Als der Sport noch kein Geschäft war
29.07.10
Aus den Erfahrungen des Kronstädter Sportarztes Laurian Taus
Das heute als „Tineretului“ bekannte Stadion im Kronstädter Stadtteil Bartholomä ist eng verbunden mit dem Lebensweg des bekannten Kronstädter Sportarztes Laurian Taus. Da, als es noch keinen echten Stadion gab, hat er als Kind gespielt. Später hat er an derselben Stelle den Landesrekord im Zehnkampf aufgestellt. Und nachher, ab 1960, als Sportarzt von „Steagul Rosu“, war das Heimstadion der bekanntesten Kronstädter Fußballelf sein Einsatzort. Heute erinnert sich der 84-Jährige, dem man aber dieses stolze Alter nicht anmerkt, noch gut an die Anfänge seiner Sportlerkarriere.
Als Schüler des Saguna-Lyzeums nahm er mit viel Begeisterung an den sportlichen Schulwettkämpfen teil. „Es war eine besondere Ehre, bei diesen Wettkämpfen seine Schule zu vertreten“, sagt Taus. Und es gab eine harte Konkurrenz zwischen den Schulen der Stadt. Ein Sieg über die ungarischen oder sächsischen Altersgenossen war auch eine Sache des nationalen Stolzes, wobei es aber nur um den rein sportlichen Aspekt ging. Bei einem solchen Wettkampf, erinnert sich Taus, trat er im Weitsprung-Finale gegen fünf-sechs sächsische Konkurrenten vom Honterusgymnasium und der Mercuri-Handelsschule an. Er konnte mit 6,33m siegen und wurde begeistert von seinen Schulkollegen auf den Schultern getragen. Auch heute klingt in Taus' Schilderung Begeisterung und Stolz nach. Es war eine Zeit in der es keine Profis gab, keine schwindelerregende Preisgelder, dafür aber viel Enthusiasmus und Spaß an Bewegung und sportlichem Wettkampf.
Später, obwohl die Zeiten nach dem zweiten Weltkrieg alles andere als leicht bezeichnet werden können, hielt die Sportbegeisterung an. Viele Zuschauer und reges Interesse gab es bei Leichtathletik-Wettkämpfen. Es war die „romantische Zeit“ dieser Sportdisziplin: keine Kunststofflaufbahn, keine High-Tech-Ausrüstung, keine mächtigen Sponsoren. Die Sprinter gruben sich mit dem Schaufelchen Startlöcher in die Aschenbahn, weil der Startblock noch nicht da war. „Zeno Dragomir sprang 4m im Hochsprung und fiel in die Sandgrube - nicht auf weiche Schaummatten. Da verging dir die Lust auf viele Sprünge“, erzählt der ehemalige Zehnkampf-Landesmeister. Unter den heutigen Wettkampfbedingungen hätten die Leichtathleten jener Jahre mit Sicherheit viel bessere Leistungen vorweisen können. Mit dabei waren auch recht viele Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, erinnert sich Taus und nennt auf Anhieb einige Namen: Luise Ernst-Lupsa, Edith Treibal, Anna Roth, Irene Pusch-Tacorian, Hans Wiesenmeyer. Letzterer hat dem späteren Sportarzt besonders imponiert: trotz überstandener Russlanddeportation brachte er es zu bemerkenswerten Spitzenleistungen in gleich mehreren Leichtathletikproben. Der Kronstädter Turnlehrer Kummer war ein Meister in seinem Beruf.
Die Sportmedizin war noch ganz am Anfang. „Ein Duschbad nach dem Training oder Wettkampf – das war's schon mit der Wiederherstellung der eigenen Kräften nach der körperlichen Belastung“, sagt der Sportmediziner. Doping war die Ausnahme; manche wussten gar nicht, was das war und taten es rein aus Unkenntnis. Schule, Berufsausbildung und Sport wurden parallel betrieben. Heute, wo der Sport zum Geschäft geworden ist, sei das oft nicht mehr der Fall - mit der Folge, dass viele Profis nach Beenden der aktiven Laufbahn nicht wissen, wie es weiter gehen soll. Gewisse Vorteile hatte man als Sportler auch damals – aber das sei nicht zu vergleichen, mit dem was heute im Hochleistungssport läuft. Laurian Taus kann sogar in eigener Sache von einem Nachteil sprechen, den ihm durch seine sportlichen Erfolge widerfahren ist: Er begann sein Medizinstudium in Klausenburg, wo es ihm gut gefiel und wo er gerne bleiben wollte. Über Nacht kam die Versetzung nach Bukarest in Form der Einberufung zum Militärdienst, da der Armeesportklub CCA (später „Steaua“) ihn in seinen Reihen haben wollte. Ein Nein wäre einer Dienstverweigerung gleichgekommen und er wäre quasi zum „Deserteur“ geworden, so dass er keine andere Wahl hatte, als in die Hauptstadt zu wechseln.
Nachdem er 1953 seine sportliche Laufbahn beendete, folgten Jahrzehnte in denen der Name des Sportarzt Laurian Taus in einem Zug mit „Steagul Rosu“ genannt wurde. Seine Arbeit jenseits des Spielfeldes ist ebenfalls beeindruckend – Laurian Taus ist auch international ein Name. Er war, um nur ein Beispiel zu nennen, Vorsitzender des sportärztlichen Verbundes der Mittelmeer- und der lateinischen Länder.
Die Anfänge sollte man aber nicht vergessen, meint Taus und bezieht sich dabei nicht auf sich, sondern auf die rumänische Leichtathletik. Sie liegen zum Teil recht weit zurück - in den Vorweltkriegs- und den Zwischenweltkriegsjahren. In einer Zeit des echten Amateursports, in einer Zeit deren Ende Laurian Taus miterlebt hat und deren Geist ihn geprägt hat.
Ralf Sudrigian
Foto 1:
Massenstart 800m-Lauf Frauen bei einem Wettbewerb am Tineretului Stadion, 1948. Erste von rechts: Edith Treibal.
Foto 2:
Zehnkampf am Tineretului-Stadion, 1949. Stehend: Laurian Taus, sitzend (links): Ioan „Hansi“ Söter.
Fotos: Privatarchiv Laurian Taus
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
E-Mail:kronstadt@adz.ro
Schriftleiter: Elise Wilk.
Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
Aktuell
Karpatenrundschau
13.06.25
Die Konferenzreihe ArhiDebate in Kronstadt
[mehr...]
13.06.25
Kronstädter Musikerinnen (XIII): Klavierlehrerin Adele Honigberger (1887-1970)
[mehr...]