Auf Wiedersehen!
11.07.25
Abschied von Kronstadt
Sonntag, den 8. Juni, Deutschland: Vor genau zwei Wochen fing ich an, meine Zeit in Kronstadt zu vermissen. Es war Sonntag, der letzte Tag vor der Heimreise. In meinem Kopf rang die Melancholie des Abschieds mit den Gedanken an die noch zu erledigenden Aufgaben um die Vormachtstellung. Immer mal wieder huschten auch warme Gefühle dazwischen – ich freute mich darauf, meine Familie, Freunde und meinen geliebten Thüringer Wald wiederzusehen. Außerdem hatte ich mir einen Rucksack bestellt, der zu Hause auf mich wartete. Ich versuchte, an diesen Gedanken festzuhalten, doch sie gingen, noch während sie aufkamen, im Chaos der Gefühle und des Abreisestresses verloren. Es regnete den ganzen Tag lang, der Nebel hing tief und bedeckte die eigentlich bunte Stadt mit einem grauen Schleier – und mich auch. Der leere Kühlschrank trug ebenfalls nicht zur Verbesserung meiner Laune bei.
Am Abend traf ich mich mit ein paar Freunden zu einer Art Abschiedsfeier. Bei gutem Essen spielten wir Gesellschaftsspiele und lachten viel. Trotzdem konnte ich den letzten Abend mit ihnen nicht so genießen, wie ich es gerne gewollt hätte.
Als ich mein Praktikum Ende Februar begann, war ich mir sicher, viel Zeit mit mir selbst zu verbringen. Ich hatte mich mit dem Gedanken angefreundet, alleine zu wandern, alleine Gitarre zu spielen und mit meiner Kamera alleine durch die Stadt zu laufen. Entgegen meiner Erwartung kam es ganz anders. Für meine geplanten Soloaktivitäten hatte ich im Endeffekt gar keine Zeit. Ich lernte viele Leute kennen und schloss trotz der kurzen gemeinsamen Zeit enge Freundschaften. Jetzt trennten sich unsere Wege, und mir war klar, dass ich einige dieser Menschen wahrscheinlich nie wieder sehen würde. Ich malte mir aus, wie es von hier ab laufen würde: In den ersten Monaten schreibt man sich noch regelmäßig und plant gegenseitige Besuche. Doch mit der Zeit und der Distanz zueinander werden die Nachrichten und die Gedanken an die Person seltener, bis die einst enge Bindung endgültig auseinanderreißt und die Freundschaft nunmehr nur noch als schöne Erinnerung von Zeit zu Zeit in unseren Köpfen auflebt.
Doch die Zeit mit meinen Freunden ist nicht das Einzige, was ich vermisse. Gleich nach der Landung in Dortmund fiel mir eine sehr klischeebehaftete Eigenschaft von Deutschland auf, die ich vorher nie bewusst wahrnahm: die Ordnung. Ich bin kein Fan von übermäßiger Ordnung – sie herrscht weder in meinem Zimmer noch in meinem Kopf. In Deutschland sehen viele Straßen und Häuser ähnlich aus. In Rumänien hatte ich das Gefühl, hinter jeder Kurve etwas Neues entdecken zu können. Immer wenn ich durch das große Holztor trat, den grünen Innenhof durchquerte und die Holztreppe zu meinem Apartment hinaufging, fühlte ich mich aufs Neue wie in einem Film. In meiner Wohnung verbrachte ich die meiste Zeit vor dem Fenster oder auf dem Balkon. Von dort hatte ich einen wunderschönen Ausblick auf die Zinne, die Häuser der Altstadt und den Sonnenuntergang. Ich fühlte mich einfach wohl.
Der Hauptgrund für mein Wohlsein waren jedoch die Menschen. Ob kurze Gespräche im Bus, in einer Bar oder beim Basketball – immer begegnete man mir mit Offenheit, Herzlichkeit und Interesse. Auch das Schließen von Freundschaften fühlte sich in Rumänien einfacher an. Durch das mir geschenkte Vertrauen fühlte ich mich nie wie ein Fremder, sondern wie jemand, der selbstverständlich dazugehört. Schon nach kurzer Zeit wurde ich in Wohnungen eingeladen und Freunden vorgestellt. Ein Musiker, den ich kennenlernte, lieh mir sogar seine Gitarre für die letzten Wochen in Rumänien.
Es fällt mir schwer, meine Erfahrungen des letzten Vierteljahres in Worte zu fassen. Wenn ich an meine Zeit in Rumänien zurückdenke, dann immer mit einem Lächeln im Gesicht und einem wohlig warmen Gefühl im Bauch. Kronstadt war für drei Monate mein Zuhause, die Redaktion mein Alltag und meine neuen Freunde ein fester Teil davon. Vielleicht werden daraus keine lebenslangen Freundschaften. Vielleicht aber schon. Doch eines ist sicher: Etwas von dieser Zeit wird bleiben – in Erinnerungen, Gedanken, Fotos und in dem Bild, das ich nun von Rumänien habe.
Philipp Messner
Wandern in den Schluchten von Zarnesti. Foto: privat
Die Kronstädter Wochenschrift "Karpatenrundschau" erscheint als Beilage in der "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien".
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