Auch ein Stück Wiedergutmachung
05.02.09
Corneliu Pintilescu: Procesul Biserica Neagra 1958. Kronstadt/Heidelberg: Aldus Verlag/Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, 2008. 235 Seiten. (Veröffentlichung von Studium Transylvanicum)
Corneliu Pintilescu leistet mit seinem Buch „Procesul Biserica Neagr² 1958“ eine systematische historische Analyse des politischen Gerichtsprozesses aus dem Jahr 1958 um den Kronstädter Stadtpfarrer Konrad Möckel und eine Gruppe junger Kronstädter Sachsen, die wegen „kontrarevolutionärer Aktivität" angeklagt und verurteilt wurden. Der Autor konzentriert sich auf die Rolle der damaligen Justiz in der Instrumentalisierung der politischen Prozesse in den ersten zwei Jahrzehnten des kommunistischen Regimes in Rumänien (S.7). 50 Jahre nach dem Prozess erscheint nun diese Analyse als Ergebnis einer langjährigen Recherche des Prozessverfahrens in der damaligen Zeit. Der Autor benützt eine breite Reihe von Quellen, sowohl juristische Dokumente, die unter der kommunistischen Ausdrucksweise leiden, als auch persönliche Angaben aus späteren Interviews, Essays oder Tagebüchern der Betroffenen, und erkennt die Grenzen der wissenschaftlichen Arbeit, die er leistet. Beide Quellenarten schildern entgegengesetzte Wirklichkeiten der beiden Seiten, der Täter und der Opfer.
Nach einem kurzen Einblick in die Historiographie der Thematik des politischen Prozesses in totalitären Herrschaftssystemen präsentiert das Buch die Etappen eines Gerichtsprozesses und die Rolle der Securitate in den 50er Jahren in Rumänien. Der Schwarze-Kirche-Prozess, durchlief alle Etappen der grotesken „Bearbeitung", die für einen solchen Fall denkbar waren. Sie erstreckte sich von der „informationellen Gruppenbeobachtung" bis zum Urteil. Aus der Betrachtung der Zielsetzung des Buches ist es ein gelungenes Werk. Es bringt eine klare, gut strukturierte Analyse eines „Musterprozesses" und zeigt, wie eine im Grunde unschuldige Gruppe von meist Jugendlichen wegen Vaterlandsverrat, Spionage und gegenrevolutionären Aktivitäten verurteilt wurde. Die Gründe und die Ziele waren verschiedenartig: die sächsische Gemeinde war wie eine geschlossene Enklave im Kontext des Kollektivierungsprozesses in Rumänien, eine Gruppe, die man zu zersetzen versuchte. Konrad Möckel war ein Bindemittel der Kronstädter Gemeinde, indem er sich für die Erhaltung des sächsischen Zusammenhalts, für die Gründung der Jugendstunden, für die Neugründung der Schwester- und Bruderschaften einsetzte. Seine Stimme klagte gegen die Russlanddeportation und gegen die Verstaatlichung der Honterusschule.
Tatsächlich haben die Jugendlichen um Horst Depner nichts außergewöhnliches während den wöchentlichen Treffen getan, nichts was dem Alter fremd war. Politik war selten ein Hauptthema der Gespräche. Die Verhöre der Securitate waren in ihrer Intensität und Finalität aber so ausgerichtet, dass dadurch der Eindruck erzeugt werden konnte, es handle sich bei den Angeklagten tatsächlich um eine Gruppe von Schwerverbrechern. Die schweren Haftstrafen, die diese anschließend verbüßen mussten, waren die Konsequenz dieser totalitären Logik.
In überzeugender Weise stellt der Autor den Prozess in den Kontext der Paranoia des Regimes, die sich nach der Ungarischen Revolution von 1956 in der „Seele" der Staatsgewalt eingenistet hatte. Der Schwerpunkt des Buches fällt also auf die Mechanik der brutalen, repressiven Justiz der damaligen Zeit, die keinen Platz auch nur für die geringsten Abweichungen vom ideologischen Monopol der Staats- und Parteiführung bezüglich des Weges zur neuen sozialistischen Gesellschaftsordnung kannte. Das Buch bietet auch zwei Anhänge: photographische Dokumente und den Urteilsspruch des Prozesses. Auch wenn der Anhang damit sehr umfangreich ausfällt, so ist dies doch eine begrüßenswerte Initiative, da der Urteilsspruch als tatsächliche Synthese der Securitate- und Anklagearbeit angesehen werden kann und somit tiefe Einblicke in die Denk- und Arbeitsweise des Unterdrückungsapparates in Rumänien bietet. Bei einer nächsten Auflage sollte mehr auf die Korrektur des Textes geachtet werden, da die klare, schwungvolle Ausdrucksweise des Autors oft unter den vielen daktilographischen Fehlern leidet.
Obwohl der Autor das selbst gesetzte Ziel der Arbeit erreicht hat, blieb für mich eine Anschlussfrage offen: Welches waren die Folgen des Prozesses für die sächsische Gemeinde in Kronstadt? Solche Prozesse waren teleologisch gebaut, hatten ein präzises gesellschaftliches Ziel. Die Erweiterung der Analyse um diesem Bereich könnte dem Buch nur Positives bringen.
Das Buch „Procesul Biserica Neagr² 1958“ bringt eine zunächst siebenbürgisch-sächsische Thematik dem rumänischen interessierten Publikum näher. Dies ist eine begrüßenswerte Tatsache, da insgesamt noch zu wenig Literatur vorzufinden ist, welche die deutsche Kultur in Siebenbürgen dem rumänischen Publikum in verlässlicher Weise näher bringt. 50 Jahre nach dem Prozess ist es begrüßenswert, nun eine erste gelungene wissenschaftliche Monographie des Vorganges in den Händen zu halten. Die öffentliche Kenntnis der Vorgänge, die Erinnerung an das Leid der Betroffenen ist auch ein Stück Wiedergutmachung. Insofern ist es sehr begrüßenswert, dass die Kronstädter evangelische Honterusgemeinde das Erscheinen des Buches gefördert hat, so dass es zu vergleichsweise günstigen Preisen in der Kronstädter Aldus-Buchhandlung und im Hermannstädter Büchercafé Erasmus erworben werden kann.
Flavius Ardelean, Kronstadt
Foto 1:
Der Autor Corneliu Pintilescu (stehend) bei der Buchvorstellung in der aldus-Buchhandlung.
Foto: Hans Butmaloiu
Foto 2:
Ohne Bildtext (Buchtitel)
Foto 3:
Konrad Möckel (zweiter von links) bei der Eröffnung der Schülerolympiade der Honterusschule, veranstaltet auf Initiative von Rektor Adolf Meschendörfer im Jahre 1928.
Foto: Archiv
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt
Redaktion: 500.030 Braşov, Str. GH. Baiulescu 2,
Fernruf und Telefax: 0040 -(0)268/475 841,
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Redaktuere:Ralf Sudrigian, Hans Butmaloiu, Christine Chiriac (Redakteurin, 2009-2014), Dieter Drotleff (Redaktionsleiter 1989 - 2007)
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