Ein erfülltes Leben
12.12.25
Abschied von Erwin Hellmann (1935-2005)
Erwin Hellmann, langjähriger Presbyter und Kurator der Evangelischen Kirche A. B. Kronstadt, Bezirkskirchenkurator und Laienlektor innerhalb des Kronstädter Kirchenbezirks und Stellvertretender Vorsitzender des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien, verstarb am 8. Dezember 2025 im Alter von 90 Jahren.Er war Träger des Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland am Bande und des Apollonia-Hirscher-Preises 2019. Die Trauerfeier fand am Freitag, dem 12. Dezember in der evangelischen Kirche auf dem Martinsberg statt. Die Beisetzung erfolgte anschließend auf dem Friedhof der Martinsberger Kirche.
Es folgt ein Auszug aus der Trauerrede von Pfarrer Joachim Lorenz.
Erwin Hellmann hatte ein langes und vor allem erfülltes Leben. In dem, was mir berichtet wurde wird immer wieder die Neugier, die Freude am Entdecken und Lernen deutlich. so wollen wir in dieser Stunde des Abschiedes ein wenig aus seinem Leben hören.
Erwin Hellmann wurde am 28. April 1935 in Kronstadt geboren. Sein Vater Franz Hellmann aus Tartlau erfüllte sich den Traum und wurde selbstständiger Schlossermeister mit einer eigenen Werkstatt in der Kronstädter Langgasse. Mit seinen „goldenen Händen“ sowie seinem Wissen und Können war Franz Hellmann für Erwin ein großes Vorbild. Seine Mutter Rosina, geborene Heldsdörfer, stammte aus Marienburg und war von Beruf Kinderkrankenschwester. Die Eltern heirateten 1934. Zur kleinen Familie gesellte sich 1936 noch die Schwester Erna hinzu.
Erwin besuchte den Kindergarten in Bartholomä. Auf dem Heimweg von dort schaute er oft in der Werkstatt des Vaters vorbei. Schon damals hatte er Interesse an Technik und durfte dem Vater sogar mithelfen. Am liebsten tat er das an der Bohrmaschine.
In der Schule wurde ihm die Freude am Lernen geweckt. Sein Leben lang hat er sich an seine erste Lehrerin Erika Karres gern erinnert. Überhaupt blieben ihm schöne Erinnerungen, wie zum Beispiel an eine Buchprämie, die er als bester Schüler bekam. Vom Vater bekam Erwin seine erste Armbanduhr geschenkt.
Nach dem Bombenangriff 1944 wurden die beiden Kinder bei der Verwandtschaft in Marienburg untergebracht.
Zu seinen Interessen kam das Fotografieren dazu, das sein Leben lang seine Leidenschaft blieb. Seine Diavorträge wurden gern besucht.
Am Ende des Krieges folgte ein traumatisches Ereignis. Die Eltern wurden deportiert. Erwin und Erna blieben wie gelähmt zurück und wurden von der Großmutter betreut. Sie kümmerte sich rührend um die Kinder trotz einer schmerzhaften Krankheit. Für Erwin wurde das Lesen zu einer Flucht in eine freiere Welt – er verschlang Abenteuerbücher genauso wie technische Enzyklopädien.
1948 kehrten die Eltern aus der Deportation zurück. Im gleichen Jahr kam Erwin Hellmann in die Honterusschule. Unbeschwerte Jahre des Lernens, geprägt von engagierten und respektierten Lehrern folgten. Dazu gehörten abenteuerliche Schulreisen, Theateraufführungen, Konzerte und Zeltlager am Meer.
Doch das rauhe politische Klima überschattete diese Zeit.
Nach dem Abitur 1953 begann Erwin das Ingenieursstudium am Polytechnischen Institut. Im Anschluss daran begann er 1958 im Traktorenwerk sein Berufsleben.
1959 verlobte sich Erwin mit Christa Graef, die er schon aus der Schule kannte. Im Oktober 1960 folgte die Trauung in der Schwarzen Kirche. Das junge Paar verbrachte eine glückliche Zeit im kleinen Haus der Schwiegereltern am Martinsberg.
Bis zum Tode von Christa im Jahr 2022 war die Beziehung der Eheleute von Liebe, Vertrauen und Unterstützung der Familie geprägt.
1963 wurden die Zwillinge Birgit und Ortwin geboren.
Erwin Hellmann begeisterte sich für die Herausforderungen der Arbeit im Traktorenwerk. Doch die absurden Seiten der sozialistischen Planwirtschaft warfen ihre Schatten darauf.
Nach dem Umsturz in Rumänien konnte sich Erwin den Traum erfüllen, viele Plätze Europas selbst zu besuchen. Seine Reisen führten ihn zum Beispiel nach Wien, Berlin und Rom.
1997 begann für Erwin ein neuer Lebensabschnitt, die Rente. Doch er setzte sich nicht zur Ruhe. Bis 2006, insgesamt 20 Jahre lang, war er Bezirkskirchenkurator und von 1993 bis 2001 Kurator der Honterusgemeinde. Schon ab 1971 war er Mitglied der Gemeindevertretung und ab 1973 im Presbyterium. In diese Zeiten fielen viele bedeutende Ereignisse in der Gemeinde wie die Renovierung der Schwarzen Kirche einschließlich der großen Orgel. Er engagierte sich für das Diakonische Werk und war maßgeblich am Aufbau des Altenheimes Blumenau beteiligt.
Als Lektor hielt Erwin Hellmann lange Jahre in Gemeinden des Kirchenbezirkes Gottesdienste. Außerdem fand er eine weitere Aufgabe in der Arbeit für den Volksbund Kriegsgräberfürsorge. Im Rahmen dieser Tätigkeit half er vielen Menschen, Gewissheit über das Schicksal ihrer Angehörigen zu erlangen. Aus dieser Arbeit sind langjährige Freundschaften entstanden.
2011 erhielt Erwin Hellmann die Honterusmedaille, 2014 bekam er das Bundesverdienstkreuz und 2019 den Apollonia-Hirscher-Preis.
Seine Beiträge zu verschiedenen Themen der Kunstgeschichte und Technik in der Karpatenrundschau wurden gern gelesen. Nach einem kurzen Aufenthalt im Altenheim Blumenau verstarb Erwin Hellmann am 8. Dezember 2025.
(…)
Für Christen gehört dazu, dass Gott das Leben von Anfang an prägt und Gutes hineinlegt. Gott will uns – egal wie die äußeren Umstände sind – nicht in die Enge führen. Er öffnet uns immer neu Lebensmöglichkeiten. Erwin Hellmann hat gezeigt, dass es gilt, diese Möglichkeiten zu nutzen. In kommunistischen Zeiten ist er sozusagen durch Bücher durch die Welt gereist. Er hat nach Lösungen in der Arbeit gesucht, wenn die Forderungen der Obrigkeit eigentlich nicht erfüllbar waren. Er hat Menschen unterstützt und Projekte vorangetrieben. Bei aller Begrenztheit hat er offenbar den weiten Raum gesehen und genutzt. Als Ehemann und Vater, als Ingenieur und Kurator. Nun ist sein Leben in dieser Welt am Ziel angelangt.
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
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