APOLLONIA-HIRSCHER-PREISVERLEIHUNG 2020
Immer motiviert, Gutes zu tun
Laudatio auf Ortwin Hellmann/Von Stadtpfarrer Christian Plajer
Sehr geehrte Damen und Herren,
erlauben Sie mir, einleitend, die nun folgenden Gedanken unter ein Bibelwort zu stellen: „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark“ (1. Korinther 16,13) – ein Wort, in welchem der Apostel Paulus den Christen in Korinth zusammenfassend ans Herz legt, was ihm für die kleine Gemeinschaft in jener weltoffenen Großstadt wichtig ist.
In Kronstadt, einer weltoffenen Großstadt, sind wir als Deutschsprachige, die sich einer jahrhundertelangen, reichen Kulturtradition verpflichtet wissen, in einer Situation, die durchaus Analogien zulässt: Zum einen sind wir als Gemeinschaft heute durchaus klein und überschaubar, dafür aber recht divers in verschiedenster Hinsicht – das galt auch für die junge christliche Gemeinde in Korinth.
Die Auswahl von Ortwin Hellmann als Preisträger des Apollonia-Hirscher-Preises hat Signalwirkung: Zu den bleibenden Verdiensten einer Generation, die die schweren Lasten der letzten Jahrzehnte kommunistischer Herrschaft und der Wendezeit getragen hat, kommt nun, mit der Nominierung von Ortwin Hellmann, die Anerkennung der Leistungen einer nachfolgenden Generation hinzu – ein Zeichen für den Lebenswillen unserer Gemeinschaft und das Bestreben, ihre Zukunft auch weiterhin bewusst und aktiv zu gestalten.
Das Einende der Diversität der erwähnten Gemeinschaften in Korinth und in Kronstadt besteht wohl darin, dass eine Generation in ihrem besten Alter bereit ist, ihrem Dasein auf spezifische Weise Sinn zu verleihen und anhand von Althergebrachtem Neues zu wagen, ohne das Alte zu verleugnen (die junge Christenheit übernimmt althergebrachte Glaubenstradition und führt sie unter einem neuen Horizont weiter). Darum gilt auch uns: „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark“.
Ortwin Hellmann ist zu einer recht kleinen Gruppe von Menschen unter uns zu rechnen, die für unsere Gemeinschaft eine große Chance darstellen. Dass sich in einer Zeit, in der tiefgreifende Wandlungen geschehen, Menschen finden, die die Zeichen der Zeit erkennen, die sich den Herausforderungen stellen, die Selbstlosigkeit und Gemeinschaftssinn an den Tag legen und, vor allem, Menschen, die das Herz am rechten Fleck haben, ist ein Segen. Im Falle unseres Preisträgers trifft das in exemplarischer Weise zu. Dafür im Folgenden ein paar Anhaltspunkte.
Ich habe meinen Freund und ehemaligen Lyzeumskollegen im Blick auf den heutigen Abend auf seine Leistungen hin angesprochen, jedoch herzlich wenig zu hören bekommen. Das war allerdings vorhersehbar, denn Ortwin Hellmann ist nicht jemand, der handelt, um gesehen zu werden, sondern er ist einer, der sieht, um zu handeln und den man handeln sieht.
Ein Mann der Tat also. Er geht die Dinge ohne viel zu diskutieren an, ist immer motiviert, sich positiv einzubringen und Gutes zu tun. Darüber jedoch viele Worte zu verlieren, liegt ihm nicht. Wenn nun heute, in recht bescheidener Weise, wie der Sprecher es gerade beweist, Worte über seine Verdienste fallen, kann er nicht ausweichen. Es ist, meines Erachtens jedenfalls, vollauf berechtigt, nun zu würdigen, was wir ihm als Gemeinschaft verdanken.
Charakteristisch für Ortwin Hellmann ist seine Vielseitigkeit. Man kann immer neu staunen, wie weitläufig seine Interessengebiete sind und wie sicher er sich im Gespräch in vielen, ganz unterschiedlichen Bereichen bewegt, dabei mit großer Leichtigkeit von einem Thema zum nächsten übergehend. Das bedeutet, nicht nur über Wissen zu verfügen und sich fortlaufend zu informieren, sondern auch über einen reichen Schatz an Erfahrung zu verfügen. Das gilt sowohl für die Bandbreite der Themen als auch für ihren Stellenwert. Mit anderen Worten: Eine eventuelle Annahme, Ortwin Hellmanns Interesse gelte vor allem den großen Themen und Aufgaben, wäre falsch. Den Preisträger kennzeichnet durchaus auch die Liebe zum Detail und zu den alltäglichen Aufgaben und Herausforderungen. So z.B. ist er sich nicht zu schade, um die Mittagszeit im Hof des Altenheims Blumenau am Grill zu stehen und mit einer langen Gabel dafür zu sorgen, dass das Fleisch fürs Mittagessen im Heim auch wirklich richtig durchgebraten ist, ohne zu verbrennen.
