APOLLONIA-HIRSCHER-PREISVERLEIHUNG 2001
Der wahre Erfolg, der dauernde, wuchs ihm zu
Laudatio auf Eckart Schlandt, den Träger des Apollonia-Hirscher-Preises für das Jahr 2001/Von Dr.-Ing. Dieter Simon, Vorsitzendem des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt
Es gibt wohl in den meisten Gemeinschaften und Städten Familien, die durch Generationen einen bestimmten Aspekt des gesellschaftlichen Lebens geprägt haben und deren beharrliches Wirken sie in den Rang still fortdauernder Institutionen gehoben hat.
Einen Vertreter dieser Familien, Herrn Eckart Schlandt, wollen wir heute als Preisträger des Apollonia-Hirscher-Preises des Jahres 2001 würdigen.
Eckart Schlandt wurde 1940 in Kronstadt in einer Musikerfamilie geboren. Sein Vater, der in Leipzig ausgebildete Konzertpianist Walter Schlandt, war vielen Generationen von Musikschülern und Honterianern Lehrer und Mentor und in der Zeitspanne 1963-65, als Nachfolger Victor Bickerichs, Kantor der Schwarzen Kirche. Zur Musik kam Eckart Schlandt durch die Atmosphäre des Elternhauses, anfangs unterrichtet vom Vater, ab dem 14. Lebensjahr vom strengen und anspruchsvollen Victor Bickerich, der ihm schon ab dem 16. Lebensjahr Vertretungen an der Buchholzorgel der Schwarzen Kirche zumutete. Das mag Begabung und Fleiß des Jugendlichen besser charakterisieren als viele Worte. Im Jahre 1962 absolvierte Eckart Schlandt das Konservatorium in Bukarest, wo er unter Anleitung von Helmut Plattner die Orgelklasse besuchte.
Es folgte eine Anstellung als Klavierlehrer an der Kronstädter Musikschule und kurz darauf, 1965, als Nachfolger seines Vaters die Berufung als Kantor an die Schwarze Kirche. Seitdem sind 37 Jahre vergangen, in denen sich das nach Bickerich kaum Denkbare erwies: dass die Orgeltradition der Schwarzen Kirche nicht nur einen würdigen Träger und Nachfolger gefunden hatte, sondern an internationaler Ausstrahlung sogar gewann. Das Erbe, das Eckart Schlandt antrat, war schwierig: Die Kulturpolitik des kommunistischen Rumäniens hatte mit sakraler Musik nichts im Sinn - sie durfte in üblichen Konzerten überhaupt nicht zu Gehör gelangen. Man spürte wohl in den Partituren Bachs das Ethos des befreiten, seinem Gott in eigener Verantwortung gegenüberstehenden Protestanten! Der Wirkungskreis blieb eng: Im Bachchor sangen anfangs überwiegend ältere Semester - Jüngere mussten disziplinäre Maßnahmen fürchten, Tourneen oder die Ausstrahlung ins Umfeld waren unerwünscht. Und nun erwies sich, dass Eckart Schlandt seinen großen Meister J. S. Bach tiefer verstanden hatte, über die Noten hinaus: Der enge Rahmen und die bedrängten Verhältnisse waren kein wirkliches Hindernis. Die Freiheit lag nicht in zurückgelegten Kilometern oder auf dem Konto, seine Kunst hatte es nicht nötig, sich seinen Hörern anzudienen, sondern der wahre Erfolg, der dauernde, wuchs ihm zu, kam in die Schwarze Kirche. Der Bachchor gewann an Fülle und überstand sowohl Gegnerschaft der Kulturbonzen als auch die Wende, die ihn nur ausdünnen, nicht aber erschüttern konnte. Die Orgelkonzerte, mittlerweile gegen 700 - die Zahl lässt sich nur schätzen -, 97 große Aufführungen mit Chor und Orchester, die Erarbeitung des gesamten Orgelwerks von J. S. Bach mögen einen Begriff bieten vom Volumen dieses interpretatorischen Werkes.
Was in Kronstadt in täglichem Ringen über die Jahre wuchs, wurde in In- und Ausland bemerkt. Einladungen stellten sich ein, Tourneen folgten und Ehrungen bis hin zum Preis der Bukarester Union der Interpreten, Choreografen und Musikkritiker (1995) und dem Johann-Stamitz-Preis der Stadt Mannheim (2000). Heute unterrichtet Eckart Schlandt eine eigene Orgelklasse an der Musikfakultät der Kronstädter Universität, dazu Kammermusik, hält Meisterkurse, hat die meisten Orgeln des Landes gespielt, fast alle Länder Europas bereist und Schallplatten und CDs herausgegeben. Die Enge und Aussichtslosigkeit der ersten Jahre sind einer überwältigenden Fülle von Beanspruchungen gewichen, musikalischer, aber auch gesellschaftlicher und menschlicher Natur. Was konstant blieb, ist die ruhige, stetige Pflichterfüllung, das nüchterne, jedem Überschwang abgeneigte Gespür für das Detail und ein gewaltiges tägliches Arbeitspensum. Alles überstrahlt von der Treue zu seiner Vaterstadt.
Einem so geführten Leben hat ein freundliches Schicksal beschert, was durch Verdienste nicht erworben werden kann - einen musikalisch hochbegabten Sohn, der zu den schönsten Hoffnungen berechtigt und der die Musiktradition der Familie weiterführt.
Ein Goethezitat aus „Hermann und Dorothea“ fasst wohl am treffendsten zusammen, was unsere Gemeinschaft und die Verleiher des Preises bei der Anschauung des Werkes von Eckart Schlandt bewegt: „Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist, / Der vermehret das Übel und breitet es weiter und weiter; / Aber wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich.“
15. Februar 2002
(Karpatenrundschau, 23. Februar 2002)
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