Zum Stand des Kronstädter Gedenkbuches über die Opfer des Zweiten Weltkrieges und der Deportation
Thomas Sindilariu


Es wäre wünschenswert und im Sinne der Sache gewesen, wenn zur Kronstädter Gedenkfeier aus Anlass von 70 Jahren seit der Deportation von 1785 Kronstädtern in die Sowjetunion die abschließende Fassung des zugehörigen Gedenkbuches am 11. Januar 2015 hätte vorgestellt werden können. Obwohl der Beschluss zur Sammlung der Daten von Todesopfern dieser beiden Ereignisse bereits vor knapp 10 Jahren von der Heimatgemeinschaft der Kronstädter in Deutschland und dem Demokratischen Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt gemeinsam gefasst wurde, hätte die termingerechte Fertigstellung nur unter Aufweichung des qualitativen Anspruchs erreicht werden können. Diese Situation liegt vor allem in der Natur der Sache und zwar in der uneinheitlichen Überlieferungslage begründet. Am Ende des Zweiten Weltkrieges und unmittelbar danach konnte die klassische kirchliche Matrikelführung die Unübersichtlichkeit der Situation nicht mehr bewältigen. Die Überlieferung im Archiv wird lückenhaft, da eben auch versucht wurde, die Todesfälle, die an der Front oder bei der Zwangsarbeit in der Sowjetunion eingetreten waren und damit in keinem direkten Zusammenhang mit einer kirchlichen Amtshandlung in Kronstadt standen, ebenfalls zu erfassen. Man begann Karteien und Listen der Deportierten in Kronstadt anzulegen, v.a. um die Not der in der Heimat zurück gebliebenen Familienangehörigen zu lindern, weniger um die Verluste an Menschenleben zu verzeichnen – soweit die Bemühungen aus der Zeit der Ereignisse, wie sie in den Archiven zu finden sind.
Am Beginn der Aktion zur Sammlung der Daten unserer Todesopfer vor zehn Jahren stand ein ganz anderer Ansatz: das Gedächtnis der Familienangehörigen. Bernd Eichhorn sammelte in Deutschland, die Geschäftsställe des Forums in Kronstadt die Hinweise der Angehörigen. Ortwin Götz wertete die Kronstadt-Seiten aus dem Gedenkbuch, das in der Geschäftsstelle des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in München geführt wird, aus. 2013 führte Wolfgang Wittstock das Material aus diesen drei Quellen zusammen, prüfte und Vereinheitlichte die Angaben, was v.a. bei der Schreibweise der Todesorte vonnöten war. Auf diese Weise kam eine Liste zustande mit 389 Namen von aus Kronstadt stammenden Todesopfern. Die vom Archiv der Honterusgemeinde im Anschluss übernommene Liste, sollte eigentlich nur überprüft werden, es wurde von einem lediglich geringen Arbeitsaufwand ausgegangen. Doch das erwies sich schnell als Fehleinschätzung. Das Vorhaben der Ergänzung der vorhandenen Liste musste erstmal zurück gestellt werden, eine neue, ausschließlich auf Archiveinträge gestützte Liste entstand. Treibende Kraft war Gundel Einschenk unterstützt vom Kollektiv des Archivs, insbesondere von Elisabeta Marin. 367 Namen kamen auf diese Weise zusammen. Der Abgleich der neuen mit der bisherigen Liste im Vorfeld der Gedenkfeier ergab, dass es lediglich 81 Überschneidungen gab, so dass wir beim gegenwärtigen Stand der Arbeiten von 675 Todesfällen infolge von Zweitem Weltkrieg und Deportation bezogen auf die deutsche Gemeinschaft Kronstadts sprechen können. Die zusammengetragenen Daten lassen erkennen, dass die Jahre 1945 und 1947 mit Abstand die verlustreichsten waren.
Im Archiv der Honterusgemeinde in Kronstadt wird derzeit weiter an der Abprüfung des vorhandenen Listenmaterials gearbeitet, um in einigen Monaten eine einzige, weitestmöglich mit den Archivquellen abgeglichene Liste vorzulegen, die den interessierten Kronstädtern vermutlich auf der Homepage des Forums und/oder der Heimatgemeinschaft zugänglich gemacht werden wird.