Auch schwierige Zeiten überstanden
16.12.21
Rückblick auf das siebenbürgisch-sächsische Schulwesen (II)
Stephan Ludwig Roth (1796 – 1849) der nach seinem Studium in Tübingen in die Heimat zurückkehrte, bemühte sich durch Schrift und Wort um die Hebung der ländlichen Schulen. Die Gymnasien erhielten 1823 eine neue Organisationsform und einen neuen Lehrplan, die aber erst 1831 die Genehmigung erhielten und nach einer neuen Verzögerung 1835/1836 eingeführt werden konnten. Die neue Gliederung sah jeweils eine sechsjährige Unter- und Oberstufe vor, denen ein Seminar für Prediger und Schulmeister sowie eine Bürgerschule angeschlossen waren. Die Bürgerschulen traten ab 1837 an den meisten Anstalten nur in sehr unvollkommener Form ins Leben, obwohl verstärkt gefordert wurde, die Ausbildung der Handwerker und Kaufleute erhöhte Aufmerksamkeit zu gewähren. Die Bürgerschule baute auf eine dreiklassige Elementarschule auf und dauerte ein bis zwei Jahre. In den Jahren 1842/45 erhielten die Bürgerschule von Hermannstadt, Schäßburg und Kronstadt eine Oberstufe und nannten sich nun Realschule. Der Unterrichtsstoff umfaßte: Deutsch, Ungarisch, Arithmetik, Anfangsgründe der praktischen Geometrie, Naturkunde, Geographie, Geschichte, Technologie, Warenkunde, Buchhaltung, Chemie, Physik, Zeichnen, Gesang u.a. Für die Handwerks- und Kaufmannslehrlinge wurden 1843 Sonntagsschule eingerichtet, in der die allgemeine Ausbildung aus der Volksschule ergänzt wurde. Die Handelsgesellschaften von Hermannstadt und Kronstadt gründeten ihrerseits 1832 bzw. 1842 Handelsschulen, die zugleich die ersten Anstalten dieser Art in der Monarchie waren. Der Unterricht fand sonntags oder abends statt und erstreckte sich auf drei bis vier Jahre.
Die Absolventen der Gymnasien studierten weiterhin in Deutschland und Österreich an evangelisch-lutherischen Universitäten in Wittenberg,Halle, Tübingen, Berlin, Wien u.a.Damit im Zusammenhang soll auf die Bemühung der Sachsen hingewiesen werden, im 18. Jahrhundert eine deutsche Universität in Siebenbürgen ins Leben zu rufen. Der von Gouverneuer Samuel von Brukenthal in den 70 Jahren beim Hofe eingereichte Plan fand bei leitenden Wiener Hofstellen und beim einflußreichen katholischen Bischof Siebenbürgens keinen Anklang. Außerdem fehlte die finanziellen Mitte, so daß die Gründung unterblieb.
In Siebenbürgen gab es sodann seit dem 18. Jahrhundert deutsche Schulen, die der katholischen Kirche unterstellt waren. In Hermannstadt unterhielten die Jesuiten von 1692 bis 1773 eine Schule. Nachdem sie aufgelassen wurde, entstanden in Hermannstadt 1774 eine katholische Normalschule und 1780 ein katholisches Gymnasium, beide in deutscher Unterrichtssprache. In mehreren Ortschaften gründete man katholisch-deutsche Volksschulen. Die Ursulinen von Hermannstadt nahmen sich der Mädchenbildung an. Im Jahre 1850 waren an ihrer Mädchenschule im Ursulinenkloster 115 Schülerinnen eingeschrieben. Das katholisch- deutsche Hermannstädter Gymnasium bestand bis 1868, als es in ein ungarisches Staatsgymnasium umgewandelt wurde. Kronstadt hatte bis 1868 ein katholisches Gymnasium mit deutscher und ungarischer Unterrichtssprache.