Bei den großen Projekten seines bisherigen Lebens, die dem Wohle unserer Gemeinschaft dienen, ist es nicht anders: Der Bezirkskirchenkurator Ortwin Hellmann bleibt an den teils überwältigenden Aufgaben des Kirchenbezirks Kronstadt dran und sorgt mit viel Erfahrung, Sachkenntnis und einer bemerkenswerten Beobachtungsgabe dafür, dass gerade auch brenzlige Situationen einvernehmlich einem guten Ausgang zugeführt werden.
Die Größe der Herausforderungen und die Dramatik der Krisen überschatten die bekanntlich geringen Chancen, im ländlichen Bereich aufbauend zu wirken. Eine solche Bürde zu tragen, ist nicht jedermanns Sache. Ortwin Hellmann stellt sich dieser Situation bewusst, und zwar seit dem Jahre 2002 als Mitglied des evangelischen Bezirkskonsistoriums Kronstadt und seit genau 15 Jahren als Bezirkskirchenkurator. Ihm ist nicht nur der Durchhaltewillen hoch anzurechnen, sondern gerade auch die Gabe, den Menschen vor Ort Mut zuzusprechen, sie positiv dazu zu motivieren, ihre Ehrenämter weiterhin wahrzunehmen, ihren Blick von schmerzlichen Verlusten auf immer noch vorhandene Chancen zu lenken und dennoch mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität zu bleiben.
Man denke nur an die eingestürzten Kirchtürme von Rothbach und Radeln, eine Krise, in welcher Ortwin Hellmann sich an vorderster Front schützend an die Seite der betroffenen Gemeinden, der Menschen vor Ort und des Bezirkskonsistoriums stellte. Wenn anderswo vielleicht neu renovierte Kirchenburgen eingeweiht wurden – hier ging es darum, das Schlimmste zu verhindern oder dem Schlimmsten standzuhalten und zu retten, was noch zu retten ist. Dass es in Rothbach in vergleichsweise kurzer Zeit wieder eine Westwand an der Kirche und ein wieder hergestelltes Dach gab, ist nicht zuletzt unserem Preisträger und seiner jahrelangen Erfahrung als Projektleiter von Baustellen an historischen Bauten zu verdanken.
Ortwin Hellmann fährt nicht bloß zu Einweihungen neu renovierter Gebäude oder erfolgreich abgeschlossener Projekte. Er ist nicht der Mensch, der sich bei fröhlichen Gemeindefesten gerne gratulieren lässt. Dennoch nutzt er solche Gelegenheiten eingehend, um an der Basis unserer Gemeinschaft Kontakte zu pflegen, über die ihm ein sehr gutes Gespür für die Realität vermittelt wird, in der die Menschen leben. Er scheut sich keineswegs, in ratlose Gemeinden zu fahren und den Menschen beizustehen, so gut es geht. Man muss sich vorstellen, dass es dabei nicht nur um ganz kleine, in der siebenbürgischen Landschaft verstreute Gemeinden geht, sondern auch um jene, die weit entfernt in der Geographie des Altreichs liegen.
Probleme gibt es durchaus auch vor der eigenen Haustür, in unserem schönen, malerischen Burzenland, in Gemeinden, die wir, unter heutigen Bedingungen, durchaus als groß bezeichnen. Ob es um den, aus der Sicht des Laudators, begründeten und nachvollziehbaren Wechsel eines Pfarrers in eine andere Kirche und Gemeinde geht, der auch für eine große Burzenländer Gemeinde eine schwere Prüfung bedeutet, oder um unerwartete Herausforderungen in eigenständigen Gemeinden, die schon seit Jahrzehnten keinen eigenen Pfarrer oder keine eigene Pfarrerin mehr haben – Ortwin Hellmann ist vor Ort, er zeigt Präsenz, er spricht mit den betroffenen Menschen, er informiert sich eingehend aus erster Hand und bemüht sich dann um die bestmöglichen Lösungen. Auf dieser Basis hat der heutige Preisträger eine sehr wertvolle, kompetente Stimme im evangelischen Bezirkskonsistorium Kronstadt und kann dem geschäftsführenden Dechanten, der seinen Haupt-Dienstort in Bukarest hat, als dessen Stellvertreter so manche Aufgabe abnehmen und zuverlässig zur Durchführung bringen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Spätestens jetzt, wenn es nun um die nächste große Aufgabe geht, der sich unser Preisträger voll und ganz widmet, das Altenheim Blumenau, ist eines in seiner Arbeit ganz hoch hervorzuheben: Ortwin Hellmann arbeitet mit dem Herzen. Das ist eine große Gabe. Und sie findet sich nicht zuletzt darin wieder, dass er ein großes Herz für die Menschen hat. Das lernen diejenigen besonders zu schätzen, die im Altenheim Blumenau täglich auf Hilfe angewiesen sind. Die Zuwendung, die sie nicht zuletzt vom Preisträger als langjährigem Vorstandsvorsitzenden des Vereins Blumenau e.V. erhalten, der sich in dieser Position auch aktiv in die operative Leitung des Heimes eingebracht hat und diese kürzlich übernahm, die aufrichtenden Worte, die Ortwin Hellmann in jeder Situation findet – sie sind nicht selbstverständlich. Dass er es mit Herz macht, darauf versteht sich Ortwin Hellmann, und das spüren die Menschen und sie erwidern es mit ihrem dankbaren Lächeln.
