Achthundert Jahre Geschichte im Burzenland
11.11.10
Deutschordenstagung mit prominenten Rednern in Bad Kissingen
Vom 29. bis 31. Oktober fand in Bad Kissingen, in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ unter dem Titel „Der Deutsche Orden im Burzenland (1211-1225)“ eine Vorbereitungstagung der Akademie Mitteleuropa auf den 800. Jahrestag der Deutschordensniederlassung in Siebenbürgen statt. Etwa 50 Teilnehmer, die meisten davon Burzenländer aus Deutschland – Vertreter der Heimatortsgemeinschaften - oder aus Siebenbürgen, trafen zusammen.
Am Freitagabend, nach der Begrüßung und Programmeinführung durch den Studienleiter des Heiligenhofes, Gustav Binder, eröffnete Dr. h. c. Hans Bergel die Tagung mit einer Lesung zur „Landschaft, die mich erfand: Das Burzenland“. Er las „Eine deutsche Geschichte“ aus seinem neuen Band „Am Vorabend des Taifuns. Geschichten aus einem abenteuerlichen Leben“ (Edition Noack & Block, Berlin, 2011) sowie den Text „Der Major und die Mitternachtsglocke“, eine von neun Erzählungen, die im kommenden Frühjahr veröffentlicht werden sollen.
Der arbeitsintensive Samstag begann mit einer Zusammenfassung der acht Jahrhunderte langen Geschichte des Deutschen Ordens. Der Referent, Prof. Dr. Dr. h. c. Udo Arnold (Bonn), erklärte den Tagungsteilnehmern die Gründung des Hospitals in Akkon als Ursprung des Deutschen Ordens im Heiligen Land und die Ausbreitung dieses (nach Templern und Johannitern) drittgrößten Kreuzzugordens am Rande christlicher Machtzentren – so u.a. im Burzenland. Nach dem Fall Akkons wurde die Zentrale des Deutschen Ordens nach Preußen verlagert. Unter den Habsburgern erlebte die Ritterbruderschaft einen wichtigen strukturellen Wandel, um schließlich bis in die Gegenwart als klerikaler Orden - ohne Ritter - von Priestern weitergeführt zu werden.
„Historische Quellen zur Ordensgeschichte in Siebenbürgen“ anhand von einigen der dreißig erhaltenen Urkunden deutete Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. mult. Harald Zimmermann (Tübingen). Die erste Urkunde, aus dem Jahre 1211, verlieh das Burzenland („terra deserta, inhabitata“) an den Deutschen Orden. Danach folgten auch Bestätigungsurkunden vom Papst, sodass die letztendliche Vertreibung des Ordens als paradox erscheinen kann. Eine gespannte Diskussion löste Horst Klusch (Hermannstadt) aus, der als Hobbyhistoriker nun den Zuhörern seine Hypothesen zur Ansiedlung des Ordens im Karpatenbogen vorstellte, und zwar dass 1192 ein Deutsches Hospital in der Moldau schon anwesend gewesen sei, dass dieses mit dem Milkower Bistum, auf Anregung der päpstlichen Kurie, sich auf den Kampf gegen das Heidentum aus dem Osten vorbereitet und im Tale des Milkow-Flusses eine Festung errichtet habe und schließlich dass die Namen „Transilvania“ und „Septem castra“ (Siebenbürgen) für unterschiedliche Gebiete benützt gewesen seien. Quellenkritisch wurden die Thesen von Prof. Arnold und Prof. Zimmermann diskutiert. Letzterer verteilte den Teilnehmern seine zusammengefassten Argumente in gedruckter Form. Er bewies z.B., dass die Karten des Mittelalters für den heutigen Stand der Wissenschaft nicht relevant, weil ungenau seien und dass die von Horst Klusch erwähnte angebliche Urkunde des Laurentius von 1096 (die die Existenz des Bistums Milkow bestätigen würde) eine Fälschung sei. Dr. Otto Mittelstraß, Gründungsvorsitzender des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, zeigte als Beispiel alter Kartographie eine Kopie der berühmten „mappa mundi“ aus Hereford (etwa 14. Jahrhundert), die bis dato als größte vollständig erhaltene mittelalterliche Weltkarte gilt.
