Zwischen kommunistischer Propaganda und Tatsachen
04.11.10
Die Ausstellung "Der Donau-Schwarzmeer Kanal – ein vorprogrammierter Friedhof"
Bis zum 12. November kann in den Sälen des „Muresenilor“ – Gedenkhauses eine Ausstellung besichtigt werden welche ein zwar gut bekanntes doch noch ungenügend erforschtes Kapitel der neueren Geschichte widerspiegelt: das Mammutprojekt des Kanals quer durch die Dobrudscha.
Das Eröffnungswort sprach der Schriftsteller und Kurator der Ausstellung Romulus Rusan, der uns auch auf einige Fragen antwortete.
- Wie kam diese Ausstellung zustande und woher konnten Sie das vorgestellte Material ausfindig machen?
- Romulus Rusan: Die Ausstellung ist eigentlich der thematische Inhalt eines der Säle in der Gedenkstätte im einst berüchtigten Gefängnis in Sighet. Da im Verlauf der Jahre Unterlagen und Material dazugekommen ist, haben wir mit Unterstützung der Konrad-Adenauer Stiftung einige Ergänzungen gemacht, welche nun als Wanderausstellung in mehreren Städten des Landes gesehen werden kann. Was das ausgestellte Material betrifft, die Faksimile von Beschlüssen des Zentralkomitees der Rumänischen Arbeiterpartei zum Beispiel, diese stammen aus Archiven, das Fotomaterial, damit meine ich nur die Portraits einiger derer die durch das Lager gingen oder dort ihren Tod fanden stammen aus Untersuchungsakten der 50er Jahre oder aus Privatsammlungen.
- Es sind doch auch Namenslisten dabei, wo wurden diese gefunden?
- Das ist eine Geschichte für sich. Nach endgültiger Schließung der Baustelle 1954, gab es ein Gerichtsverfahren in dem Schuldige für das Scheitern des Vorhabens verurteilt wurden, eigentlich ein Schauprozess, in dem aber auch mehrere Todesurteile gefällt wurden. Es ging eigentlich darum, Mitwisser aus der Lagerführung zu beseitigen und um Spuren zu verwischen. Vor allem Letzteres wurde so gründlich gemacht, dass es fast unmöglich ist heute genaue Zahlen oder Namen in Archiven zu finden. Der Kanal mit seinen zeitweilig 14 Arbeitslagern funktionierte nämlich so: etwa 40.000 Inhaftierte, verurteilt als Staatsfeinde wurden ein bis zwei Jahre hier zu Zwangsarbeit eingesetzt, durch Rotation waren es insgesamt wahrscheinlich etwas über 100.000 die durch die Lager gingen, für wie gesagt, längere oder kürzere Zeit. Doch sehr viele wurden Opfer der äußerst schweren Arbeits- und Lebensbedingungen oder fehlenden ärztlichen Versorgung. Tödliche Arbeitsunfälle hat es sehr viele gegeben, dass wissen wir aus mündlichen Aussagen der Überlebenden. Da es keine Unterlagen über die Inhaftierten mehr gibt, haben wir bei den Ortsverwaltungen in den Dörfern entlang der Baustrecke Nachforschungen angestellt und einige, wenige, Namen von Verstorbenen ausfindig machen können. Für diesen Teil unserer Forschung haben wir Unterstützung seitens des Kreisrates Konstanza bekommen.
- Das sind also die Opfer welche außerhalb der Lager beigesetzt wurden?
- Richtig! Diese haben ein Grab, und, einige auch einen Totenschein, also eine nachvollziehbare Beweislage. Doch die welche bei Arbeiten durch Erdrutsche erfasst wurden oder im Lager selbst verstarben und beigesetzt wurden, von denen kennen wir weder Namen noch Grab und auch nur eine Dunkelziffer von Tausenden Opfern. Damals gab es, natürlich nicht in der offiziellen Propagandapresse oder den Wochenschauen im Kino, aber in Kreisen der Parteiführung ein zynisches Schlagwort: der Kanal ist das Grab der Bourgeoisie. Er war es tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes.
- Wie werden die weiteren Forschungsarbeiten bei dieser Sachlage vorankommen?
- Wir haben noch einen erheblichen Bestand an Gefängnisunterlagen welche wir auswerten. Aus diesen können wir nämlich die Namen derer herausfinden welche zeitweilig an den Kanal versetzt wurden. Hören jedoch die Aktenführungen genau in dieser Zeitspanne 1949-1953 auf, so müssen wir nach anderen Querverweisen suchen. Und diese sind schwer wenn nicht gar unmöglich zu finden.
- Wir danken für diese Ausführungen.
Die Fragen stellte
Hans Butmaloiu
Foto 1:
Anhand von Einzelschiksalen versucht die Ausstellung das Kollektivdrama der zahhlosen Opfer am Kanal nachzuvollziehen.
Foto 2:
Romulus Rusan bei der Eröffnung der Ausstellung.
Fotos: Hans Butmaloiu
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