Der Magyarisierungspolitik sind nach 1867 viele Schulen der nicht ungarischen Nationalitäten zum Opfer gefallen, wie beispielsweise katholisch-deutsche Schulen in Siebenbürgen sowie das deutsche Schulwesen außerhalb Siebenbürgens und des Burgenlandes. Die Sachsen konnten hingegen nicht nur alle ihre Schulen behalten, sondern besaßen auch das am besten ausgebaute Schulnetz Ungarns. Die sächsischen Volksschulen erhielten 1870 eine neue Schulordnung, wodurch sie in ihrer Struktur und ihren Lehrinhalten dem damaligen europäischen Standard entsprachen. Für den Erhalt der sächsischen Schulen war es lebenswichtig, daß die Nationsuniversität 1850 beschloß, von ihrem Vermögen jährlich 50.000 Gulden für Schulzwecke zur Verfügung zu stellen, davon für die Gymnasien 25.000, für die Seminare 7000, für die bisherigen Grammatikalschulen der Stuhlvororte 8.000, für arme Volksschulen 3050 und für Stipendien 6950. Die Mittel reichten aber nicht aus, so daß Städte und Gemeinden ihrerseits gefordert waren, für den Erhalt der Schulen aufzukommen.
Den Gymnasien waren nach 1850 weiterhin Seminare angeschlossen. Man bemühte sich verstärkt um eine bessere pädagogisch-methodische und praktische Ausbildung der Volksschullehrer durch die Gründung von Übungsschulen. Der Organisationsplan von 1850/51 bestimmte, keinen Lehrer einzustellen, der nicht ein Seminar oder Gymnasium besucht hatte. Die Forderung, den Unterricht der Seminaristen von den Gymnasiasten abzukoppeln, wurde vorerst nur zum Teil verwirklicht. Ein Durchbruch erfolgte 1878 durch die Gründung des Hermannstädter Landeskirchenseminars, das als selbständige Anstalt mit vier Klassen und 22 Schülern den Betrieb aufnahm. 1891 konnte der Anstalt ein eigenes Schulgebäude zur Verfügung gestellt werden. Zu einem selbständigen theologisch-pädagogischen Landeskirchenseminar im eigentlichen Sinne des Wortes wurde die Anstalt erst 1894, als die anderen sächsischen Seminare ihre Tätigkeit einstellten und die Ausbildung für alle deutschen Volksschullehrer Siebenbürgens dem Hermannstädter Seminar übertragen wurde. Dem Seminar wurde eine Übungsschule angeschlossen und neben der Allgemeinbildung dem berufsorientierten Unterricht besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Dem Zusammenwirken von Gewerbeverein und Nationsuniversität verdanken die zwischen 1871 und 1874 gegründeten Gewerbeschulen in Agnetheln, Bistritz, Broos, Hermannstadt, Kronstadt, Mediasch, Mühlbach, Reps und Schäßburg ihre Entstehung. Sie waren die ersten Berufsschulen dieser Art in Südosteuropa und allen Lehrlingen des Landes, unabhängig von Nationalität und Religion, zugänglich.
Die Siebenbürger Sachsen hatten gehofft, daß sie sich nach der Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien der ihnen auf Grund der Karlsburger Anschlußerklärung der siebenbürgischen Rumänen vom 1.Dezember 1918 und auf Grund des Minderheitenschutzvertrages von 1919 zugesicherten regionalen Religions- und Schulautonomie tatsächlich erfreuen könnten. Das vor allem angesichts der Tatsache, daß die Rumänen Siebenbürgens vor 1918 als nationale Minderheit dieses Recht genüber dem ungarischen Staat beansprucht hatten. Die Sachsen mussten aber zu ihrer Enttäuschung feststellen, daß die regierenden Kreise in Bukarest die Deklaration von Karlsburg und den Minderheitenschutzvertrag als nicht verbindlich betrachteten und wenig Verständnis für die Belange der nationalen Minderheiten der angeschlossenen Provinzen aufbrachten. In allen Bereichen wurde ein nationalistischer Zentralismus eingeführt. Auf dem Gebiete des Schulwesens äußerte sich das darin, daß man den konfessionellen Schulen der nationalen Minderheiten die Lehrpläne der Staatsschulen aufzwang, sie verstärkter staatlicher Aufsicht und Kontrollen unterzog.
(Fortsetzung folgt)
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