700 Jahre Meschendorf, Deutsch-Kreuz und Klosdorf
30.09.22
700 Jahre Rechtsgleichheit unter den Siebenbürger Sachsen (I)
Festvortrag, gehalten in Meschendorf, 7. August 2022
von Thomas Sindilariu
Am 29. Januar des Jahres 1322 heißt es am Ende der vom König Ungarns, Karl-Robert von Anjou, der Kerzer Zisterzienserabtei verliehenen Urkunde:
„Und damit von nun an nicht mehr das Klagegeschrei über all die bereits erwähnten Rechtsverletzungen, Gewalttaten und Kränkungen, die dem besagten (Kerzer) Abt und Konvent (…) vielfältig zugefügt worden sind, Unseren königlichen Sinn zur Vergeltung rufe, soll der oft genannte Graf der Hermannstädter Provinz (...) die Abschrift dieses Freibriefes (...) mindestens einmal im Jahr, vor der Versammlung der Provinz sorgfältig verlesen und erklären lassen.“
Da der Brauch des jährlichen Vorlesens in den „letzten“ Jahren „etwas“ in Vergessenheit geraten ist, wollen wir nun ein wenig nachholen! Anders als früher soll jedoch nicht das Aufsagen bis zum Auswendiglernen Ziel der Übung sein, sondern ein verstehendes Herangehen an die faszinierende Gründungszeit der Drei Dörfer, wie Meschendorf, Deutsch-Kreuz und Klosdorf immer wieder genannt werden.
Die Drei Dörfer, die den Besitz der Zisterziensermönche aus Kerz in dieser Gegend Siebenbürgens ausmachten, treten übrigens gemeinsam in das Licht der Geschichte! Die Deutsch-Kreuzer haben allerdings ihr 700. Jubiläum bereits gefeiert und zwar schon 1970! Zu Unrecht, wie wir heute wissen! Aber das war nicht ihre Schuld. Franz Zimmermann, der Herausgeber des „Urkundenbuches zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen“ hatte sich 1892 bei der geographischen Festlegung einer Urkunde vertan. Den Irrtum deckte der 2018 verstorbene Kronstädter Historiker und Archivar, Gernot Nussbächer, auf und stellte klar, dass sich die Urkunde von 1270 nicht auf Deutsch-Kreuz sondern auf Cristurul Secuiesc/Székelykeresztúr bezog. Im Rückblick auf die eben beendete 10. Ausgabe der Haferland Kulturwoche verwundert es dann aber doch ein wenig, dass die 700-Jahre seit der urkundlichen Ersterwähnung der zentralen Haferland-Ortschaften, Deutsch-Kreuz, Meschendorf und Klosdorf, sieht man von meinem marginalen Grußwort zu diesem Anlass ab, so gar keine Rolle gespielt haben. Die Ironie der Geschichte wird durch das folgende Details komplett: auch in Cristurul Secuiesc weiß man bis heute noch nicht, dass die auf Wikipedia z.B. angegebene Ersterwähnung aus dem Jahr 1333 eigentlich die urkundliche Zweiterwähnung ist.
Um unsere Urkunde von 1322 Jahren besser verstehen zu können, bedarf es eines breiteren historischen Kontextes. Die Einwanderung, besser noch gesagt, die Ausbreitung der deutschen Siedler in Siebenbürgen erfolgte in mehreren abgrenzbaren Etappen. Wieso Ausbreitung? Die Ausbreitung deutscher Siedlungen im südlichen Siebenbürgen beginnend mit der Mitte des 12. Jahrhunderts war nämlich etwa zu gleichen Teilen Einwanderung wie Binnenkolonisation. Nach heutigem wissenschaftlichen Kenntnisstand spricht einiges dafür, dass damals die klimatische Erwärmung im westlichen Europa zunächst zu Ernteanstieg, dann zu massivem Bevölkerungswachstum führte, um schließlich Hungersnöte, Auswanderung und Kreuzzüge hervorzurufen. Letztere, wie etwa der Zweite Kreuzzug, schlugen gelegentlich den Landweg über Ungarn, die Balkanhalbinsel und Kleinasien ins Heilige Land ein. Auf diese Weise rückten auch die Ansiedlungsmöglichkeiten in Siebenbürgen ins Blickfeld der Westeuropäer. Einer der Kreuzzugsteilnehmer, der Chronist Kaiser Friedrich Barbarossas, Otto von Freising bezeichnet Ungarn gar als „Paradies Gottes”, so vielfältig erschienen ihm die Entwicklungsmöglichkeiten des Landes. Für die Anfangsbesiedlung des sogenannten „Altlandes“, also die Umgebung von Hermannstadt, Leschkirch und Großschenk, wird eine Bevölkerungszahl von lediglich 2.000-2.500 Personen angenommen. Das Bild einer ungeheuren Dynamik bei der Gründung von immer neuen und neuen Ortschaften ist gewiss kein falsches – die zweitgeborenen Söhne einer Familie konnten zu jedem Zeitpunkt sich mit anderen zusammentun und eine neue Siedlung gründen – so dass sich diese mit fast virusartiger Geschwindigkeit in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts entlang des Haarbachtales nach Osten, bis nach Reps bzw. Draas und damit bis in die Nachbarschaft der Drei Dörfer ausbreiteten.