Sich Achtung und Anerkennung zu erwerben, ist Ortwin Hellmann auf ganz unterschiedlichen Ebenen in der Lage. Seiner Vielseitigkeit und Weltläufigkeit ist es zu verdanken, dass er in der Lage war, Partnerschaften für die Unterstützung des Altenheims im In- und Ausland zu pflegen. Neben dem Carl-Wolff-Alten- und Pflegeheim in Hermannstadt und der Saxonia-Stiftung in Rosenau ist die langjährige Beziehung zur Heimatgemeinschaft der Kronstädter in Deutschland zu erwähnen, sowie die Kontakte zu lokalen Kronstädter Treffen in Deutschland und anderen hilfsbereiten Menschen und Einrichtungen.
Das Leben eines Menschen im Alter hat nicht nur seine schönen Seiten. Auch in einem Altenheim gibt es nicht nur die Sonnenseiten. Wie ein schweres Gewitter zog die Corona-Pandemie vor anderthalb Jahren heran und rückte der Einrichtung gewaltig auf den Leib. Länger als alle vergleichbaren Heime in einem größeren Umkreis konnte in der Blumenau den Angriffen des SARS-CoV-2-Virus getrotzt werden. Dann gab es dennoch einen Einbruch. Ortwin Hellmann stellte sich mit allen Kräften gegen den Sturm, war tags und nachts einsatzbereit, organisierte mühevoll, jedoch erfolgreich den Ersatz von Personalausfällen in der Pflege und konnte das Altenheim dank der Tatsache vor Schlimmerem bewahren, dass er es als Vorkämpfer schaffte, das Personal auch in schwerster Herausforderung dennoch zum Durchhalten zu motivieren.
Krisensituationen solcher Größenordnung fordern ihre Opfer. Und wenn man es auch schafft, was menschenmöglich ist, zu vollbringen – das schmerzhafte Wahrnehmen der eigenen Grenzen bleibt einem nicht erspart.
Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir, meiner Dankbarkeit darüber Ausdruck zu verleihen, dass wir das Altenheim Blumenau auch weiterhin in guten Händen wissen dürfen. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass dem Altenheim von der öffentlichen Aufsichtsstelle im Rahmen des Akkreditierungsverfahrens die höchstmögliche Bewertung erteilt wurde.
Und schließlich ein Letztes. Ortwin Hellmann steht für einen positiven, zukunftsweisenden Umgang mit den traditionellen Werten unserer Gemeinschaft, die er, vorausschauend, geschickt in die sich wandelnde Situation unserer Gemeinschaft integriert.
Seine umfassenden Kenntnisse der Geschichte unserer Gemeinschaft gibt er immer gerne weiter, wobei nie den Eindruck entsteht, dass er Vergangenem nachtrauert. Nein, was einmal war und wertvoll ist, in der Gegenwart angemessen zu leben und zu nutzen, das ist seine Devise. Ortwin Hellmann gibt gerne an die nächste Generation in seiner Familie weiter, was er selbst von Vater und Mutter, aber auch von einem Großvater, dem ehemaligen Kirchenkurator auf dem Kronstädter Martinsberg, mitbekommen hat.
Wir können ihm nur wünschen, dass ihm dies gelingt und dass ihm geschenkt wird, was ihm sein Martinsberger Pfarrer, Heinz Bonfert, als Konfirmationsspruch mit auf den Weg gegeben hat: „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark.“
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
24. September 2021
(Karpatenrundschau, 14. Oktober 2021)
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