Der schöne Herbstnachmittag wurde genutzt, um das unweit gelegene Münnerstadt und das dortige Deutschordensschloss zu besuchen, das heute als „Henneberg-Museum“ fungiert. Die Ausstellung bezieht sich auf die Geschichte, Kultur und Naturlandschaft der Gegend, in der eine wichtige Rolle auch der Deutsche Orden gespielt hat. Die Besichtigung der Stadtpfarrkirche mit dem Magdalenenaltar von Tilman Riemenschneider schloss den Nachmittag ab.
Wie auch am ersten Tagungsabend, an dem in geselliger Runde der Film „Von Rittern und Burgen im Burzenland“ von Erwin Kraus gezeigt wurde – ein Arbeitsentwurf, zu dem die Zuschauer Ergänzungs- und Verbesserungsvorschläge machten, trafen sich die Burzenländer auch am Samstagabend in einem Seminarraum des Heiligenhofes. Die Themen Heimattag 2011 in Dinkelsbühl und Sachsentreffen 2011 in Kronstadt, Arbeitsberichte der Burzenländer Heimatortsgemeinschaften und der Vertreter der deutschen Minderheit in Rumänien, sowie Vorschläge zur Gestaltung des Burzenland-Jubiläums ergänzten hier das Tagungsprogramm.
Am nächsten Vormittag wurde der für die Siebenbürger Sachsen so wichtige Reformationstag mit einer Andacht gefeiert, die von Pfarrer Dr. Peter Klein (Petersberg) gehalten wurde. Der ursprünglich für den Sonntag vorgesehene Vortrag von Balduin Herter (Mosbach) zum Thema „Neuere Erkenntnisse über die Schwarzburg (Zeiden/Codlea/Feketehalom)“ konnte nicht mehr stattfinden, deshalb wurde ein gedrucktes Resümee den Interessenten ausgehändigt. Es folgte eine Präsentation des Burzenlandes „im Blickpunkt europäischen Geschehens“. Dr. Harald Roth (Potsdam) sprach über das erste Stadtrecht der Burzenländer Provinz aus dem 14. Jahrhundert und den darauffolgenden Aufstieg Kronstadts zur wichtigsten Stadt der Region, die lange Zeit als uneinnehmbar galt und sogar von Herrschern der Walachei und Moldau als sicherer Zufluchtsort in Anspruch genommen wurde. Nach und nach entwickelte sich Kronstadt zur führenden Stadt der Sächsischen Nation, auch wenn die Rolle der politischen Entscheidung nur in kritischen Zeiten und nur vorübergehend ausgeübt wurde. Kronstadt war in hohem Maße selbständig, was auch das 17. Jahrhundert mit dem Widerstand vor Bathorys Heer beweist, und das gesamte Burzenland zeigte stets große Offenheit und liberales Denken. Mit den politischen Prozessen der 1950er Jahre und dem Arbeiteraufstand am 15 November 1987 rückte Kronstadt im 20. Jahrhundert erneut in die Aufmerksamkeit Europas. Der Vortrag „Zur Rezeption der Ordensgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert: Die Schlacht bei Tannenberg/Grunwald 1410 als politisches Symbol“ schlug eine Brücke über die Zeit. Prof. Arnold erläuterte die Ursprünge des eisernen Kreuzes im Symbol des Deutschen Ordens und stellte unterschiedliche polnische und deutsche Schulbuchbeschreibungen (oder deren Abwesenheit) zur Schlacht von Tannenberg/Grunwald vor. In Gattungen wie Malerei (und deren Nachfolger – das politische Plakat), Roman (bzw. Film) und Denkmal wurde die Symbolik von Tannenberg auf die Gegenwart übertragen, sogar im Jahre 2008 erschien ein Zeitschrifttitelblatt dazu. Schließlich zeigt der Deutsche Orden bis heute Präsenz: im Juli dieses Jahres, am 600. Jahrestag der Schlacht, die den Niedergang der Ordensherrschaft im Osten veranlasst hatte, nahm der 65. Hochmeister des Ordens, Dr. Bruno Platter, an der Gedenkfeier in Grunwald teil.
Christine Chiriac
Foto 1
Die Teilnehmer an der Deutschordenstagung vor dem Eingang in die Bildungsstätte „Der Heiligenhof“, Bad Kissingen
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Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. mult. Harald Zimmermann präsentierte auch Projektionen der alten Urkunden aus dem 13. Jahrhundert.
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Gustav Binder, der Veranstalter der Tagung und Studienleiter der Akademie Mitteleuropa und Dr. Harald Roth, Referent für Südosteuropa im Deutschen Kulturforum östliches Europa, Potsdam
Fotos: die Verfasserin
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