APOLLONIA-HIRSCHER-PREISVERLEIHUNG 2019

Dipl.-Ing. Erwin Hellmann (am Rednerpult) spricht Worte des Dankes anlässlich der Auszeichnung mit dem Apollonia-Hirscher-Preis. Im Bild zu sehen sind auch (v.l.n.r.) Olivia Grigoriu, Vorsitzende des Deutschen Ortsforums Kronstadt, und Vorstandsmitglied Uwe Leonhardt, zugleich Vertreter der Heimatgemeinschaft der Kronstädter in Deutschland. Foto: Dieter Drotleff


Dynamisch, den Menschen zugewandt

Laudatio auf Erwin Hellmann/Von Dr.-Ing. Dieter Simon

Erwin Hellmann wurde im Jahre 1935 geboren, und das erste, was das heranwachsende Kind wohl über die große Welt lernte, war, dass Krieg war. Und was weiterhin zu lernen war, betraf die Tatsache, dass die Welt gespalten war in eine private, innere, und eine draußen, wo sich alles im Umbruch befand: Enteignungen, Deportationen, und dass es eine Schande war, Deutscher oder Eigentümer eines Besitzes zu sein.
Die Deportation betraf die Familie Hellmann besonders hart, denn die Eltern wurden deportiert und die beiden Geschwister wurden von ihrer Großmutter erhalten zum großen Teil durch ihrer Hände Arbeit, und das fast vier Jahre lang.
Wie alle Siebenbürger Deutschen lebte und wuchs er heran in einer äußeren Welt der Einschränkungen, Bedrückungen und Einschüchterungen, hatte aber das Glück, dass er noch vor den schweren Jahren vor und nach dem Schwarze-Kirche-Prozess in Kronstadt studieren und ein Ingenieurdiplom erwerben konnte.
Durch die Heirat mit Christa Gräf und Freunde der Familien vertieften sich seine Beziehungen zu Kronstadt. So kam er in Berührung mit Menschen, die der Kirche nahestanden und die ihm nahelegten, doch in der Gemeindevertretung der Honterusgemeinde mitzumachen. Es mag sie seine dynamische, den Menschen zugewandte Art angesprochen haben, die sich dann in den folgenden Jahren in kirchlichen Ehrenämtern, zuerst in der Gemeindevertretung, dann als Presbyter und langjähriger Kurator der Honterusgemeinde, bewährte. Er genoss das Vertrauen des charismatischen Stadtpfarrers Mathias Pelger, dem er als zupackender Manager der weltlichen Aufgaben, wie da wären: Rückgabe enteigneten Kirchenbesitzes, schwierige Verhandlungen mit potentiellen Mietern u.Ä., zur Seite stand und der die Größe hatte, ihm freie Hand zu lassen. In schwierigen Zeiten, als an ihn die Anfrage erging, ob er nicht auch das Kuratorenamt des Kirchenbezirks übernehmen würde, entzog er sich diesem und auch einem weiteren Ehrenamt als Vizepräsident des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche Rumäniens nicht und leistete wertvolle Aufbauarbeit, als dieser immer weniger Kräfte zur Verfügung standen.
In den ersten Jahren nach der Wende, als in Städten mit größeren Anteilen an Deutschen zur Stabilisierung der schwindenden deutschen Minderheit Altenheime gebaut werden sollten, setzte er sich mit Nachdruck für Kronstadt ein und hatte den Erfolg, dass Kronstadt auf die Liste der von Deutschland geplanten Altenheime kam, dass ein Projekt erarbeitete wurde und die Gelder auch jahrelang bereitstanden. Dass es dann doch nicht zum Bau kam, hing an der zögerlichen Haltung des deutschen Projektträgers, der vor der Haftung für ein drittes Projekt dieser Art nach Temeswar und Hermannstadt zurückschreckte. Er konnte als Trostpflaster allerdings ein Pflegeheim im Blumenauer Pfarrhaus einrichten, das mehrere Jahre bestand, von Deutschland aus finanziert wurde und vielen bedürftigen Senioren eine würdige Heimstätte bot.

Als sich dann zeigte, dass das Pflegeheim nicht genügte, veranlasste Erwin Hellmann die Verschlankung des ursprünglichen Projektes und betrieb als Bezirkskirchenkurator zusammen mit der Honterusgemeinde und dem Deutschen Forum den Um- und Aufbau des gewesenen Altfrauenheimes als passendes Altenheim für Kronstädter und Burzenländer, sammelte im Verein mit den genannten Partnern die Mittel für den Umbau und die Ausstattung und konnte endlich sein wohl größtes Projekt beenden.
Die aufgezählten Leistungen wären allerdings nicht alles, was es zu bemerken gilt. Die Persönlichkeit von Erwin Hellmann hat weitere Dimensionen.
Beginnend mit dem Jahre 1990 hat er eine fruchtbare Tätigkeit als Laienlektor in evangelischen Kirchen entfaltet; zuerst in der Martinsberger Kirche, dann auch in Tartlau, Marienburg und Nußbach oder wo immer Vakanzen eintraten, hat die langen Wege und oft kalten Kirchen nicht gescheut und die Gläubigen damit erfreut und aufgerichtet.
In den Jahren 1998-2005 hat er im Auftrag der Deutschen Kriegsgräberfürsorge zahlreiche Visitationen in vielen Ortschaften durchgeführt, Kontrollen aus Deutschland begleitet, als Übersetzer gedient, wo es nötig war, und hat, wo es nur ging, die Anfragen auf Hilfe honoriert.
Damit nicht genug, hat er als guter Kenner siebenbürgischer Geschichte und Kulturgeschichte immer wieder aus seinen reichen Kenntnissen Zeitungsbeiträge veröffentlicht und damit seine Kronstädter erfreut und informiert.
Ihm wurde für verdienstvolle Aufbauarbeit die Honterusmedaille des Siebenbürgischen Deutschen Forums verliehen, und auch im Ausland blieb seine Tätigkeit nicht unbemerkt: Er ist der Träger des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland am Band.
Uns Kronstädtern sei an dieser Stelle gestattet, neben seinen beachtlichen Leistungen etwas Seltenes und uns besonders Kostbares zu bemerken: seine unentwegte Treue zur Stadt seiner Geburt!

24. September 2021
(Karpatenrundschau, 7. Oktober 2021)