An der Wende zum 13. Jahrhundert greift der König in zweierlei Hinsicht in das Siedlungsgeschehen im südöstlichen Siebenbürgen ein: 1211 verleiht er dem Deutschen (Ritter)Orden das Burzenland und höchstens 10 Jahre früher wird die Abtei der Zisterziensermönche in Kerz gegründet. Neben Christianisierung der Kumanen außerhalb der Karpaten und Landesausbau innerhalb des Karpatenbogens dürften zumindest im Falle der deutschen Ritter auch geostrategische Überlegungen des Königs im Spiel gewesen sein, evtl. auch mit Blick auf die Zisterzienser – schließlich hatte der Vierte Kreuzzug 1204 zur Eroberung Konstantinopels geführt und ein Lateinisches Kaiserreich dort entstehen lassen. Zumindest Papst Innozenz III. sah damals die Gelegenheit, die Balkanhalbinsel für das katholische Christentum zu gewinnen. Daraus wurde aber nichts.
Das einschneidendste Ereignis im Donau-Karpatenraum, aber auch im gesamten ost- und mittelosteuropäischen Raum im 13. Jahrhundert war der Mongoleneinfall der Jahre 1241-42. Der Verlust unzähliger Menschenleben brachten die Siedlerbewegung in Siebenbürgen zum Stehen. Erst 1262 gelang es König Bela IV erstmal militärische Erfolge über die Mongolen zu erringen. Doch schon kurz nach dem Mongoleneinfall initiierte er eine zweite Ansiedlung vorwiegend bayrischer Siedler in Siebenbürgen, insbesondere im Nordosten und im Zwischenkokelgebiet.
Über die Besitzungen der Zisterzienser von Kerz bis zum Mongoleneinfall wissen wir wenig. Eine Urkunde vom Vorabend der Invasion unterstellte jedoch 1240 weite Teile des Burzenlandes dem kirchlichen Patronatsrecht des Klosters. Es gibt noch weitere Belege dafür, dass die Zisterzienser im Burzenland in gewisser Weise die Erbschaft des 1225 vertriebenen Deutschen Ordens angetreten hatten.
Bei dieser Vorgeschichte wird klar, wieso das Gebiet, auf dem die Drei Dörfer entstanden sind, 1289 noch nicht besiedelt war und lediglich als „Terra Popteluky“ bezeichnet wurde. Diese „Terra Popteluky“ kann man mithilfe des ungarischen Wortstammes „pap“ für Pfarrer/Geistlicher oder auch des rumänischen Begriffs „pop?“ etwa als Pfaffengrund „übersetzen“. Da die Terminologien im 13. Jahrhundert noch lang nicht so genau waren, wie wir das heute kennen, ist „Mönchsgrund“ vielleicht eine noch bessere „Übersetzung“ der „Terra Popteluky“. Diese Terra kommt in einer Urkunde vor, die den Verkauf des Ortes Mukendorf/Grânari an den Gräfen Petrus, den Sohn des Henning von Denndorf/Daia bezeugt und das verkaufte Gebiet im Norden, also in Richtung Meschendorf, abgrenzt. Wir dürfen also annehmen, dass das Gebiet auf dem die Drei Dörfer entstanden sind, zum Zeitpunkt der Besiedelung schon seit Jahrzehnten, vielleicht schon seit vielen Jahrzehnten den Zisterziensern gehörte, jedoch wegen der Mongolengefahr und des dadurch bedingten Menschenmangels nicht früher besiedelt werden konnte.
Ohne das Engagement der Gräfen oder „Lokatoren“, wie sie etwa in Schlesien genannt wurden, zu denen auch die Familie der Gräfen Petrus und Henning von Denndorf wohl zu zählen ist, wäre die Gründung neuer Siedlungen in Siebenbürgen nicht möglich gewesen – darüber herrscht Einigkeit in der wissenschaftlichen Literatur. Sie vermittelten und organisierten zwischen dem Herkunftsgebiet und dem Ansiedlungsgebiet, sicherten die Kommunikation zu den Vertretern der Staatsmacht oder dem Grundeigentümer, koordinierten die Siedlerzüge und den Ansiedlungsprozess vor Ort. Es liegt in der Natur des menschlichen Wesens, dass die Organisatoren hierbei bemüht waren, für sich selbst Vorteile zu schaffen. Genauer gesagt, versuchten sie erbliche Führungspositionen (Hann/Richter/Bürgermeister), gar Adelsvorrechte, also große Besitzungen in den Orten und Steuerfreiheit zu erlangen. Dies scheint auch in der Gründungsphase der Drei Dörfer der Fall gewesen zu sein.
Fortsetzung folgt
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