitenkarte jeder Stadt sind. Dieser Forderung haben bis jetzt Hermannstadt und Schäßburg Rechnung getragen, Kronstadt aber nicht.“ In derselben KR 23 beschreibt Willi Zeidner den verwahrlosten Zustand der Sieben Leitern am Hohenstein.
Aus Salzburg würdigt Prof. Dr. Otto Folberth das damalige Jahrhundert-Jubiläum seit der Geburt von Nicolae Iorga („Ein Freund der Siebenbürger Sachsen“, KR 22). Er kann dazu persönliche Erinnerungen an den rumänischen Historiker und Politiker beisteuern. Illustriert wird der Beitrag mit Iorgas Porträt, gemalt seinerzeit auf Folberths Veranlassung von dem in Berlin lebenden sächsischen Maler Dr. Hermann Konnerth. Prof. Franz Killyen würdigt anlässlich des 250. Geburtstages Samuel von Brukenthal („Der Stifter des Brukenthalmuseums“ in KR 29). Anlässlich der zweiten Auflage des Kronstädter Kammermusikfestivals gibt es in der KR 27 eine von Frieder S. gezeichnete Chronik zu lesen, sowie ein von Elisabeth Axmann mit Wilhelm Berger geführtes Gespräch („Siebenbürgisch, europäisch“) und ein Interview mit Wolfgang Güttler („Virtuosität am Kontrabass“). Auf der Heimatkundeseite derselben KR spricht der Geographielehrer am Lyzeum Nr. 3, Paul Binder, der bereits als Forscher auf sich aufmerksam gemacht hatte, über seine Doktorarbeit „Kronstadt. Eine historisch-geographische Studie“. Prof. Dr. Valeriu Bologa erinnert sich in seinem Beitrag „Über jede sprachliche Grenze“ an die an der Honterusschule verbrachten Jahre. Schon damals schätzten rumänische Intellektuelle die Möglichkeit zur Vertiefung ihrer Deutschkenntnisse an dieser Schule: „Man legte darum in diesen Familien Wert darauf, dass die Kinder, von zarter Jugend auf, u.a. sich auch die deutsche Sprache, mit ihren großen Bildungsmöglichkeiten, aneignen. Eines der besten Mittel dazu war, einige Jahre lang die Honterusschule zu besuchen.“
Ralf Sudrigian
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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