Adventsbasteln in Rosenau
08.12.23
Workshopreihe zur Überlieferung sächsischer Handarbeit
Mit gut gefüllten Bäuchen stehen wir um einen Tisch herum und schauen. Museal aufgereiht liegt dort alles, was man braucht, um Strohsterne zu basteln. Strohsterne, ein altes Handwerk, aber kaum noch praktiziert. Ordentlichen verteilt liegen dort Scheren, Lege-Vorlagen, Sterne über Sterne, Zwirn, eine Schüssel mit Wasser, für jeden vier Stücke Stroh und in einer Dose etwas, das an dicke Spagetti erinnert, natürlich aber auch Stroh ist, gewaschen mit Weichspüler, damit es nicht so schnell bricht. Strohsterne, eine Wissenschaft für sich oder doch eher ein wenig Alchemie. In der vorweihnachtlichen Stimmung kann man sich nicht verwehren, an ein Märchen erinnert zu sein, wenn Ingeborg Acker erklärt, wie man Stroh behandeln muss, um daraus Sterne zu machen. Das gewaschene, weiche Stroh wird getrocknet, gebügelt und geteilt, um dann daraus Sterne zu binden -in der Hand oder mit einer Form.
Zum Bastelwochenende hatte das Kronstädter Forum nach Rosenau am letzten Wochenende dem 25. und 26. November in das Saxonia-Haus eingeladen. Mit den Stadtbussen gut zu erreichen und zugleich ein wenig außerhalb gelegen, konnten sich zwölf Teilnehmende, darunter auch der Geschäftsführer des Ortsforums, Uwe Leonhardt bei gutem Essen, weihnachtlichen Liedern und besinnlichem Beisammensein in vorweihnachtliche Stimmung bringen.
Ein Höhepunkt war der Kurs im Strohsternbasteln von der Ingeborg Acker, die viele sicherlich mit der Musik verbinden, etwa mit dem Kronstädter Musikensemble „Canzonetta“, das sie jahrelang leitete. Am vergangenen Samstag jedoch wurde kein musikalisches Wissen weitergegeben, sondern ein handwerkliches. Auf vierzig Jahre Erfahrung kann Frau Acker dabei zurückblicken, wovon auch ein dickes Album zeugt, was unter den neugierigen Teilnehmenden weitergereicht wird. „Früher konnte ich mit meinem Fahrrad noch am Feld anhalten und mir mein Bastelmaterial einfach pflücken.“ Jetzt ginge das leider nicht mehr. Das angebaute Getreide hat nicht die richtige Länge, auch die Strohhalme eines Bastelladens aus Deutschland kommen heute aus China, wo noch hohle Halmen angebaut werden, die sich zur Verarbeitung eignen.
Für die in Frau Ackers Album zu findenden Meisterstücke braucht man mehr als ein paar Stunden zum erlernen, und so sitzen alle um den Tisch und fangen erst einmal mit den Grundschritten an: Vier Stücke Stroh werden zusammengelegt und mit angefeuchtetem Zwirn so verwebt, dass ein achtzackiger Grundstern entsteht. Aus zwei dieser Grundmodelle wird ein sechzehnzackiger Stern, das angestrebte Ziel des Nachmittags - vorweihnachtliche Mathematik.
Strohsterne sind wahrscheinlich im 19. Jahrhundert durch eine Notwendigkeit entstanden, dem sommerlichen Strohhutgewerbe auch ein winterliches Zubrot zu schaffen. Zugleich ist ein Strohstern natürlich symbolisch wunderbar aufgeladen, verbindet er doch den Stern zu Betlehem mit dem Stroh in der Krippe des neugeborenen Jesuskinds.
Auch die Teilnehmerinnen vom Handarbeitskreis freuen sich: „Man muss auch immer mal wieder etwas neues ausprobieren. Schau, und jetzt haben wir alle einen Stern geschafft und die Inge hat dort eine echte Gabe.“ Mit diesen abschließenden Worten wird von vielen am Tisch Stroh gegen Wolle getauscht. Letzte Maschen für den Weihnachtsbasar der kommenden Woche werden gelegt.
„Früher war hier ein Strand direkt hinter der Burg, ein Kino und was es nicht alles gab“, berichtet eine der Frauen des Handarbeitskreises. Sie ist in Rosenau aufgewachsen und schwelgt über einen Socken gebeugt, an dem sie gerade strickt, in Erinnerung. Den Strand gebe es leider nicht mehr, aber auch die Burg anzusehen, wird auf ein nächstes Mal verschoben. Es ist etwas ungemütlich draußen, da bleibt man lieber im Warmen.
Am nächsten Morgen hat sich der graue Schneeregen in eine winterliche Landschaft verwandelt.
Die Weihnachtslieder vom Vortag noch im Ohr werden die letzten Materialien zusammengepackt.
Stroh zu Sternen binden, da lässt sich an Sterntaler denken und an Rumpelstilzchen, wo die arme Müllerstochter dem gierigen König aus Stroh noch Gold Spinnen soll. Ein Schritt, den man vielleicht in einem neuen Kurs lernt. Zunächst einmal kann man sich auf die Adventszeit freuen und auf den Basar am nächsten Samstag ab 11.00 im Forumsfestsaal.
Die "Workshopreihe zur Überlieferung sächsischer Handarbeit" wird vom Departement für Interethnische Beziehungen an der Regierung Rumäniens DRI finanziert.
Alina Depner
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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